Apostasie. Marie Albes

Apostasie - Marie Albes


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sie über alles sprachen, was sie sich zu erzählen hatten. Die Zeit vergeht viel zu schnell, wenn wir sie mit dem verbringen, den wir lieb haben. Die Glocken der Priesterschule schlugen zum Angelusgebet und Michele wurde zum Abendessen gerufen.

      „ Ich muss gehen Elena“, bedauerte Michele und drehte sich zur Eingangstür der Priesterschule. „Ich kann dich nicht mitnehmen, aber ich werde den Rektor fragen, ob es möglich ist, dich nochmals hereinzulassen.“

      „ Wer hat behauptet, dass deine hübsche Schwester nicht mit uns essen kann?“, fragte eine autoritäre Stimme hinter ihnen, während sich eine Gestalt vor dem Licht des Innenhofs abzeichnete.

      „ Herr Schuldirektor“, Michele senkte den Kopf, „wie sie gehört haben, bitte ich um Erlaubnis, den heutigen Nachmittag mit meiner Schwester zu verbringen. Sie ist allein gekommen, es würde mir leid tun, sie schon nach Hause schicken zu müssen.“

      Er dachte bedrückt: ‚Wo sie keinen umgänglichen Vater vorfinden wird, der ihr die Flucht verzeiht.‘

      „ Ich habe alles gehört und frage mich, warum du sie nicht eingeladen hast, mit uns zu Mittag zu essen“, lächelte er. Er beäugelte sie, Elena aber trat einen Schritt zurück, ohne zu wissen warum. Dann gewann sie ihre Fassung zurück und erwiderte das Lächeln des freundlichen Rektors.

       Genau genommen wusste Michele nicht, ob er sich über die Güte des sonst steifen Rektors freuen sollte oder nicht. Er akzeptierte das Angebot und nahm seine Schwester bei der Hand, um sie allzeit zu beschützen.

       Sie saßen an einem Tisch neben der Wand und warteten auf das Erscheinen aller anderen „Brüder“, um zu beten. Dabei fühlte sich Elena unwohl und mit ihr Michele.

       Es ist schwer, sich vor den Todsünden zu bewahren. Manchmal ist die Unterdrückung nichts anderes als eine Form des Aufrufs zum Begehren. Plötzlich starrte alle (oder fast alle) das junge, hübsche Mädchen mit neugierigen Blicken an, teilweise wenig religiös und zum Teil feindselig.

       War es die ungewohnte Anwesenheit von Elena? Michele wusste es nicht. In dieser Situation nahmen sie ein weiteres Hindernis wahr, dass sich ihnen in den Weg stellte, so dass Elena nicht häufig zur Priesterschule kommen konnte.

       Schlimmer als das Verabschieden war die Heimkehr, wo ihr Vater mit verschränkten Armen und verdrossenem Gesichtsausdruck hinter der Tür saß und auf Elena wartete.

       Elena stand vor einer Mauer aus Ärger.

      „ Entschuldigung, ich komme spät, aber ...“ Sie konnte den Satz nicht beenden, als ihr eine schwere Hand ins Gesicht schlug. Elena führte instinktiv ihre schlanken Finger zur brennenden Haut. Ein weiterer Schlag folgte. Geduckt stürzte sie zur Treppe.

      „ Wo warst du, kleine Schlampe?“, fluchte der Vater. Da er ihren Arm nicht erwischt hatte, versuchte er sie an den Haaren zu packen.

      „ Papa, lass mich, bitte!“, schrie Elena, während er sie zu sich heranzog. „Ich habe nichts verbrochen, das schwöre ich! Ich war ...“ Ein weiterer Schlag ließ Blut aus ihrem Mund tropfen.

      „ Lüg mich nicht an! Du warst nicht mit Maria zusammen. Wir haben ihre Mutter in der Stadt getroffen! Wo warst du?! Mit wem warst du zusammen?“ An den Haaren zog er sie zur Couch. Die starke und doch empfindliche Elena schützte sich mit den Händen ihren Kopf und ihr Gesicht.

      „ Wo warst du?“, donnerte ihr Vater erneut, während ihre Mutter sie wortlos von der Küchentür aus anstarrte.

      „ Ich war bei Michele ...“, flüsterte sie resignierend. „Er hat mir gefehlt, deshalb bin ich zu ihm gefahren.“

      „ Warum hast du uns nicht darüber informiert?“, schaltete sich die Mutter ein.

