LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2). Raymond Benson

LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2) - Raymond Benson


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aufs Korn genommen zu werden. Er ist ein kleiner Kerl, und mir ist schon klar, warum er ein leichtes Ziel für weiße rassistische Schläger ist.

      Gegen 7:00 Uhr abends endete meine Schicht. Ich duschte, zog mich um und aß mit Freddie zu Abend. Ihm ging es besser und er versprach, morgen wieder zur Arbeit zu gehen. Als ich fertig war, zog ich mir einen Mantel über und sagte ihm, dass ich bald zurück sei. Ich lief die Straße zum East Side Dinner hinauf, sodass ich das Telefon darin benutzen konnte. Lucy war da und freute sich, mich zu sehen. Es war wenig los, also quatschten wir für eine Minute. Ich hatte das Gefühl, etwas bestellen zu müssen – schließlich konnte ich nicht einfach nur ins Diner kommen und sagen, dass ich telefonieren wollte. Sie würde wissen wollen, warum ich nicht einfach mein Telefon Zuhause benutzt hatte. Also setzte ich mich an den Tresen und bestellte ein Stück Blaubeerkuchen und eine Coke. Als sie einen Kunden bediente, ließ ich mich von meinem Stuhl gleiten und lief zu der Telefonkabine.

      Johns Nummer war leicht zu merken. Ich wählte und er hob nach dreimaligem Klingeln ab. Dieses Mal meldete er sich mit: »Hallo.«

      Ich verstellte die Stimme und versuchte mich an einer furchtbaren Imitation von Joe Friday: »Ich suche nach Special Agent Richardson.«

      John lachte: »Oh Mann. Ist die Geschichte, die ich gleich hören werde, wirklich wahr? Sind die Namen geändert worden, um die Unschuldigen zu schützen … oder die Schuldigen?«

      Das brachte auch mich zum Lachen. »Ich hoffe, Sie denken nicht, dass es falsch ist, dass ich Sie anrufe.«

      »Wie meinen Sie das?«

      »Sie wissen schon, dass eine Frau einen Mann anruft.«

      »Überhaupt nicht. Emily Post würde, was die Etikette angeht, da sicher Einwände haben, aber ich ganz bestimmt nicht. Ich bin froh, dass Sie mich anrufen.«

      »Ich wollte mich noch einmal für die Story in der Zeitung bedanken. Ich werde sie ausschneiden und in ein Sammelalbum kleben.«

      »Werden Sie das? Führen Sie wirklich ein Sammelalbum?«

      »Ach was. Aber ich sollte vielleicht eines anlegen. Was meinen Sie?«

      »Könnte irgendwann vielleicht mal etwas wert sein.«

      »Vielleicht. Ich schreibe Tagebuch.«

      Lucy blieb vor der Telefonkabine stehen. Durch das Glas konnte ich den fragenden Blick sehen, den sie mir zuwarf. Ich lächelte nur und scheuchte sie weg. Sie zuckte mit den Schultern und lief weiter.

      »Ein Tagebuch also? Bewahren Sie darin all Ihre Geheimnisse auf?«, fragte er.

      »Ich habe keine Geheimnisse«, antwortete ich. »Also, nicht viele.«

      »Ich weiß, dass Sie nicht wirklich Eloise heißen.«

      »Woher wissen Sie das?«

      »Also bitte. Ich bin ein FBI-Agent.«

      »Okay, was wäre, wenn das nicht mein wirklicher Name wäre?«

      »Dann würde ich gern Ihren wahren Namen wissen wollen.«

      »Warum?«

      »Damit ich Sie so ansprechen kann. Es klingt albern, wenn ich sage: Na, hallo, Black Stiletto! Gute Nacht, Black Stiletto. Wir hören später voneinander, Black Stiletto. Ich könnte es mit BS abkürzen.«

      Ich mag Männer, die mich zum Lachen bringen. »Haha, sehr witzig. Aber ich fürchte, Sie müssen fürs Erste weiter Eloise benutzen, John.«

      »Das ist nicht gerade sehr fair, oder? Sie kennen meinen Namen, ich Ihren aber nicht.«

      »Na na. Ich darf nicht vergessen, dass Sie ein FBI-Agent sind. So läuft das nicht.«

      »Und was ist mit unserem Deal?«, fragte er.

