Super reich. Polly Horvath

Super reich - Polly  Horvath


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bis William eine kleine tote Maus auspackte und sie gegen Melanies Nancy-Drew-Bücher tauschte. Daraufhin weinte sie heftig und heulte, sie würde ihre Familie hassen.

      «Ha ha, Melanie hat den Scherzpreis gewonnen», sang William.

      «Billingston sucht die Gewinne aus und bei Jupiter, er übertrifft sich jedes Jahr selbst mit einem abscheulichen Scherzpreis!», frohlockte Onkel Henry. «Letztes Jahr war es ein verschimmelter Käse. Tja, Melanie, auf der toten Maus wirst du wohl sitzenbleiben. Wie rasch sich doch unsere Lebensumstände wandeln. Wusch wusch ganz oben in der Welt und dann wusch wusch wieder unten. Die tauscht keiner ein, außerdem ist das Spiel sowieso zu Ende.»

      «Oh, Melanie, nimm es bitte nicht so schwer. Du kannst die Bücher in der Bibliothek ausleihen», sagte die Bibliothekarin durch den Vorhang. «Ich habe dir immer schon gesagt, dass man mit einem Ausweis der Stadtbibliothek niemals arm ist.»

      «Sie wird sowieso nie arm sein», sagte Mr Rivers. «Sie ist eine Rivers.»

      Doch Melanie heulte viel zu laut, um irgendetwas anderes wahrzunehmen. Soweit man es verstehen konnte, ging es recht unzusammenhängend darum, dass sie einfach gewinnen wollte.

      Schließlich sagte Tante Hazelnut: «Jetzt halt den Mund, Melanie, es ist nur ein Spiel.»

      Und Onkel Henry stand auf und brüllte: «WEITER!»

      Sie gingen zum nächsten Spiel über. Für die körperbetonteren Spiele zogen sie ins Wohnzimmer um.

      Sie spielten Scharaden. Sie spielten Ochs am Berg. Sie spielten Scattergories, Pictionary und Dictionary. In der Zwischenzeit schaffte Billingston immer mehr Gewinne aus einem scheinbar unerschöpflichen Vorrat heran. Rupert hatte einen wahren Berg davon angehäuft. Und was waren das für Preise! Er hatte ein Eisenbahnset und warme Winterstiefel, die ihm zwar zwei Nummern zu groß waren, doch das war ihm egal. Er hatte jetzt eine Schneeschaufel und war Mitglied im Keks-des-Monats-Club. Er besaß ein ferngesteuertes Flugzeug und einen Stapel warmer Pullover. Am allerbesten fand er, dass er in seiner Familie zum ersten Mal Weihnachtsgeschenke verteilen konnte. Bisher hatten die Browns höchstens von John und Dirk Geschenke erhalten – und das waren meistens, nein, immer Katzen gewesen.

      Rupert saß da und überlegte fröhlich, wer was bekommen sollte. Die Eisenbahn wollte er einem seiner jüngeren Brüder geben, das ferngesteuerte Flugzeug seinem Vater. Er würde es toll finden, da war er sicher. Dann hatte er beim Fernsehen etwas zu tun. Die Pullover konnten verteilt werden, einige waren so groß, dass sie sogar seiner Mutter passen könnten. Für John und Dirk sah er einen Plüschtiger und einen Plüschlöwen vor, obwohl sie als Jugendliche dafür wahrscheinlich schon zu alt waren. Aber er hegte die Hoffnung, sie könnten sie als angemessenen Ersatz für echte Katzen betrachten. Mittlerweile waren auch die Nancy-Drew-Bücher in seinen Besitz gelangt, nachdem William sie in einem Spiel namens Pick an Melanie verloren hatte, die sie Rupert im Zuge eines Spiels ausliefern musste, das Onkel Henry erfunden hatte. Onkel Henry fand es am allertollsten und nannte es Pfand, weil jedermann seinen Lieblingsgewinn wieder verlieren konnte.

      Seit Rupert die Bücher gewonnen hatte, fürchtete er sich vor Melanie, doch Onkel Henry hatte ihm versichert, Melanie sei während der Spiele immer beängstigend. Es sei aber gut für sie, Sportsgeist zu entwickeln und Rupert solle sie gar nicht beachten. Wenn Melanie sich nicht rächte, sollten die Bücher für Elise sein. Elise saß abends gern mit Rupert zusammen, der sich dann als Ablenkung von der Eiseskälte Geschichten für sie ausdachte. Aber die Geschichten waren nie besonders gut. Er hatte im Leben außer Hungern und Frieren wenig erlebt, sodass sich das in die Geschichten schlich, bis sie als Ablenkung nicht mehr wirklich gut zu gebrauchen waren. Doch jetzt konnte er ihr die Nancy-Drew-Bücher vorlesen und das machte ihn glücklicher als alles andere, was an diesem Tag geschehen war.

