Super reich. Polly Horvath

Super reich - Polly  Horvath


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eher unglücklichen Eindruck und legte den Zettel zur Seite. Sie faltete die Hände. «Hört mal, vielleicht kann Billingston eine andere Frage stellen, die ein bisschen, und ich sage nur ein bisschen leichter ist.»

      «Das ist gegen die Regel», sagte Melanie. «Das wäre geschummelt.»

      «RAUS!», sagte Onkel Henry, drehte sich blitzschnell um und warf Melanie einen bitterbösen Blick zu.

      «Nein, nein», sagte Mrs Rivers aufgewühlt. «Sie hat recht, also in gewissem Maße wäre das tatsächlich geschummelt. Es ist nicht in Ordnung, sie rauszuwerfen, weil sie die Wahrheit gesagt hat. Rupert, mein Lieber … ?»

      «KOMM ENDLICH ZU DER VERMALEDEITEN FRAGE!», dröhnte Onkel Moffat, der wieder auf die Beine gekommen war, das Ganze jetzt gründlich satthatte und seine Zigarre rauchen wollte.

      «Gut, gut, na dann», sagte Mrs Rivers, lächelte Rupert mitfühlend an und las vor: «In welchem Land befindet sich Huambo?»

      «Was?», fragte Rupert bestürzt. Er wusste nicht einmal, was ein Huambo war. Eine Frucht? Ein Gebäude? Ein Softdrink? Ein Tanz? Nein, es ging um Geografie, also musste es sich um einen Ort handeln. Oder gehörten zur Geografie auch Dinge, die im Zusammenhang mit Orten standen? Wie sich herausstellte, wusste er nicht einmal, was alles zum Thema Geografie zählte. Was für ein Albtraum!

      «Das ist ja einfach», sagte Melanie und verdrehte die Augen.

      «Das weiß doch jeder», sagte der andere Turgid mit einem fiesen Lächeln. «Oder, Rupert?»

      «Lesen Sie die Frage bitte noch einmal vor?», bat Rupert bibbernd. Wenn Melanie und der andere Turgid die Frage einfach fanden, hatte er sich vielleicht verhört.

      «Nein, es tut mir schrecklich leid, aber das ist nicht gestattet», sagte Mrs Rivers. «Die Regeln schreiben vor, dass ich die Frage nicht wiederholen darf und du über deine Antwort nicht nachdenken darfst. Aber als Neuling wollen wir dir dreißig Sekunden Bedenkzeit geben.»

      «Das ist geschummelt …», setzte Onkel Henry an, doch da er Rupert so gern hatte, fuhr er fort: «In Ordnung. Eine Sonderregelung vom Komitee. Nur dieses eine Mal. William, du kannst zum Countdown wieder hereinkommen.»

      «DREISSIG, NEUNUNDZWANZIG, ACHTUNDZWANZIG, SIEBENUNDZWANZIG …»

      Die Familie umschwärmte Rupert nun. William war zurückgekehrt und seine Augen glühten wie die eines Wildhundes. Einstimmig und laut zählten sie rückwärts. Wenn Rupert eine Chance gehabt hatte, die geheimnisvolle Information aus einem verborgenen Winkel seines Gehirns hervorzuzaubern, so war sie vertan. Er wusste nur noch, welche Zahl sie ihm als nächste im Sprechchor vorbringen würden.

      Währenddessen rückte die Familie immer näher. Sie kamen ihm jetzt alle wie Wildhunde vor, und er war das Kaninchen in ihrer Mitte. Jeden Moment würden sie über ihn herfallen. Sein Blick fiel auf die Stiefel. Die Stiefel! Konnte er sie sich schnappen und weglaufen? Er spürte ihren heißen Atem. Er schaute hoch in ihre starren Augen. Ihm war plötzlich viel zu warm. Er hatte zu viel gegessen. Möglicherweise musste er sich übergeben.

      «ZEHN, NEUN, ACHT …»

      Rupert senkte den Blick wieder. Und dann, als würde ein kleines Licht aufflackern, hörte er das Wort noch einmal. Huambo. Und ihm ging ein Licht auf, das ihm bekannt zuflüsterte. Bekannt? Etwas … Er hatte das Wort irgendwo auf einer Landkarte gesehen. Er sah die Karte vor sich, und darauf einen großen Kontinent. Welcher war’s? Nordamerika? Nein. Asien? Nein.

      Das Esszimmer schwankte in Wellen, die Menschen, die ihn umzingelten, schienen sich wie Bäume im Wind zu wiegen.

      «SIEBEN, SECHS …»

      Dann fiel es ihm ein. Afrika! Er hatte einmal vor dem Büro des Rektors sitzen müssen, weil John und Dirk die Katze der Sekretärin gestohlen hatten. Zwei Stunden hatte er auf einer harten Bank zugebracht, während der Rektor herauszufinden versuchte, ob Rupert bei der Entführung mitgewirkt hatte. Er hatte nichts zu tun gehabt und an der gegenüberliegenden Betonwand eine Karte von Afrika entdeckt.

