LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2). Raymond Benson

LICHT UND SCHATTEN (Black Stiletto 2) - Raymond Benson


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das daran, dass ich ein Mann bin, der auf die fünfzig zusteuert und allein in einem kleinen Haus ohne Freundin lebt. Bisher hätte ich noch »und ohne Job« mit auf die Liste gesetzt, aber jetzt sollte ich vielleicht »mit einer Katze« hinzufügen. Nicht, dass ich eine wollte. Hunde machen mehr Spaß, aber die Verantwortung, sich um ein Tier zu kümmern, kann ich derzeit ganz und gar nicht gebrauchen. Vielleicht, wenn Mom – aber darüber mag ich nicht nachdenken.

      Während ich meine Pizza aß und ein Coors Light trank – ich muss etwas abnehmen und glaube, dass die meisten Pfunde auf die schicken europäischen Biere zurückgingen, denen ich frönte – begann diese geschmacklose, aber süchtig machende Show World Entertainment Television. Ich schaute eigentlich gar nicht zu; von meinem kleinen Esstisch in der Nähe der Küche aus kann ich nicht um die Ecke ins Wohnzimmer gucken. Aber ich hörte die typischen Promi-Tratsch-Geschichten und Drehberichte über aktuelle Kinofilme. Dann, gerade als ich mir das letzte Stück Kruste in den Mund schob, hörte ich die weibliche Nachrichtensprecherin sagen: »Und jetzt kommen wir zur Black Stiletto. Erinnern Sie sich noch an sie?«

      Wie von der Tarantel gestochen sprang ich von meinem Stuhl auf. Ich stürmte zum Fernseher und sah eine süße, schick angezogene asiatische Frau. Anhand der Bildunterschrift lautete ihr Name Sandy Lee. Hinter ihr war einer dieser falschen Bildschirme, die sie für Bilder, Filmeinblendungen und Texte benutzten. Dieser zeigte ein Foto meiner Mutter in Kostümierung. Das Bild war bekannt, eines von denen, die von der Presse seit Jahrzehnten benutzt wurden.

      Sandy Lee fuhr fort: »Man muss die letzten fünfzig Jahre schon auf dem Mond gelebt haben, um noch nichts von der Black Stiletto gehört zu haben. Obwohl die kostümierte Verbrecherjägerin nur ein paar Jahre in den späten 1950ern und frühen 60ern aktiv war, wurde ihr Erscheinungsbild – und ihre Legende – von den Medien gründlich ausgeschlachtet.«

      Andere der vielgezeigten alten Fotos erschienen vollflächig im Fernsehen.

      »Die Black Stiletto bekämpfte gewöhnliche Gauner, die Mafia und kommunistische Spione, was oft zur Gefangennahme und Inhaftierung dieser Kriminellen beitrug«, war Sandy über die Einblendungen hinweg zu hören. »Doch darüber hinaus wurde auch sie selbst von der Polizei und dem FBI gesucht, weil sie das Gesetz in die eigene Hand nahm.«

      Es war der gleiche alte Kram, aber ich war neugierig, wieso sie über die Stiletto berichteten. Das bisher Gesagte wusste jedes Kind.

      Dann sagte Sandy Lee: »World Entertainment Television ist in den Besitz von exklusivem altem Filmmaterial der Black Stiletto gelangt, das sie ganz aus der Nähe und privat zeigt. Dieses Material ist noch nie zuvor ausgestrahlt worden.«

      Das erregte meine Aufmerksamkeit. Das Bild wechselte nun zu einem dicken Kerl mit grauen längeren Haaren und nervösen Augen. Der Mann war wahrscheinlich um die sechzig, schwer zu sagen. Aber um die fünfzig wenigstens. Er trug ein weißes Hemd, das zu weit nach unten aufgeknöpft war, sodass man eine behaarte Brust und ein lächerliches Sammelsurium an Goldketten sehen konnte.

      »Johnny Munroe aus New York City entdeckte eine 8mm-Filmrolle in einem Bankschließfach seines Vaters, Jerry Munroe, der in den Fünfzigern als Fotograf in Manhattan arbeitete.«

      Sandy Lee fuhr fort und stellte ihm in einem Interview Fragen.

