LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2). Raymond Benson

LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2) - Raymond Benson


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Lachen.

      Während ich mich wieder meiner Arbeit widmete, entschied ich, dass es wohl nicht schaden würde, wenn ich Mike Washington im Auge behielt.

      7| John

       Private Dictaphone-Aufzeichnung

      Heute ist der 18. Februar 1959.

      Ich bin immer mehr davon überzeugt, dass Carl Purdy der neue Rauschgiftkönig von New York City ist. In den letzten Jahren hat sich das Bureau auf die Italiener und die Franzosen konzentriert – die Korsen, um genau zu sein. Es ist kein Geheimnis, dass die Korsen führend im Schmuggel von Heroin in die Vereinigten Staaten sind. Aber wenn das Zeug erst einmal im Land ist, haben sie mit dessen Verbreitung nichts mehr zu tun. Das ist der Punkt, wo Purdy ins Spiel kommt. Purdy und sein Netzwerk aus schwarzen Gangstern verteilen das Gift eigenhändig über die Stadt und darüber hinaus. Die Italiener haben ihre Hände ganz sicher auch im Spiel, aber es läuft immer mehr darauf hinaus, dass sie nur noch an dritter Stelle der Nahrungskette stehen. Mafia-Clans wie die DeLucas haben eine Menge Macht und Einfluss verloren. Sie versuchen verzweifelt, im Drogengeschäft mitzumischen, und das bedeutet viel Ärger. Überall Tote, wohin man auch schaut.

      Ich verstehe Purdys Denkweise nicht. Die Schwarzen beschweren sich die ganze Zeit über mangelnde Bürgerrechte und Gleichbehandlung, und trotzdem verkauft Purdy den Dreck an seine eigenen Leute. Er macht ganz Harlem abgängig, und wozu führt das? Es ist ein Teufelskreis. Drogenabhängigkeit erzeugt Armut, Krankheit und Tod. Kein Wunder, dass Harlem zu einem Getto verkommen ist. Es gab eine Zeit, da blühte Harlem förmlich auf. Es war ein angesagter Stadtteil, wo man gern ausging und die Nachtklubs besuchte. Heutzutage würde keine vernünftige weiße Person einen Fuß dort hinein setzen. Und wer trägt die Schuld daran? Carl Purdy und seine zwielichtigen Ganoven.

      Wir wissen mittlerweile, das Purdy die Profite aus den Bordellen in Harlem dazu benutzt, seine Vertriebsmechanismen zu finanzieren. Diese Bordelle sind über die ganze Stadt verteilt, sogar unterhalb von Harlem. Außerdem dienen sie als Heroinverstecke. Purdys Männer machen die Prostituierten abhängig und halten die Frauen dann unter Kontrolle, indem sie mit dem Heroin vor ihrer Nase herumwedeln. Es ist ein widerwärtiges Geschäft. Außerdem hat er seine Finger in Buchmachergeschäften, Schutzgelderpressungen und einer neuen Art von Glücksspiel, das so ähnlich wie Lotto funktioniert. Es wird auch Zahlenspiel oder bolita in Spanish Harlem genannt. Das wird an unzähligen Orten illegal gespielt. Ich bin sicher, dass Purdy allein mit dem Zahlenspiel Millionen scheffelt, was zudem sein Drogengeschäft finanziert.

      Endlich, nach Monaten der Vorbereitung, habe ich einen verdeckten Informanten in Purdys Organisation einschleusen können. Er wird mir persönlich Bericht erstatten. Haggerty ist natürlich skeptisch. Er ist nie mit etwas einverstanden, das auf meinem Mist gewachsen ist. Auf der einen Seite übergibt Haggerty mir die Leitung der Rauschgift-Einsatzgruppe, um mir dann wegen der Kosten, des Aufwands und dem Schutz des Informanten in den Ohren zu liegen. Was soll ich seiner Meinung nach denn sonst tun? Man könnte fast glauben, Haggerty wäre auf Purdys Seite. Tja, Pech. Der Informant wird morgen seinen Dienst antreten.

      Außerdem nervt Haggerty mich immer noch wegen der Black Stiletto. Ob ich von ihr gehört hätte. Wie sie heißt. Wo sie lebt. Wann ich etwas herausfinden würde. Ich sagte ihm, dass ich seit Januar nichts wieder von ihr gehört hatte. Er erklärte mir, dass ihre Verhaftung oberste Priorität hätte. Wirklich? Oberste Priorität? Was war mit der Festnahme von Carl Purdy und den Mistkerlen, die das Leben unschuldiger schwarzer Familien ruinierten? Und wahrscheinlich auch die Leben von ein paar Weißen.

      Als ich das letzte Mal mit der Stiletto sprach, stellte sie in Aussicht, sich mit mir zu treffen, falls ich etwas gegen die negativen Schlagzeilen tun könnte, die sie bekam. Ich habe da Kontakte zu jemanden bei der New York Daily News. Vielleicht sollte ich Doyle anrufen. Er schuldet mir noch einen Gefallen. Wenn ich es richtig formulierte, würde sie mich vielleicht anrufen, um sich zu bedanken. Den Versuch ist es wert.

