Andersfremd. Hans-Henning Paetzke

Andersfremd - Hans-Henning Paetzke


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Hintermännern. Aber ich hatte keine. Diejenigen, die ich kontaktiert hatte, erfüllten lediglich die Aufgabe, mich in meiner Überzeugung zu bestärken. Trotzdem durfte ich ihre Namen nicht preisgeben. Ich befürchtete, Fremde in meine Geschichte hineinzuziehen, wodurch sich automatisch eine politische Dimension ergeben würde. Auch war ich damals sicher noch nicht wirklich politisiert. Im Gegenteil, obwohl ich in die DDR nicht gerade verliebt war, hatte ich doch Bedenken, meine Ablehnung klar zu formulieren und mich dazu zu bekennen. Meine Strategie war die, mich zum idealen Kommunismus zu bekennen, nicht aber zum real existierenden Sozialismus.

      Ich war innerlich nicht frei und wusste auch nur sehr vage, welcher mein Weg sein würde. Gegen das kapitalistische Westdeutschland hatte ich aus Gründen, die ich nicht näher zu benennen wusste, Vorbehalte. Meine Ablehnung gegenüber der DDR mag am ehesten dem Aufruhr eines pubertierenden Knaben gegenüber einem autoritären Vater vergleichbar gewesen sein.

      Mein Vater war unnahbar. Obwohl ich ihn als Erwachsener achten lernte, dürfte dieser der einzige mir nahestehende Mensch gewesen sein, mit dem ich nie ein privates Wort gewechselt habe. Der Rohrstock hinter dem stets wie ein Giftschrank verschlossenen Bücherschrank, sein lexikalisches Wissen, das er sich dank Studium und seiner Bücherfestung erworben hatte, und sein unermüdlicher Einsatz für die Familie verschafften ihm jenen Respekt, den er brauchte, um davon überzeugt zu sein, ein liebender und treusorgender Vater zu sein.

      Politik spielte in den familiären vier Wänden keine Rolle. Zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, dass mein Vater auch nur den kleinsten Versuch unternommen hätte, auf die politische Formung seiner Söhne Einfluss zu nehmen. Das könnte eine Erklärung dafür sein, dass ich schon als kleiner Junge meinen eigenen Weg gegangen bin. Aber auch die Unfähigkeit meines Vaters, der Familie gegenüber seine Liebe sichtbar und fühlbar zu machen, könnte dazu beigetragen haben. In seiner Nähe wehte mir ein kalter Wind entgegen, ließ das Gefühl von Einsamkeit entstehen.

      Nach zwölf Stunden intensiver Vernehmung durfte ich gehen. Als ich die Treppe hinunterging, rief mir der eine Vernehmer hinterher, er hoffe, dass ich mir die Geschichte noch einmal gut überlegen würde, damit wir uns nicht erneut sehen müssten, woraufhin ich entgegnete, das läge ganz bei ihm. Meine Dreistigkeit brachte den von der Stasi aus der Fassung.

      Ich entdeckte einen Zug an mir, der mich auch in den folgenden Jahren begleitete: Je länger ich mich in einer widrigen Lage befand, desto mehr gewann ich meine Selbstsicherheit zurück, desto mehr wich meine Angst, die bis zum Erbrechen gehen konnte, ironischem und arrogantem Auftreten.

      Im Haftarbeitslager Schwarze Pumpe in der Niederlausitz, nahe Senftenberg, als ich vor meinem Abtransport nach Cottbus wegen eines Briefes, den ich hinauszuschmuggeln versucht und worin ich das Lager mit der Architektur eines KZs verglichen hatte, drohte mein Kreislauf zusammenzubrechen, so schlecht ging es mir, doch nach Überwindung der Übelkeit gewann ich meine Selbstsicherheit zurück und fühlte mich den Vernehmern überlegen.

      In einer schlaflosen Nacht hatte ich die Erklärung abgefasst, weshalb ich nicht bereit sei, mich an der Waffe ausbilden zu lassen. In der Argumentation, pathetisch verschwommen, war ich darauf bedacht, mich zu keiner einzigen politischen Äußerung hinreißen zu lassen. Als gäbe es in diesem Zusammenhang etwas Nicht-Politisches! Meine vegetarische Lebensweise und die Verinnerlichung des Tötungsverbots, das mir schon im Alten Testament imponiert hatte, auf den Gesetzestafeln, die der Herr dem Moses auf dem Berg übergeben hatte, mussten für all das herhalten, was sich an argumentativer Ablehnung jeden Krieges in mir angesammelt hatte.

      Die Reaktion der Musterungskommission kann ich nicht beschreiben, da ich mich darauf beschränkte, ihnen einen Brief zu überreichen, ohne mich der obligatorischen ärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Dank meinem losen Mundwerk und der gewissenhaften Arbeit der Stasi waren sie rechtzeitig vorgewarnt worden, waren gefasst auf etwas, womit sie bisher keine Erfahrungen hatten machen müssen. Mit der Auflage, mir die Sache noch einmal zu überlegen, wurde ich entlassen, um fünf Stunden später von zwei uniformierten Polizisten in einem schwarzen Auto der Marke EMW abgeholt zu werden, damit ich einknicken oder aber meine Ungeheuerlichkeit vor der Kommission wiederholen sollte. Ich tat, was von mir erwartet wurde. Ein wenig weich in den Knien wartete ich darauf, verhaftet zu werden. Mir war klar, als junger Kulturschaffender würde mein Handeln anders bewertet werden als das eines Theologiestudenten. Die Angehörigen der Musterungskommission, obschon vorab über meine verwerfliche Absicht unterrichtet, schienen angesichts der Unverfrorenheit trotz allem verblüfft zu sein.

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