      »Mr. Munroe, Sie haben die kleine Filmrolle nach dem Tod Ihres Vaters gefunden?«

      »Das ist korrekt«, antwortete Munroe. Er hatte einen breiten New Yorker Akzent. Für mich klang er nach einem Wichtigtuer, jemand, der versuchte, vor der Kamera einen toughen Eindruck zu machen, obwohl er nervös war. Er hätte gut in Die Sopranos oder in Goodfellas gepasst. »Mein Vater war hochbetagt mit seinen zweiundneunzig Jahren. Er verstarb letztes Jahr. Ruhe er in Frieden.«

      »Und stimmt es, dass er die meiste Zeit seines späteren Lebens ein Ex-Sträfling war?«

      »Ja, das ist wahr. Er kam 1983 aus dem Gefängnis heraus, nachdem er eine beinahe fünfundzwanzigjährige Haftstrafe verbüßte. Komplett rehabilitiert, wie ich hinzufügen möchte.«

      »Warum war er im Gefängnis?«

      Der Kerl rollte mit den Augen, als wäre ihm die Sache ein wenig unangenehm. »Ahm, das war wegen der Verbreitung von obszönem Material. Aber hey, was in den Fünfzigern als obszön galt, sieht heutzutage beinahe bieder aus.« Er hob seine rechte Hand, als würde er einen Eid schwören wollen. »Aber ich kann Ihnen sagen, dass das gesamte Material zerstört wurde, nachdem man ihn verurteilt hatte. Das einzige, was ich in dem Bankschließfach fand, war der Black-Stiletto-Film. Ich schätze, mein Vater hat ihn in den späten Fünfzigern aufgenommen.«

      Dann blendeten sie zu dem Film über.

      Mir blieb die Kinnlade offen stehen. Mein Herz begann zu rasen.

      Es war exakt derselbe Film, den ich in Moms Schatulle gefunden hatte. Schwarz-weiß. Das Studio des Kameramanns. Gestellte Kämpfe mit der Modepuppe. Die Kletterei auf die Feuerleiter am Schluss.

      Dann packte mich die blanke Angst. Würde die ergänzende Szene im Umkleideraum ebenfalls von Millionen Zuschauern gesehen werden? War meine Mutter drauf und dran, im landesweiten Fernsehen ihre Maske abnehmen?

      Die Sendung schnitt zurück auf Sandy Lee. Ein Standbild der Stiletto zierte den Bildschirm hinter der Moderatorin.

      »Was tat die Black Stiletto da, als sie vor Jerry Munroe posierte und herumkasperte? War das eine Art von Werbefilm? Selbst Mr. Munroes Sohn, Johnny, hat dafür keine Erklärung. Sagen Sie, Johnny, sind Sie sicher, dass dieser Film das Einzige ist, was ihr Vater von der Black Stiletto zurückließ?«

      Wieder zurück auf Munroe, dessen Gesicht verriet, dass ihm die Frage unangenehm war. Er zuckte mit den Schultern und antwortete: »Ich habe vielleicht noch weiteres Material, aber ich muss seine Echtheit bestätigen, bevor ich damit an die Öffentlichkeit gehe, wissen Sie?«

      »Was würden Sie ihr sagen, wenn Sie sie heute treffen würden, Mr. Munroe?«

      »Ich weiß nicht. Ich hoffe einfach nur, dass sie noch am Leben ist. Aber egal ob sie noch lebt oder nicht, vielleicht gibt es ja da draußen noch jemanden, der etwas über sie weiß.«

      Zurück zu Sandy. »Als wir Mr. Munroe nach diesem weiteren Material befragten, blieb er zurückhaltend. Aber er gab uns diesen Hinweis.«

      Munroe. »Wenn es echt ist, dann werde ich das Geheimnis der Legende um die Black Stiletto endgültig lüften.«

      Und zurück zu Sandy. »Danke, Mr. Munroe. Ich bin Sandy Lee für World Entertainment Television. Wir sind gleich zurück.«

      Der Beitrag endete und die Show ging mit einem Werbeblock weiter.

      Ich konnte es nicht fassen. Es war erst zwei Tage her, seit ich schließlich einen Projektor organisiert und mir den Film selbst angesehen hatte. Und jetzt lief er im landesweiten Fernsehen. Unglaublich.

      Und worüber sprach Johnny Munroe da, verdammt noch mal? Welches andere Material besaß er noch? Handelte es sich um die ergänzenden Aufnahmen, in denen meine Mutter sich selbst demaskierte? Das musste es sein. Wieso sollte sein Vater sonst eine Kopie dieses Films in einem Bankschließfach aufbewahren?

      Ich musste Johnny Munroe finden und ihn davon abhalten, diesen Film zu veröffentlichen.

      10| Judys Tagebuch 1959

       Februar 1959

      Ich bin in meinem Schlafzimmer und es ist fast Mitternacht. Ich kann nicht einschlafen, obwohl ich ziemlich müde bin. Ich habe heute hart trainiert und hatte doppelte Trainingseinheiten mit Kunden, weil sich Freddie nicht so gut fühlte. Das Gute an den doppelten Trainings war, dass ich mit Harry McBain trainierte und ihn wegen der japanischen Worte auf Soichiros Fotos fragen konnte.

      Harry ist ein Zweiter-Weltkriegs-Veteran, der im Krieg verwundet wurde. Sein rechtes Bein wurde im Guadalcanal von einer Granate voll erwischt, und er hat mehrere Operationen über sich ergehen lassen müssen. Wie durch ein Wunder hat er das Bein nicht verloren, aber im Inneren ist es ziemlich


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