Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel

Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch - Walther Kabel


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sind beide erregt. Es müssen Schwestern sein. Amerikanerinnen, taxiere ich.“

      Harst ging bis an die Laufplanke, die zum Ufer hinüberführte.

      Die dunkelhaarige der Damen war ein paar Schritt voraus, grüßte und fragte auf englisch:

      „Master Harst?“

      „Harald Harst, Miß Colding –“ Er verneigte sich.

      Sie stutzte.

      „Sie kennen uns, Master Harst?“

      „Von den Illustrationen der Christiania Bunten Zeitung her. In der letzten Nummer waren Ihr Herr Vater, Sie und Ihre Schwester dreimal abgebildet.“

      „Colding ist der Eisenbahnmagnat aus St. Louis, vierfacher Milliardär,“ flüsterte Prang.

      Dann stellte Harst uns den Schwestern vor, und wir fünf nahmen am Frühstückstisch wieder Platz.

      „Darf ich den Damen eine Tasse Tee anbieten?“ meinte Harald liebenswürdig.

      Die Dunkelhaarige dankte. „Mary und ich sind Pa’s wegen viel zu sehr in Unruhe,“ erklärte sie. „Master Harst, wir hörten von Touristen, die gestern in der Haukeli-Sennhütte eintrafen, daß Sie sich hier befänden. Da sind wir denn sofort hierher geeilt. Pa ist nämlich seit vorgestern verschwunden.“

      „Sie wohnten in der Haukeli-Hütte, Miß Colding?“

      „Ja, seit vier Tagen. Wir hatten dort Station gemacht. Pa gefiel es dort.“

      „Und am Tage nach Ihrer Ankunft verschwand Ihr Vater?“

      „Er war morgens gegen acht Uhr zu einem längeren Spaziergang aufgebrochen, hatte sich Proviant mitgenommen und wollte nachmittags gegen vier zurück sein. Er hatte unseren Wolfshund Hasso mit, denn –“ – sie zögerte etwas – „denn Pa hat viele Feinde und muß vorsichtig sein.“

      „Er kehrte von dieser Fußtour also nicht zurück?“

      „Nein, Master Harst. Nur Hasso erschien gestern früh. An seinem Halsband war dieser Brief befestigt.“

      Sie reichte Harald einen zerknitterten, schmutzigen weißen Umschlag.

      „Eine Erpressung also,“ meinte Harst und zog den Briefbogen aus dem Umschlag, las folgendes vor, das ich aus dem Englischen ins Deutsche übertrage:

      An die Schwestern Colding,

      Haukeli-Sennhütte.

      Ihr Vater befindet sich in unserer Gewalt. Wir fordern drei Millionen Lösegeld in Tausendkronenscheinen. Das Geld ist uns bis zum 25. August in der Weise auszuhändigen, daß Jane Colding es am 25. morgens acht Uhr nach dem Haukeli-Kegel bringt und dort auf der Spitze niederlegt.

      Sollten Sie es wagen, die Hilfe der Polizei anzurufen, so werden Sie Ihren Vater nicht wiedersehen.

      Die Brüder der grünen Maske.

      Harst legte Briefbogen und Umschlag vor sich auf den Tisch.

      „Miß Jane, sind bereits ähnliche Erpressungsversuche unternommen worden?“ fragte er.

      „Ja. In den letzten drei Jahren hat Pa sechs Drohbriefe erhalten, stets von den „Brüdern der grünen Maske.“ Viermal wurde auf ihn geschossen. Er kam jedoch stets unverletzt davon.“

      „Ihr Vater sollte also Geld an diese „Brüder“ zahlen, andernfalls sie ihn umbringen wollten?“

      „So ist es, Master Harst. Im letzten halben Jahr hatten „die Brüder“ sich nicht mehr gemeldet. Pa hoffte schon, sie hätten endlich eingesehen, daß er sich nicht einschüchtern ließ.“

      „Ich glaube hierüber etwas in den Zeitungen gelesen zu haben –“

      „Ganz recht, Master Harst. Die Sensationspresse drüben bei uns greift ja begierig all solche Vorfälle auf.“

      „Was gedenken Sie zu tun, Miß?“

      „Ich habe nach Bergen an den amerikanischen Konsul telegraphiert und ihn gebeten, mir drei Millionen in Tauendkronenscheinen nach der Haukeli-Sennhütte zu schicken. Der Konsul kennt uns persönlich. Er depeschierte zurück, daß das Geld rechtzeitig über Odda eintreffen würde. Er will es von Odda durch ein Auto senden.“