      8| Judys Tagebuch 1959

       Februar 1959

      Gestern hatte ich eine weitere Trainingseinheit mit Soichiro. Wir übten wieder den Kampf mit verbundenen Augen, und ich werde immer besser. Dieses Mal benutzte er einen Knüppel, einen »Totschläger«, wie er ihn nannte, wie ihn hin und wieder die Schläger und Ganoven auf der Straße benutzten, um damit Leute zu verprügeln. Meine Aufgabe bestand darin, seine Schläge abzuwehren und ihn bestenfalls zu entwaffnen. Zum Glück war der Totschläger aus Gummi, denn er erwischte mich einige Male, bis ich den Dreh raus hatte. Wäre der Knüppel echt gewesen, hätte ich jetzt ein paar gebrochene Knochen und eine Gehirnerschütterung!

      Soichiro ist sehr anmutig, und wenn er will, kann er extrem leise sein. Er meinte, wenn ich das Training mit ihm bestand, dann würde ich in einer realen Situation keine Probleme haben. Die wenigsten Angreifer waren derart lautlos. Männer machen beim Kämpfen für gewöhnlich eine Menge Krach. Aber was, wenn es mehr als einen Angreifer gab? Wenn sie von allen Seiten auf einen zukamen, vermischten sich die Geräusche. Soichiro sagte, dass er mir beibringen würde, die Geräusche im Dunkel zu isolieren – in »Zeitlupe« zuzuhören. Ich schätze, das konnte ich schon immer, aber ich hatte nie die Disziplin aufgebracht, diese Fähigkeit zu schärfen. Zum Ende der Trainingseinheit war ich imstande, seine Angriffe zu blocken und ihm den Knüppel aus der Hand zu schlagen. Bei einigen Versuchen bekam ich den Totschläger sogar zu fassen und nahm ihn ihm ab! Er lud mich in eine der niedrigeren Klassen ein, damit ich meine Fähigkeiten mit mehreren Schülern auf einmal austesten konnte. Ich sagte, dass ich bereit dafür wäre.

      Davon abgesehen spürte ich noch immer, dass ihm etwas Sorge bereitete. Vor Trainingsbeginn fand ich ihn in seinem Büro vor, wo er die Wand anstarrte. Zuerst dachte ich, dass er mit offenen Augen schlief, sofern so etwas möglich war, aber dann drehte er sich um und bemerkte meine Anwesenheit. Normalerweise steht er, wenn ich komme, bereits auf der Matte und macht Dehnungsübungen oder so etwas.

      »Alles in Ordnung, Soichiro-san?«, fragte ich ihn.

      »Mir geht es gut«, antwortete er tonlos. Wieder war mir klar, dass er nicht die Wahrheit sagte.

      Wie auch immer, wir hielten den Unterricht ohne weitere Anzeichen auf seine Sorgen ab. Doch danach zog er sich ohne ein Wort in sein Büro zurück. Für gewöhnlich unterhielten wir uns noch ein wenig. Ich weiß, dass ich zu den Schülern gehöre, die er am besten leiden kann, auch wenn er es noch nie so direkt gesagt hat. Soichiro lässt sich nicht so ohne Weiteres in die Karten schauen, was typisch für Japaner ist. Also ging ich zurück in sein Büro und sagte: »Soichiro-san, ich weiß, dass Sie etwas betrübt. Ich bin nicht nur Ihre Schülerin, sondern auch eine Freundin. Sie können mir vertrauen. Wollen Sie mir nicht verraten, was los ist?«

      Da geriet er sogar außer sich und fuhr mich an: »Nichts los sein! Bis zum nächsten Mal!«

      Ich sagte: »Okay, okay«, und ging. Aber ich war fest entschlossen, mehr herauszufinden.

      Vergangene Nacht begab sich die Black Stiletto zur Christopher Street, wo sich das Studio Tokyo befand. Es ist immer noch Winter und draußen ist es ziemlich kalt, aber nicht so schlimm wie im Januar. Es ist riskant, die breiten Nord-Süd-Avenues in voller Montur zu überqueren, also ziehe ich einfach einen Mantel über meine Verkleidung und lasse die Maske unten. Schon bin ich einfach nur eine normale New Yorker Frau, die von Osten nach Westen spaziert. Als ich im West Village ankam, zog ich den Mantel aus, legte ihn zusammen, steckte ihn in meinen Rucksack, zog mir die Maske über und war bereit.

      Das Studio befindet sich im zweiten Stock eines gewöhnlichen alten Gebäudes. Darunter ist eine Pizzeria, darüber Appartementwohnungen. Das Licht war aus, das konnte ich sehen. Normalerweise hätte es vor der Eingangstür vor Schülern nur so gewimmelt, aber es war spät und die Pizzeria hatte bereits geschlossen, weshalb ich einen Dietrich benutzte, um hinein zu gelangen. Die Tür zum Studio stellte eine schwierigere Herausforderung dar – ich benötigte fünf verschiedene Anläufe mit verschieden großen Dietrichen, um sie aufzubekommen. Einen Alarm gab es nicht.

      Liebes Tagebuch, ich


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