BLACK STILETTO. Raymond Benson

BLACK STILETTO - Raymond  Benson


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da, um mir zu helfen.

      Es passierte schließlich in der Nacht an Halloween, 1951. Ich besuchte die achte Klasse der Odessa Junior High-School. Mein Geburtstag war nächste Woche, und ich hatte mich für eine Kostümparty, die ein paar Kids veranstalteten, als Hexe verkleidet. Es gab eine Kirmes, und da ging man eben hin. Ich hatte nicht wirklich Lust darauf, aber genauso wenig wollte ich daheim bleiben. Frank war mit seinen Freunden aus, also waren nur Mom und Douglas zuhause, als ich nach Mitternacht heimkam.

      Mom schlief in ihrem Schlafzimmer. Wahrscheinlich im Vollrausch. Ich bemerkte die beinahe leere Flasche Jack Daniels auf der Küchenanrichte. Douglas saß im Wohnzimmersessel und tat nichts. Wir hatten keinen Fernseher. Niemand, den ich damals kannte, hatte einen Fernseher. Douglas war ebenfalls betrunken, aber zumindest noch so weit bei Verstand, um mir ein lüsternes Grinsen zuzuwerfen, als ich durch die Tür kam.

      »Na, sieh mal einer an, wen wir da haben«, sagte er. »Die böse Hexe des Westens.«

      Ich antwortete nicht. Ich wollte einfach nur auf mein Zimmer, dieses alberne Kostüm ausziehen und ins Bett gehen. Ich war müde, und in keiner guten Stimmung.

      »Hast du Süßigkeiten für mich, Liebling?«, fragte er.

      Ich schüttelte den Kopf und ging zum Kühlschrank, um nachzusehen, ob da noch etwas anderes außer Wasser drin war. Während ich den Kopf hineinsteckte, merkte ich, wie er plötzlich hinter mir stand.

      »Warst du nicht Sammeln?«

      »Nein«, antwortete ich, mit dem Rücken zu ihm. »Ich war auf einer Party. Ich bin zu alt für Süßes oder Saures.«

      »Oh, das glaube ich nicht. Du bist genau im richtigen Alter dafür. Dein Geburtstag ist doch nächste Woche, oder?«

      Ich ignorierte ihn. Ich schloss die Kühlschranktür und versuchte, an ihm vorbeizukommen. Er versperrte den Weg aus der Küche.

      »Ich würde gern auf mein Zimmer gehen, bitte«, sagte ich.

      »Warte kurz, Süße. Wir spielen ein wenig Süßes oder Saures.«

      Ich wollte etwas zu ihm sagen, dass ich von Kindern in der Schule gehört hatte. Du weißt schon, das F-Wort. Aber damals benutzte ich das Wort nicht. Ich schwieg lieber.

      Dann streckte er den Arm aus und streichelte mit der Rückseite seiner knorrigen Hand meinen Hals.

      Ich zuckte zurück und fauchte: »Fass mich nicht an!«

      Da loderte ein Feuer in seinen Augen auf und er flüsterte: »Was fällt dir ein, so mit deinem Vater zu reden! Du hast gefälligst etwas Respekt zu zeigen, verstanden?«

      »Du bist nicht mein Vater.«

      »Ich bin dein Stiefvater. Das ist das Gleiche.«

      »Nein, ist es nicht.«

      Sein Gesicht bekam dieses widerwärtige Grinsen, und er leckte sich über die Lippen. »Sieh an, wir sind wohl von der temperamentvollen Sorte, wie? Ich merke schon, du und ich, wir werden viel Spaß miteinander haben, Schätzchen, jawohl!«

      Douglas drückte mich gegen den Kühlschrank, und ich konnte nirgendwo hin. Ich konnte seinen widerlichen Whiskey-Atem riechen, und ich könnte schwören, dass ich hörte, wie sein Herz heftig in seiner Brust schlug. Es machte ihn an, über mich verfügen zu können.

      Er packte mich an der Kehle und hielt mich fest – nicht so fest, um Abdrücke zu hinterlassen oder mich zu würgen, aber fest genug, um mich am Weglaufen zu hindern. Ich hatte Todesangst. Ich glaube, ich fing an zu weinen, aber ich bin nicht sicher. Verdammt noch mal, ich war dreizehn Jahre alt. Ich mochte ein zähes kleines Ding gewesen sein, aber einem erwachsenen Mann mit über 100 Kilo war ich nicht gewachsen.

      »Du willst auf dein Zimmer? Dann gehen wir auf dein Zimmer!«

      Mit diesen Worten zerrte er mich vom Kühlschrank weg, und mit seiner Hand, die immer noch meinen Hals umklammerte, marschierte er mit mir durch das Wohnzimmer und in den Flur. Ich wollte nach meiner Mom rufen, aber die Schlafzimmertür war geschlossen und ich wusste, dass sie einen tiefen Schlaf hatte. Ich konnte sie schnarchen hören. Ich betete, Frank möge nach Hause kommen, aber die Chancen, dass das passierte, waren gering. Es war hoffnungslos.

