Super reich. Polly Horvath

Super reich - Polly  Horvath


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Also musst du auch alles setzen oder zurückziehen. Es kommt aufs Gleiche heraus. Sag’s.»

      Plötzlich war Rupert umzingelt.

      «Sag’s! Sag’s! SAG’S! SAG’S! SAG’S!», schrien sie, bis Rupert schwindelig wurde. Es rauschte in seinen Ohren, er hielt es nicht mehr aus.

      «ICH SETZE ALLES!», brach es aus ihm heraus, denn alles war besser als das.

      Es wurde ganz still.

      «Spieler, deckt eure Karten auf», sagte Mr Rivers.

      Gemächlich legte Onkel Henry seine Karten offen auf den Tisch. Rupert betrachtete sie. Dann sah er noch mal hin. Zunächst wurde ihm schlecht. Könige! Onkel Henry hatte Könige! Und Könige waren viel mehr wert als Sechsen. Aber halt – konnte es sein? Onkel Henry hatte, also er hatte nur drei!

      Rupert legte seine Karten offen auf den Tisch.

      Einen Augenblick lang war es totenstill und Rupert überlegte bereits krankhaft, ob sie sich auf ihn stürzen und ihn umbringen würden. Das wäre kein völlig unerwartetes Ende dieses Tages.

      Dann ertönte lautes Geschrei und Onkel Henry schrie am lautesten.

      «VIER SECHSEN! Exzellent! Exzellent! Der Junge ist ein Genie! Was hat der für ein GLÜCK! Noch nie hat ein Junge so viel Glück gehabt. Rupert, Rupert, du gewinnst, mein Junge. DU GEWINNST ALLES!»

      Rupert saß da, als hätte man ihn mit einem Hammer erschlagen, doch Onkel Henry nahm das gar nicht zur Kenntnis und hüpfte weiter auf seinem Stuhl auf und ab.

      «Was für ein stilles Wasser! So eine Überraschung! Ich habe mich im Leben noch nie so gefreut, dass ich verloren habe. Was für ein Spiel, was Moffat! Was für ein Spiel!»

      Onkel Henry stand auf und präsentierte ein kleines Tänzchen. Er hakte sich bei Onkel Moffat ein und tanzte mit ihm durchs Esszimmer, bis sie zwei Ohrensessel umwarfen. Sie wirbelten immer schneller, bis Onkel Henry abhob, weil Onkel Moffat viel schwerer war, und im Kreis flog, die Füße in der Luft. Er riss Geschirr vom Tisch und Gemälde von den Wänden. Schließlich fielen sie übereinander und lagen unter hysterischem Gelächter am Boden. Rupert blieb allein und still sitzen. Er hätte gern mit ihnen gelacht, doch er bekam kaum Luft.

      «Du hast gewonnen! Du hast alles gewonnen!», schrie Onkel Henry, der sich taumelnd aufrappelte und es Rupert erklären wollte, der es offensichtlich nicht verstanden hatte, weil er so stumm und reglos dasaß.

      Alle jubelten und boxten Rupert freundlich auf den Arm, um ihn zu ermuntern, sein Glück zu genießen.

      Mit einem Mal stand Melanie, die in einer Ecke gesessen hatte, auf.

      «Noch nicht ganz», sagte sie und lächelte boshaft. Auf Rupert wirkte sie immer mehr wie eine Eidechse.

      «Oh je», sagte Onkel Henry, setzte sich und rieb sich den Kopf.

      «Oh ja, oh je», sagte Onkel Moffat und wollte sich aufsetzen, aber im Augenblick war er dafür zu dick und zu vollgefressen. Er beschloss, noch ein paar Minuten liegenzubleiben, blickte traurig an die Decke und sagte immer wieder: «Oh je, oh je, oh je. Ja, ich fürchte, so ist es.»

      Mr Rivers wandte den Blick ab.

      Die Cousins und Cousinen seufzten.

      Jetzt bringen sie mich doch noch um, dachte Rupert, und fressen mich vielleicht. Er warf Mrs Rivers einen flehenden Blick zu.

      Mrs Rivers rang nervös die Hände und sagte schließlich: «Rupert, mein Lieber, Melanie meint, dass du noch eine traditionelle Weihnachtsfrage beantworten musst, um endgültig zu gewinnen. Dann hast du wirklich gewonnen und kannst all die Sachen behalten.»

      «Was?», fragte Rupert und wurde nun wirklich wieder munter. Wie unfair war das!?

      «Es ist nur eine Kleinigkeit», sagte Mrs Rivers.