      „ Weil ich dachte, dass ihr mich nicht gehen lasst.“

       Für ein paar Sekunden herrschte im Hause Gentile Stille und Elena dachte, dass sie ihre Flucht verstanden hätten. Die Stille und die Illusion weilten nur für einen kurzen Augenblick.

      „ Genau“, fuhr ihr Vater mit kalter Stimme fort. „Hast du dich gefragt, warum wir dich nicht hätten gehen lassen?“

       Elena starrte ihm terrorisiert in die Augen.

      „ Schau mich nicht mit diesem gefälscht unschuldigen Blick an!“

       Sie senkte umgehend ihren Blick, aber der nächste Schlag ließ nicht auf sich warten und ließ sie wie ein Kaninchen vor dem kreisenden Adler zusammenkauern.

      „ Ich habe nichts Böses getan ...“, flüsterte sie mit fadendünner Stimme. Mutig hielt sie seinem angsteinflößenden Blick stand: „Ich war bloß bei meinem Bruder. Mir ist nicht verständlich, warum ihr euch nicht im Geringsten um meine Gesundheit sorgt. Warum war ich weg ohne es euch mitzuteilen? Ihr fragt euch mit wem ich zusammen war und was ich mache. Warum aber versucht ihr nicht eure Tochter zu verstehen?“

      „ Freche Göre! Wage es nicht nochmal, deinem Vater Widerworte zu geben!“ Er packte sie erneut an den Haaren. „Du sollst deinen Bruder nicht besuchen, weil du eine kleine Dienerin des Teufels bist. Michele soll durch dich keine Probleme bekommen!“

      „ Sie ist zur Priesterschule gegangen!“ Die Mutter richtete ihre Augen und Arme nach oben als wäre das ein schrecklicher Skandal. „Sie ist zur Priesterschule gegangen, um dort mit ihrem Gesicht einer kleinen Hure Unruhe zu stiften!“ Dann verschwand sie in der Küche und murmelte undefinierbare Sätze.

       Elena konnte nicht begreifen, was sie ihren Eltern getan hatte, dass diese sie derart verachteten. Sie befreite sich aus dem Griff des Vaters und eilte in Richtung Zimmer. In ihrer Hast rempelte sie an den Couchtisch, auf dem eine fast leere Weinflasche und ein Tulpenglas standen, die zu Bruch gingen.

       Blutrot war der Fleck, der sich auf dem Teppich ausbreitete und in die Textur des Gewebes drang. Ein beißender Geruch an Alkohol füllte die Luft. Elena starrte einen Augenblick auf das Szenenbild. Dieser kleine Schaden würde ein weiterer Grund für übertriebene Vorwürfe sein. Sie versuchte nicht das Missgeschick zu beheben, sondern hastete zielstrebig die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf, um. weiteren Gräueltaten zu entgehen.

      

      

       In dieser Nacht erwachte Michele mit schweißgebadeter Stirn und schwerem Atem, da er glaubte, Elena schreien zu hören.

       Zum Glück war es nur ein böser Traum!

      

      

      once

      Die Zeit verflog wie ein Rosenblatt, das sich an einem Herbsttag aus der Blütenkrone löst und vom Wind in ferne Länder transportiert wird. Die Wochen vergingen schnell ab dem Tag, an dem Chiara und José den Unterricht aufnahmen.

      Zwischen Chiaras humanitären Arbeiten und Josés Arbeiten als Landarbeiter erschien der Unterricht von vier bis fünf Uhr als ein Moment der Entspannung.

      In diesen 60 Minuten lernten sie neben dem Italienisch mehr voneinander und fanden im jeweils anderen einen Freund, den sie nicht erwartet hatten zu begegnen.

      Aber Chiara merkte, dass José etwas aus seiner Vergangenheit vor ihr verbarg. José hingegen fragte sich, warum das hübsche Mädchen beschlossen hatte, ihr Gelübde abzulegen.

      ‚ Wie dumm ich bin! Wie kann ich mir derart offensichtliche Fragen stellen?‘, fragte er sich. ‚ Sie hat sich es einfach gewünscht.‘

      Andererseits fragte sich Chiara, warum er seine Arbeit auf den Schiffen aufgegeben hat, zumal er die Arbeit zu mochte. Warum war er ausgerechnet hier gelandet? - In den weltverlassenen Hügeln von Florenz.

      „Wie


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