Luzifer junior 1 - Zu gut für die Hölle. Jochen Till

Luzifer junior 1 - Zu gut für die Hölle - Jochen Till


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Gesichtern, wenn sie mich ansehen. Ich verschränke die Arme vor meiner Brust, um wenigstens ein paar der Schäfchen zu verdecken.

      »Alle da?«, fragt mein Vater mit Blick auf Steven.

      »Ja«, antwortet Steven. »Bis auf Labskaus. Ist aber entschuldigt. Er hat sich gestern beim Fußballspielen den Magen verdorben.«

      »Gut, dann können wir ja anfangen«, sagt mein Vater. »Kurz vorab, falls sich jemand wundert, wieso mein Sohn heute hier ist: Sein Bett hat ihn ausgespuckt, weil es diesen Schlafanzug nicht mehr ertragen konnte.«

      Ha ha, Superwitz. Und wer lacht am lautesten? Natürlich mein Vater selbst.

      »Nein, Spaß beiseite, jetzt mal im Ernst«, fährt er schließlich fort. »Luzie soll die tagtäglichen Abläufe kennenlernen und erfahren, worauf es bei uns ankommt. Am wichtigsten wäre mir, dass ihr ihm das Mitleid austreibt. Er hat leider ein viel zu gutes Herz, und ihr wisst alle, dass so etwas bei uns nur stört. Ich will, dass er genauso fies, boshaft und gemein wird wie ich. Macht einen würdigen Teufel aus ihm. Und wenn er nicht spurt, sagt es mir sofort, dann verwandle ich ihn in irgendwas. Dabei bin ich für kreative Vorschläge natürlich jederzeit offen. Also, wer von euch will ihn zuerst haben?«

      Niemand meldet sich. Was ist denn hier los? Können die mich alle nicht leiden, oder wie? Ah, da geht doch ein Finger hoch.

      »Gabriel? Sehr gut. Dann fängt er gleich morgen bei dir an«, sagt mein Vater. »Und wenn du Glück hast, zieht er sich vorher auch etwas an, wovon man nicht blind wird.«

      »Äh, nein«, sagt Onkel Gabriel. »Ich hätte eigentlich einen besseren Vorschlag. Wie wäre es, wenn wir Luzie nach oben in ein Internat schicken?«

      Wie, nach oben? Zu lebendigen Menschen? Was soll ich denn da? Und was ist ein Internat? Das klingt irgendwie gar nicht gut.

      »Am meisten lernt er über die Menschen, wenn er unter ihnen lebt«, fährt Onkel Gabriel fort. »Oben kann man sehr gut üben, böse zu sein. Das weißt du doch selbst am besten.«

      Papa hat mal oben gelebt? Das wusste ich gar nicht.

      »Ja, das war eine lustige Zeit«, sagt Papa. »Und ich wollte ihn sowieso für eine Weile nach oben auf eine Schule schicken, bevor er meinen Posten hier unten übernimmt. Allerdings erst, wenn er etwas älter ist.«

      Wie bitte, was? Ein Internat ist eine Schule? Bitte nicht! Ich weiß, was das ist! Damit werden die Reality-TV-Darsteller in Abteilung 63 jeden Tag gefoltert! Ich wollte mir das einmal angucken, habe es aber keine zwei Minuten ausgehalten. Da sitzen viele Leute an kleinen Tischen in einem Raum, den sie nicht verlassen dürfen. Und vorne steht ein Folterknecht und zwingt sie zum Lernen. Aber das sind keine coolen Sachen, die man da lernen muss, das ist alles total unnützes Zeug, das man nie wieder braucht. Rechnen und Schreiben und Erdkunde und jede Menge andere komische Sachen – der absolute Folter-Albtraum. Ich will da nicht hin!

      »Äh … Luzie soll deinen Posten übernehmen?«, fragt Onkel Gabriel sichtlich überrascht.

      »Klar, wer denn sonst?«, sagt Papa. »Du etwa? Du hast nicht das Zeug zum Teufel, du bist nichts weiter als ein dämonischer Buchhalter. Wie würde denn dein Bestrafungsplan aussehen? Liest du den Leuten Statistiken vor, bis sie vor Langeweile einschlafen?«

      Großes Gelächter reihum. Nur Onkel Gabriel guckt sehr angefressen.

      »Aber das mit dem Internat ist tatsächlich keine schlechte Idee«, sagt Papa. »Und eigentlich ist Luzie auch jetzt schon alt genug dafür. Das machen wir. Du kümmerst dich um alles, Gabriel?«

      Onkel Gabriel nickt.

      »Und ich werde gar nicht gefragt, oder wie?«, sage ich.

      »Nein, wieso?«, erwidert mein Vater.