      «Kaum erwähnenswert», sagte Melanie mit einem Funkeln in den Augen.

      «Nur eine unbedeutende Tradition, wie Mrs Rivers sagte», sagte Mr Rivers.

      «Was?», fragte Rupert erneut und wurde blass.

      «Oh, guck nicht so ängstlich», sagte William, der wie ein mordlustiger Hai ins Esszimmer zurückgekehrt war.

      «Das machen wir jedes Jahr», sagte der andere Turgid. «Billingston sucht eine Frage aus der Enzyklopädie heraus und derjenige, der beim Poker gewonnen hat, muss sie beantworten. Bei einer richtigen Antwort gewinnst du alles, bei einer falschen verlierst du alles.»

      «Aber … ich habe schon gewonnen», sagte Rupert, der vom Verlauf der Ereignisse so verstört war, dass er nicht mehr höflich schweigen konnte.

      «Eigentlich nicht», sagte Mr Rivers.

      «Noch nicht», sagte Melanie.

      «Echt, Melanie, er hat gewonnen», sagte William. «Die Frage ist nur, ob er seine Gewinne behalten darf.»

      «Bestimmt», sagte Sippy.

      «Unwahrscheinlich», sagte Rollin.

      «Du wirst die Frage richtig beantworten, da bin ich mir sicher. Du siehst wie ein schlauer Junge aus», sagte Mrs Rivers mit einem sehr verunsicherten Blick.

      «Selbstverständlich hast du nur eine Chance», sagte William.

      «Eine Frage», sagte Melanie.

      «Eine Antwort», sagte der andere Turgid.

      «Das wird dich lehren, falsch zu spielen», sagte William.

      «Raus!», sagte Onkel Henry. Also war William erneut von allem Spaß ausgeschlossen.

      «Okay», sagte Rupert leise. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn und seine Hände zitterten. Mrs Rivers holte den Umschlag mit der diesjährigen Frage und streckte ihn nervös von sich.

      Alle schauten auf Rupert.

      Mrs Rivers ließ den Blick über die Gesichter in der Runde schweifen und holte tief Luft.

      «Ich hoffe», sagte sie mit zitternder Stimme, als sie den Umschlag öffnete, «es ist ein kleines bisschen leichter als die Frage vom letzten Jahr.»

      «Die war echt unmöglich», sagte Onkel Henry. «Schwachsinnig geradezu. Die Frage war absurd. Ich habe alles verloren. Aber das wäre jedem so gegangen. Eine lächerliche Frage war das. Ich habe noch zu Billingston gesagt, er solle lieber aufhören, so schwere Fragen zu stellen. Selbstverständlich macht er es uns schwer, denn wenn der Sieger die Antwort nicht weiß, schenken wir Billingston alle Gewinne. Er hat also etwas davon, wenn man scheitert. Aber mach dir keine Sorgen, mein Junge.» Onkel Henry bückte sich ein wenig und klopfte Rupert auf die Schulter. «Dir passiert das nicht. Du gehst noch zur Schule. Dein Geist ist frisch, deine Gehirnzellen sind noch nicht abgestorben und verwehen nicht wie die Samen der Pusteblume. Du wirst kein Problem damit haben.»

      «Um Himmels willen, lies sie endlich vor», sagte Tante Hazelnut. «Ich kann nicht den ganzen Tag hier stehen. Ich habe sieben Stücke Kuchen gegessen, ich muss mich hinlegen und verdauen.»

      «Äh, in diesem Jahr geht es um Geografie», verkündete Mrs Rivers und räusperte sich. «Billingston hat Geografie genommen. Immer wählt er so schwierige Fragen aus.»

      «Bist du gut in Erdkunde, mein Junge?», fragte Onkel Moffat.

      «Natürlich ist er das!», sagte Onkel Henry. «Unser Junge ist in allem gut. Hast du nicht eben gesehen, wie er mich beim Poker fertiggemacht hat? In einem Spiel, das er noch nie gespielt hatte?»

      Rupert hob hoffnungsvoll den Kopf. Er war nämlich wirklich gut in Geografie. Er interessierte sich für die Welt, weil er eines Tages reisen wollte, sobald er sich zu jemandem entwickelt hatte, der etwas Besonderes tat – was auch immer das sein mochte. Er hatte bereits alle Hauptstädte auswendig gelernt und mit Kanada angefangen. Er kannte die Kontinente. So schlecht war das nicht. Zum Glück war es keine Mathematikaufgabe. Er hörte auf zu zittern und riss sich zusammen.


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