      Am Nachmittag gelangten die Rivers schließlich zu ihrem letzten Spiel.

      EINE LETZTE FRAGE

      Alle mal herhören!», rief Onkel Henry. «Bringt die Gewinne auf den Esstisch zurück.»

      «Gehört das wirklich mir?», flüsterte Rupert Turgid zu und wies auf die zahlreichen Gewinne, die er sich auflud. Sie passten gar nicht alle auf den Tisch und der musste eine Vielzahl hinter seinem Stuhl ablegen.

      «Das ist alles deins, ganz recht», sagte Turgid. «Du hast anständig und ehrlich gewonnen. Nicht schlecht für deine ersten Spiele.»

      Rupert konnte es kaum glauben, denn es widersprach allem, was er nach seinen bisherigen Erfahrungen vom Leben erwartete. Er konnte sein Glück kaum fassen, dass dieses schreckliche Tor ihn geschnappt und über die Hecke geschleudert hatte. Das beweist nur, dachte er, dass man nicht zu hastig über das urteilen soll, was einem im Leben widerfährt – was gut oder schlecht ist oder zu besseren oder schlechteren Dingen führen kann. Er hatte gedacht, er wüsste, womit zu rechnen war, und es hatte sich herausgestellt, dass man nie wissen konnte, was kam.

      Er merkte es zwar nicht, doch in seinem Entzücken zappelte er auf seinem Platz und grinste über das ganze Gesicht.

      «Was ist denn mit dem los?», fragte William und zeigte mit dem Finger auf Rupert.

      «Wahrscheinlich hat er Flöhe», sagte Melanie. «Flöhe und meine Nancy-Drew-Bücher. Einen schlimmeren Gast kann man sich meines Erachtens nicht vorstellen.»

      «Es sind nicht deine Nancy-Drew-Bücher», sagte Turgid. «Er hat sie gewonnen.»

      «Stimmt, aber ich hatte sie zuerst und ich wohne hier. Im Gegensatz zu ihm, einer Vogelscheuche, die du vom Rasen gekratzt hast!», sagte Melanie mit funkelnden Augen.

      «Möchtest du sie wiederhaben?», fragte Rupert Melanie höflich und machte Anstalten, ihr die Bücher zu bringen.

      «Schluss jetzt!», sagte Onkel Henry barsch. «Hier wird nicht geschummelt. Wenn Melanie sie haben wollte, hätte sie sie nicht im Pfandspiel verlieren sollen. Du kannst den Leuten nicht einfach etwas geben! Das wären ja chaotische Zustände! Anarchie! Da hätten wir womöglich den Jabberwocky zu fürchten! Da könnte gleich der Brabbelback durch den Dusterwald rennen. Eins sage ich dir, so etwas dulde ich an meinem Spieltisch nicht!»

      «Oh», sagte Rupert und setzte sich wieder.

      «Also, ich warne dich. Ich habe dich auf dem Kieker», sagte Melanie und sah Rupert mit zusammengekniffenen Augen an.

      «Hervorragend! Das ist die richtige Einstellung», meinte Onkel Henry.

      Man sah Rupert sein Elend an.

      «Egal», sagte Turgid. «Gleich hast du die Chance, alle Gewinne zu gewinnen.»

       Noch mehr Gewinne, dachte Rupert. Was für ein Tag!

      Da Mrs Rivers darauf bestand, dass sie vor dem letzten Spiel den Nachtisch aßen, legten alle ihre Gewinne auf den Boden. Billingston deckte erneut den Tisch und servierte die Kuchen und Torten, die Liebesknochen und Puddings noch einmal. Eine weitere Stunde verging mit konzentriertem Vollstopfen. Diesmal hatte Rupert wieder Platz dafür. Er arbeitete sich ebenso durch die Süßspeisen, bis ihm schlecht wurde, wie er es bei den herzhaften Gerichten getan hatte. Es war eine herrliche Form von Übelkeit. Schließlich wurde alles für das letzte Spiel des Tages abgeräumt.

      Onkel Henry setzte sich, schaute sich mit schmalen Augen am Tisch um und holte dann schwungvoll ein Kartenspiel aus der Tasche.

      «Das ist Poker», erklärte Turgid Rupert. «Wir spielen so lange, bis ein Gewinner übrigbleibt, der dann alles bekommt.»

      «Heißt das, ich verliere vielleicht meine Gewinne wieder?», fragte Rupert. «Die, die ich in den anderen Spielen gewonnen habe?»

      «Yep, wahrscheinlich schon. Onkel Henry ist unfassbar gut im Poker. Dad auch. Onkel Moffat ist nicht schlecht. Sie spielen seit Jahren. Wir anderen sind ungefähr gleich gut. Am Ende des Spiels geht einer von uns mit dem ganzen Zeug als Sieger davon. Das ist hart. Andererseits geht es ja nicht um die Sachen, sondern um den Geist des Spiels, nicht wahr?»

      Nein,


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