      Als wir in meinem Zimmer ankamen, warf er mich aufs Bett und schloss die Tür. Douglas kam zu mir und fing an, mir das Kostüm auszuziehen. Dabei lachte er und begann »Süßes oder Saures, Süßes oder Saures« zu singen, so als ob das alles ein Spaß wäre – eine Art Spiel, welches wir beide genossen. Ich trat und schlug nach ihm, aber es war sinnlos. Er hielt mich fest und riss mir den Slip herunter. Dann schnallte er sich seine Hose auf.

      Ich konnte ihn nicht aufhalten.

      Als er fertig war, tätschelte er mein Gesicht, als hätte ich ihm eine Hausarbeit abgenommen. »Danke, Schätzchen, du warst wirklich gut«, sagte er. »Das war definitiv Süßes und nicht Saures.«

      Ich weiß nicht mehr, ob ich geweint habe. Ich weiß nur, dass er mich verletzt hatte. Da war Blut auf meinem Bett, und ich fühlte mich, als wäre ich auseinandergerissen worden. Ich hatte ganz bestimmt einen Schock.

      Douglas stand auf, zog sich die Hose hoch und sagte: »Du wirst niemandem etwas darüber erzählen. Schließlich war es deine Schuld. Du hast mich angemacht. Wenn du herumläufst und erwachsene Männer anmachst, passiert so etwas eben. Wenn deine Mutter das herausfindet, würde es sie umbringen. Du willst doch deine Mutter nicht auf dem Gewissen haben, oder? Sie würde dich für den Rest deines Lebens hassen. Du würdest jede Menge Schwierigkeiten bekommen. Vielleicht schicken sie dich sogar in ein Erziehungsheim, verstehst du? Ein Gefängnis für böse Mädchen. Denn genau das bist du nämlich, Herzchen. Ein böses Mädchen. Haben wir uns verstanden?«

      Ich sagte nichts.

      »Haben wir uns verstanden?«

      Ich nickte.

      Dann verließ er den Raum.

      An den Rest der Nacht erinnere ich mich nur noch undeutlich. Ich bin ziemlich sicher, dass ich Ewigkeiten in der Badewanne saß, und dann ins Bett gegangen bin und mich in den Schlaf weinte.

      Unnötig zu erwähnen, dass mein vierzehnter Geburtstag der freudloseste Geburtstag in meinem Leben war.

      In den nächsten Wochen hatte sich die Hölle, daheim zu wohnen, verzehnfacht. Ich hielt es dort nicht mehr aus. Ich ging lange spazieren, blieb bis spät weg – weshalb ich mir Ärger mit meiner Mom einhandelte – und verbrachte mehr Zeit in der Schule, als nötig gewesen wäre. Wann immer ich zuhause war, warf mir Douglas nur ein anzügliches Grinsen zu und leckte sich die Lippen. Ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er es wieder versuchen würde.

      Ja, er plante es. Das konnte ich in seinem Gesicht und seinen Augen ablesen. Wieder diese Intuition. Der Instinkt des wilden Tieres, um sich selbst zu schützen.

      Ich musste fliehen.

      Ich hielt es noch weitere drei grauenvolle Monate unter dem gleichen Dach mit diesem bösen Mann aus. Ende Januar 1952 aber entschied ich, dass ich es nicht länger ertrug.

      Ich ergatterte einen Busfahrplan. Fand heraus, wie man zur Haltestelle in Odessa kam und wie viel es kosten würde, ganz weit wegzufahren. Ich packte einen Rucksack mit ein paar Klamotten und Habseligkeiten. Dann, an einem Sonntagmorgen, als meine Mom und Douglas lange schliefen, schlich ich mich in ihr Schlafzimmer. Das konnte ich gut. Ich nannte es »Heimlichschleichen«. Ich konnte wie ein Katze Türen öffnen und in einen Raum hinein und hinaus huschen, ohne ein Geräusch zu machen.

      Also heimlichschlich ich mich ins Zimmer und schnappte mir Douglas' Brieftasche, die auf dem Nachtschränkchen neben dem Bett lag. Am Freitag zuvor war Zahltag gewesen, und ich kannte seine Routine. Er ließ sich den Scheck stets komplett in bar auszahlen, ging in einem der Arbeiterlokale einen Trinken, und kam dann mit einem dicken Bündel Geldscheine in der Brieftasche nach Hause. Am Montag bezahlte er dann die Rechnungen, gab etwas davon meiner Mutter und brachte vielleicht noch etwas auf die Bank.

      Aber es war Sonntag.

      Ich


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