      «FÜNF, VIER …» Ein letztes Mal schaute Rupert hoch in ihre Gesichter, die einen gespannt, die anderen enttäuscht, während einige nur das Ende herbeiwünschten, damit sie einer ruhigeren Beschäftigung nachgehen konnten. Er betrachtete den Berg mit den Gewinnen. Seine Pullover, seine Mitgliedskarte für den Keks-des-Monats-Club, Elises Nancy-Drew-Bücher. DIE STIEFEL! Bitte, flehte er sein Gedächtnis an. Wo in Afrika? Bitte!

      Sein Verstand tauchte in einem letzten verzweifelten Versuch noch einmal in die Tiefe, damit er es schaffte. Er sollte es für diese warmen Stiefel und Elises Bücher schaffen. Allmählich bildete sich ein Land heraus und er sah die Buchstaben, die das Wort Huambo formten. Huambo war eine Stadt in diesem Land, an das er sich von der Landkarte vage erinnerte. Aber welches Land?, fragte er sich verzweifelt. Er sah, wie die Buchstaben auf der Karte erschienen. Fast konnte er den Namen des Landes sehen. Er würde die Bücher und die Stiefel behalten!

      Doch sein Gehirn hatte gerade noch genügend Lebensenergie, um sich an den Namen des Landes zu erinnern oder sich die warmen Stiefel vorzustellen, und Rupert hatte diesen Rest auf Gedanken an die Stiefel verwendet. Er hatte ein letztes Bild gefütterter Wärme vor Augen, dann war der Wirbel zu viel für ihn.

      «DREI, ZWEI …»

      Rupert fiel in Ohnmacht.

      Es kam ihm vor, als wäre nur eine Sekunde vergangen, als er die Augen wieder aufriss und so laut flüsterte, wie er es aus seiner liegenden Position konnte, nachdem er vom Stuhl auf den Boden gerutscht war: «ANGOLA!»

      Doch als er den Blick hob, war die Hälfte der Familie Rivers schon nicht mehr da.

      «Zu spät», sagte Melanie mit einem gemeinen Grinsen.

      Die anderen, die sich wie eine Mauer aus Augen um ihn gedrängt hatten, waren fortgeschlendert, holten sich noch mehr Nachtisch und gingen ins Wohnzimmer, wo sie lasen oder fernsahen.

      «Du hast verloren.» William beugte sich eigens hinunter und sagte es Rupert direkt ins Ohr.

      «Aber ich hatte die richtige Antwort», sagte Rupert erschöpft.

      «Ist das nicht schade?», sagte Mrs Rivers. «Du warst so nah dran. Beinahe hättest du es rechtzeitig geschafft.»

      «So einen guten Spieltag haben wir noch nie erlebt, oder?», fragte Onkel Henry. «Der Siegestaumel! Die bittere Niederlage! Es war SPANNEND, findet ihr nicht auch? Das erwartet man von einem Spieltag. Spannung!»

      «Es war dramatisch!», stimmte Onkel Moffat zu.

      Dann ging er mit Onkel Henry ins Wohnzimmer, um endlich Zigarren zu rauchen.

      Rupert sah ihnen nach, als könnte er es nicht fassen, wie das Ganze ausgegangen war. Die Bibliothekarin, die hinter dem Vorhang hervorgekommen war, um den entscheidenden Moment mitzuerleben, beugte sich über ihn und erklärte freundlich: «Du denkst, wir sollten dir den Sieg schenken, weil du so nah dran warst. Aber wir hatten dir ja schon weitere dreißig Sekunden zugestanden. Mehr konnten wir nicht für dich tun.»

      «Sie gehören nicht zu dem Wir, von dem Sie sprechen», sagte Melanie zu der Bibliothekarin. «Wir kennen Sie kaum.»

      «Sei nicht so grob, Melanie», sagte Mrs Rivers.

      Doch die gerüffelte Bibliothekarin verschwand wieder hinter dem Vorhang.

      «Diese Ohnmachten sind wirklich nervig, was?», sagte Turgid. «Eine lästige Angewohnheit, meine ich. Diesmal hat es dich echt zu einem schlechten Zeitpunkt erwischt.»

      «Das ist kein konstruktives Verhalten», sagte Mr Rivers von dort, wo er die restlichen Liebesknochen verputzte. «Du solltest es in Zukunft lassen.»

      Er nahm einen Zeitungsstapel und ging in den Wintergarten, um zu lesen.

      «Oh ja, nächstes Mal hast du mehr Glück, alter Junge», rief Onkel Henry durch seine Rauchwolke im Wohnzimmer. «Was für ein Tag! Was für ein wunderbarer Tag!»

      «Möchtest


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