      »Unser Deal?«

      »Hatten wir nicht einen Deal? Ich verschaffe Ihnen etwas gute Presse, und dann würden Sie sich mit mir treffen.«

      Meine Güte! Musste er damit anfangen?

      »Darüber muss ich nachdenken, John. Ich vertraue Ihnen noch immer nicht. Soweit ich weiß, wollen Sie sich wieder bei Ihrem Boss einkratzen und mir Handschellen anlegen.«

      »Kommen Sie, Eloise. Ich verspreche Ihnen, dass ich mich benehmen werde.«

      »Hören Sie, ich sage Ihnen etwas. Ich mag Ihre Stimme, und ich mag es, mit Ihnen zu reden. Wie wäre es, wenn ich Sie öfter anrufe?«

      »Das würde mir gefallen.«

      »Und dann, wenn ich Sie vielleicht etwas besser kennengelernt habe, wer weiß?«

      Er machte: »Tss tss tss«, und sagte: »Ihnen kommt man nicht so schnell bei, wissen Sie.«

      »Das erwartet man doch von einer anständigen Frau, oder? Ich muss schließlich an meinen Ruf denken.«

      Er lachte.

      »Was ist daran so lustig?«

      »Die Black Stiletto macht sich Sorgen um ihren Ruf.«

      »Stimmt, ich schätze, das ist ein wenig paradox.« Lucy lief an der Telefonzelle vorbei und warf mir wieder einen komischen Blick zu. In dem Moment forderte mich der Betreiber auf, weitere zehn Cent einzuwerfen. »Hey, ich muss los. Aber ich rufe Sie bald wieder an, okay?«

      »Sie müssen schon wieder gehen?«

      »Ich bin an einem Münzfernsprecher, John. Nächstes Mal bringe ich mehr Kleingeld mit.«

      »Okay, Eloise. Ich höre bald wieder von Ihnen?«

      »Sehr bald.«

      »Auf Wiederhören, Black Stiletto.«

      Ich lachte wieder. »Auf Wiederhören, Special Agent Richardson!« Und ich legte auf.

      Als ich aus der Kabine trat, stand Lucy am Tresen und addierte Rechnungen zusammen. Ich kehrte zu meinem Stuhl zurück, um meinen Kuchen aufzuessen.

      »Mit wem hast du gesprochen?«, fragte sie.

      »Oh, nur so ein Kerl«, antwortete ich mit gespielter Lässigkeit.

      Sie hob eine Augenbraue. »Oh, wirklich?«

      »Ja.«

      »Wer?«

      »Irgendjemand. Ich kenne ihn kaum. Noch.«

      »Du hast ihn von hier aus angerufen?«

      »Ja.«

      »Warum?«

      Ich zuckte mit den Achseln. »Mir war danach. Mmm, der Kuchen ist wirklich gut.«

      »Judy! Was verheimlichst du mir?«

      »Gar nichts, Lucy. Wirklich. Ich hab den Typen noch nie getroffen.«

      »Aber du rufst ihn an?«

      Ich zuckte wieder mit den Schultern. »Na und? Wenn mir danach ist.«

      Sie lächelte, schüttelte den Kopf und trug die Rechnung zu ihrem Kunden. Ich aß schnell den Rest von meinem Kuchen und trank meine Coke, ließ etwas Geld auf dem Tresen liegen und winkte zum Abschied. »Bis bald, Lucy!« Sie sah mich an, als ob sie sich gern noch weiter mit mir unterhalten hätte, aber da war ich schon zur Tür hinaus.

      Und jetzt bin ich wieder daheim und versuche, etwas Schlaf zu finden. Yap, das war wirklich ein guter Tag. Aber jetzt mache ich das Licht aus.

      11| John

       Private Dictaphone-Aufzeichnung

      Heute ist der 21. Februar 1959 und es ist etwa 22:30 Uhr.

      Heute Abend rief mich die Black Stiletto an und wir hatten eine interessante Unterhaltung. Sie ist eine Frau, die gern flirtet.

      Doyle von der Daily News hat mit dem Artikel, um den ich ihn bat, großartige Arbeit geleistet.


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