Super reich. Polly Horvath

Super reich - Polly  Horvath


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«Er isst mit uns. Das ist doch in Ordnung, Mutter, oder?»

      «Absolut», sagte Mrs Rivers. «Ein neuer Mitspieler. Die Spiele werden immer besser, wenn mehr mitmachen.»

      DIE SPIELE

      Kurz darauf versammelten sich alle im Esszimmer.

      «Also ehrlich», sagte Onkel Moffat, als sie Platz nahmen. «Es wird von Jahr zu Jahr lächerlicher, wann wir mit dem Essen anfangen.»

      «Ja, wieso essen wir so früh?», fragte Turgids jüngere Schwester Sippy.

      «Die Frage ist, ob es sich um ein zeitiges Abendessen oder ums Frühstück handelt, zu dem es heute Braten gibt», sagte Onkel Henry, ein magerer Mann mit Hakennase und einem widerspenstigen weißen Haarschopf.

      «Soll ich dir erklären, wer wer ist?», fragte Turgid Rupert, als Billingston ein weiteres Gedeck für ihn auflegte.

      «Ich werde mich nie an alle erinnern können», sagte Rupert, der nur Her mit dem Essen, her mit dem Essen dachte.

      «Ach, aber bestimmt. Das sind mein Bruder Rollin und meine Schwester Sippy. Meine Mutter ist die korpulente blonde Frau neben dir am Kopf des Tisches. Mit ihrer komischen Brille sieht sie aus, als würde sie ständig die Augen zusammenkneifen», erwiderte Turgid so leise, dass sie ihn nicht hören konnte. «Am anderen Ende des Tisches sitzt mein Vater und das da ist Onkel Moffat – der Dicke mit den roten Bäckchen. Er wohnt mit meinen Cousins und meiner Cousine hier, die allesamt schrecklich sind. Sie heißen William, Melanie und Turgid. Mit denen gibst du dich am besten gar nicht erst ab, sie streiten sich ohnehin die ganze Zeit. Ihre Mutter, meine Tante Anne, ist auf einen Milchbauernhof in Wisconsin abgehauen – frag nicht, warum. Mein Onkel Henry sitzt mit seinem violetten Smoking am Kamin und die sehnige, sehr weiß gepuderte Dame mit den roten Locken neben ihm ist Tante Hazelnut. Sie kann man sich leicht merken, weil sie außer meiner Mutter die einzige Frau hier ist.»

      «Hast du gesagt, es gibt noch einen Turgid? Ist das ein alter Familienname?»

      «Nein, und es gab mächtig Ärger, als Onkel Moffat und Tante Anne verkündeten, sie würden ihren Sohn ebenfalls Turgid taufen. Oh, und da ist die Bibliothekarin, von der ich eben gesprochen habe. Sie steht hinter dem Vorhang und beobachtet uns. Ich hatte vergessen, dass außer Mutter und Tante Hazelnut doch noch eine Frau hier wohnt. Beim Abendessen habe ich sie nie auf dem Schirm, weil sie so still ist. Wir wissen nur wenig über ihr Leben und stehen ihr nicht nah genug, um sie auszufragen. Aber nach allem anderen kannst du sie fragen, sie weiß es mit Sicherheit. Versuch es nur, los, trau dich. Mutter hält sie für eine Auskunftsbibliothekarin.»

      «Später vielleicht», sagte Rupert.

      Er war verschüchtert und überwältigt. Mittlerweile redeten alle laut durcheinander. Mrs Cook war mit einer Terrine hereingekommen und füllte am Kopf des Tisches mit einer Kelle die Suppenteller, die Billingston einzeln servierte.

      Als die Suppe bei dem anderen Turgid angekommen war, griff er zum Löffel und begann zu essen, als Onkel Henry rief: «DIE KNALLBONBONS!»

      «Leg den Löffel hin, Turgid», sagte Tante Hazelnut.

      «So ein Blödsinn», sagte Mrs Rivers.

      «Blödsinn? Alle lieben Knallbonbons», widersprach Onkel Henry und hob etwas hoch, das in Ruperts Augen aussah wie ein Zylinder in Geschenkpapier, das sich an beiden Enden rüschte.

      Zunächst sah er nur zu, doch dann probierte er es selbst mit Turgid, während jeweils eine Person an einem Ende des Riesenbonbons zog und ihr Tischnachbar am anderen. Leise Explosionen ertönten, bevor die Zylinder aufgerissen wurden und jeweils eine Papierkrone, ein Witz und ein kleines Partygeschenk herausfielen.

      «Vor dem Essen muss jeder seinen Witz laut vorlesen», befahl Onkel Henry.