      »Vielleicht habe ich ja gar keine Lust, auf so eine komische Schule zu gehen?«, sage ich. »Vielleicht möchte ich ja viel lieber hier unten bleiben?«

      »Ach ja? Und nicht nur vielleicht bin ich dein Vater und du hast gefälligst das zu tun, was ich dir sage.«

      »Aber …«

      »Nichts aber, Ende der Diskussion. Du gehst auf ein Menschen-Internat. Und zwar am besten gleich morgen. Und mach mir bloß keine Schande. Ich will nur Böses von dir hören. Haben wir uns verstanden?«

      »Ja«, sage ich brummelnd, weil ich weiß, dass es nichts bringt, mich weiter dagegen zu wehren – Papas Hörner sind wieder ein ganzes Stück länger geworden.

      »Sehr gut, das wäre also geregelt«, sagt mein Vater. »Dann lasst uns mal loslegen. Was steht denn für heute an? Da war noch irgendwas vom letzten Meeting offen, oder? Steven?«

      »Äh, ja, Moment«, sagt Steven und scrollt auf seinem Helltop herum. »Hab’s gleich. Ah ja, hier: Die Kreativ-Abteilung sollte sich bis heute besonders boshafte Bestrafungsmethoden für die Alleinunterhalter ausdenken.«

      »Stimmt, die Alleinunterhalter«, knurrt mein Vater. »Es reicht einfach nicht, dass sie pausenlos alte Songs schlecht nachspielen und sich gegenseitig zuhören müssen. Das finden die ja sogar noch gut. Als ich da neulich vorbeigelaufen bin, haben sie alle zusammen fröhlich Knockin’ On Heaven’ s Door gesungen. Keine zwei Minuten später hat mich der CEO angerufen, der hatte es auch gehört und war natürlich alles andere als begeistert. Also, ich höre?«

      Die Dämonen mit den Brillen stecken kurz die Köpfe zusammen, dann steht der mittlere auf und räuspert sich.

      »Ja, also, das war gar nicht so leicht«, beginnt er.

      »Interessiert mich nicht«, knurrt mein Vater. »Wenn ihr einen leichten Job wollt, kann ich euch gern in nicht entzündbare Streichhölzer verwandeln und in der Pyromanen-Abteilung fallen lassen. Dann müsst ihr gar nichts machen und eure Köpfe qualmen trotzdem.«

      »Fäustlinge!«, sagt der linke Brillen-Dämon schnell. »Wir lassen sie mit dicken Handschuhen Klavier spielen! Das ist sehr frustrierend!«

      »Nein«, sagt mein Vater. »Die spielen doch immer so, als hätten sie Handschuhe an, das bringt nichts.«

      »Wir lassen sie unter Wasser spielen!«, schlägt der rechte Brillen-Dämon vor. »Dann hört sie niemand!«

      »Hm«, sagt mein Vater nachdenklich. »Aber stört sie das wirklich? Geht es ihnen nicht darum, all diese Lieder nachzuspielen und sich dabei zu fühlen wie ein Star? Das können sie auch ohne Publikum unter Wasser. Nein, das ist mir zu vage.«

      »Eine Hochzeit!«, sagt der mittlere Brillen-Dämon. »Wir veranstalten eine ewig andauernde Hochzeit, bei der sie nicht spielen dürfen! Sie müssen die ganze Zeit neben der Tanzfläche sitzen und zusehen, wie ein DJ Platten auflegt!«

      »Genau!«, fügt der linke Brillen-Dämon hinzu. »Und die Gäste kommen trotzdem zu ihnen und wünschen sich ständig Lieder, die sie dann aber nicht spielen dürfen!«

      »Ja«, stimmt der rechte Brillen-Dämon begeistert mit ein. »Und dann setzen wir ihnen noch einen albernen Hut auf!«

      Es wird sehr still. Alle sehen ihn mit skeptischer Miene an.

      »Einen albernen Hut?«, fragt mein Vater. »Was soll das denn bringen?«

      »Öh … na ja … Ich … Ich dachte ja nur«, stammelt der Dämon. »Alberne Hüte sind als Bestrafung immer gut, oder?«

      »Stimmt«, sagt mein Vater und schnippt mit dem Finger.

      Eine gelbe Rauchwolke erscheint und im nächsten Augenblick ist aus dem Dämon ein alberner Hut geworden.

      »Grundsätzlich finde ich die Idee mit der Hochzeit aber nicht schlecht«, fährt mein Vater fort, als wäre nichts gewesen. »Da steckt sehr viel Frustpotenzial drin. Man müsste vielleicht noch …«

      »Vergiss es«, unterbricht ihn Onkel Gabriel. »Weißt du überhaupt, was es kostet, eine ewig andauernde Hochzeit auf die Beine zu stellen? Das Personal, die Kostüme, das Catering – das können wir


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