      Harald hatte sein Zigarettenetui geöffnet. „Sie gestatten, daß ich rauche. – Sie waren also zuerst bereit, die drei Millionen zu opfern, Miß Jane, ohne fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen?“

      „Ja. Dann aber riet uns Professor Lörax, der ebenfalls auf der Haukeli-Hütte wohnt, Ihnen den Fall vorzutragen. Er hatte von Touristen erfahren, daß –“

      „Danke, Miß. – Wer ist Professor Lörax?“

      „Ein Landsmann von uns, Dozent an der Universität in Chikago. Stuart Lörax genießt als Chemiker Weltruf. Er traf in der Haukeli-Hütte vorgestern abend ein, in Begleitung seiner Gattin.“

      „Ah – dann handelt es sich also um den berühmten Lörax, Miß, – berühmt und schrullenhaft.“

      „Er wirkt allerdings ein wenig eigenartig. Unseren Witzblättern bietet er dauernd Stoff.“

      Harald rauchte nachdenklich ein paar Züge. Dann erklärte er:

      „Sie hätten besser an mich telegraphiert, Miß Jane. Ihre Autofahrt ist fraglos beobachtet worden. Sie werden sicherlich deshalb von den Erpressern, die Ihnen von Amerika gefolgt sein dürften, einen neuen Drohbrief erhalten.“

      Miß Jane schüttelte leicht den Kopf.

      „Wir sind vorsichtig gewesen. Niemand ahnt, daß wir den Haukeli verlassen haben. Unser Chauffeur fuhr mit dem Auto bereits gestern abend ab. Angeblich sollte er hier in Dahlen postlagernde Briefe für uns abholen. Dies erzählten wir an der Abendtafel. Um zwei Uhr morgens verließen Mary und ich dann die Sennhütte und wanderten zu Fuß die Bergstraße entlang, bis wir das Auto trafen. Wenn wir jetzt zurückkehren, werden wir uns in der Nähe von Haukeli auf den Boden des Autos setzen, und Palwer, unser Chauffeur, wird uns mit der Schutzleinwand bedecken. So fahren wir in den Autoschuppen hinein. Es kann niemand merken, daß wir Haukeli verlassen hatten“

      „Hm!“ meinte Harst gedehnt. „Ich befürchte das Gegenteil! – Doch – darauf kommt es jetzt nicht mehr an! Schraut und ich werden morgen früh in der Sennhütte eintreffen.“

      Die blonde Mary, die bisher schweigend zugehört hatte, sagte jetzt:

      „Nicht wahr, Master Harst, – vielleicht haben wir Pa dadurch, daß wir Sie aufsuchten, nur in Gefahr gebracht! Ich habe das Jane gleich vorgehalten, als Professor Lörax uns den Rat gab, Sie um Hilfe zu bitten. Es kommt doch auf drei Millionen nicht an!“

      Jane, offenbar die ältere, warf der Schwester einen unfreundlichen Blick zu.

      „Mary vergißt,“ meinte sie spitzen Tones, „daß die Erpresser, worauf auch Lörax hinwies, die drei Millionen sich holen und doch Pa nicht freilassen könnten!“

      Die Blonde wurde rot. Auch ihre Augen verrieten wenig Liebe für die Ältere, als sie scharf erklärte:

      „Dann wäre noch immer Zeit gewesen, Master Harst zu bemühen! Wer weiß, was jetzt geschieht! Denn auch ich fürchte, die Brüder der grünen Maske wissen längst, daß wir hier sind.“

      Es folgte eine peinliche Pause. Die Schwestern fühlten wohl, daß sie hier vor uns die zwischen ihnen bestehende Abneigung allzu offen enthüllt hatten. Beide blickten vor sich hin.

      Dann fragte Harald ablenkend: „Die Brüder der grünen Maske haben im Westen der Vereinigten Staaten, soweit ich mich besinne, seit Jahren zahllose Erpressungen verübt. Ist man ihnen nie auf die Spur gekommen?“

      „Nie!“ erwiderte Jane Colding. „Unsere besten Detektive haben alles Mögliche versucht, diese Geheimorganisation zu sprengen.“ –

      Gleich


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