      «Was sagt ein Schneemann zum anderen?», rief Sippy.

      «Riecht es bei dir auch nach Möhren?», kreischte Tante Hazelnut und schüttete sich aus vor Lachen.

      «Was sagt ein Elch zum anderen?», las Onkel Henry vor.

      «Keine Ahnung», sagte Onkel Moffat.

      «Nichts. Elche können nicht reden», las Onkel Henry vor.

      Einer nach dem anderen kam an die Reihe. Als Rupert dran war, entfaltete er nervös den Zettel mit seinem Witz, als Onkel Henry fragte: «Moment. Wer bist du

      «R-R-R-Rupert», stammelte Rupert.

      «Viel mehr sagt uns das auch nicht», sagte Onkel Moffat.

      «Er lag im Vorgarten auf dem Rasen, halb erfroren und bewusstlos», erklärte Turgid.

      «Du lieber Himmel, noch ein Bibliothekar?», fragte Onkel Henry.

      «Mach dich nicht lächerlich!», dröhnte Onkel Moffat. «Er ist höchstens neun Jahre alt.»

      «Zehn, fast elf», flüsterte Rupert.

      «In letzter Zeit tauchen hier plötzlich andauernd Leute auf und ziehen ein», sagte Mr Rivers, der nie darüber unterrichtet worden war, was es mit der Bibliothekarin auf sich hatte. Er arbeitete bis in den Abend hinein und war häufig nicht auf dem Laufenden, was die Familie anging.

      «Was ist denn mit seiner Stimme los?», fragte William.

      «Nichts, also halt den Mund und lies deinen Witz vor», sagte Turgid.

      «Es könnte sich doch um einen Bibliothekarlehrling handeln», sagte Onkel Henry, ohne die anderen zu beachten. «Das würde sein Flüstern erklären. In Bibliotheken wird man immer aufgefordert zu flüstern. Wetten, dass ich recht habe? Habe ich recht, mein Junge?»

      «Nein», flüsterte Rupert.

      «HA!», sagte Onkel Moffat.

      «Ich hoffe, du bist wieder aufgetaut», sagte Mrs Rivers freundlich.

      «Ja, vielen Dank», wisperte Rupert.

      «Moment mal!», schrie Mrs Cook, die gerade mit Oliven und Selleriestangen hereinkam. «Bist du nicht der Junge, den ich vom Tor herunterschocken wollte?»

      «Das war nicht meine Schuld», erklärte Rupert hektisch. «Ich ging vorbei und das Tor hat sich in mein Sweatshirt gebohrt.»

      «Oh, Mrs Cook, Sie haben doch nicht wieder gebrutzelt?», fragte Mrs Rivers vorwurfsvoll.

      «Ich kann mich nur wiederholen», erwiderte Mrs Cook. «Mir macht es auch nicht mehr Spaß als anderen, Leute zu verbrutzeln. Ich verscheuche nur die Bettler. Sie sollten dafür mein Gehalt erhöhen.»

      «Ach, kommen Sie, ein bisschen gefällt es Ihnen schon, geben Sie es ruhig zu», sagte Onkel Henry.

      «Na ja, ein bisschen. Jeder schaut gern zu, wenn die Leute ein bisschen brutzeln», sagte Mrs Cook abwehrend.

      «Ich sehe jetzt aber keine Löcher in deinem Sweatshirt, mein Junge», sagte Mr Rivers, der sich über seiner Suppenschüssel den Kopf verrenkte, um Rupert prüfend anzusehen.

      «Ich habe ihm eins von meinen gegeben, Vater», sagte Turgid. «Lasst ihr ihn jetzt bitte in Ruhe? Rupert, lies deinen Witz vor.»

      «Was sagt ein Elch zum anderen?», las Rupert vor.

      «Den hatten wir schon!», rief Onkel Moffat vorwurfsvoll.

      «Wie du weißt, gibt es immer Wiederholungen», sagte Onkel Henry. «Das reicht mit den Knallbonbons. Jetzt wird die Suppe gegessen.»

      Und das taten alle. Als Rupert merkte, dass sie ihre Papierhüte aus den Knallbonbons aufgesetzt hatten, stülpte er sich seinen ebenfalls über den Kopf und löffelte seine Suppe. So etwas Köstliches hatte er noch nie im Leben gegessen. Sie bestand aus viel Sahne, Kartoffeln und anderen unbekannten Zutaten und er schlang sie still in sich hinein. Rupert war als Erster fertig. Er wünschte, es gäbe noch mehr, doch Billingston räumte seinen Teller sofort ab.

      Während


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