Der Mensch – zu schlau zum Überleben. Dr. Matthias Meier

Der Mensch – zu schlau zum Überleben - Dr. Matthias Meier


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bei Blockierungen der oberen Brustwirbelsäule oder Kniearthrose bei Blockierungen der mittleren Lendenwirbelsäule und vielem mehr). Eine Blockierung ist genau genommen ein Schutzmechanismus des Gehirns, um bestimmte Wirbelsegmente davor zu bewahren, zu sehr in eine Fehlstellung zu geraten, beispielsweise nach einem Unfall oder bei Bandscheibendegeneration. Muskeln, die die einzelnen Wirbel stabilisieren, bekommen das Signal, sich zu kontrahieren und anzuspannen. Das schützt zwar das Segment vor weiterer Fehlstellung, bedeutet aber auch eine Verschlechterung der Biomechanik und einen physischen Stress für den Menschen. Um optimal zu funktionieren, ist es wichtig, dass Schädel und Wirbelsäule mit Becken in ihrer physiologischen Struktur und Stellung bestehen. Ein Auffahrunfall oder ein Sturz, ein Schlag auf den Hinterkopf oder andere als banal gewertete Ereignisse können die gesunde Biomechanik der Wirbelsäule aufheben, auch wenn keine Frakturen oder Bandscheibenschäden festgestellt werden können. Schutzblockierungen verursachen eine zwar minimale, aber für die Physiologie bedeutsame Seitneigung, Kompression und Rotation des Wirbels, die dadurch die Bewegung auf der Bandscheibe einschränken und den Druck verstärken sowie die Nährstoffzufuhr zur Bandscheibe vermindern. Wenn diese nicht gelöst werden, kommt es langfristig zu Verformungen der Wirbelsäule und weiterer Degeneration von Bandscheiben und Arthrose in den Wirbelgelenken. Dies führt auch dazu, dass die Nerven, die aus diesen Segmenten herauskommen, immer mehr unter Druck geraten, was eine Weiterleitung des Nervensignals verhindert. Die Nerven haben verschiedene Aufgaben, zu denen Motorik, Sensibilität, inklusive Schmerz und Stoffwechselsteuerung gehören. Diese Zuordnung von Nerven und peripheren Gelenken, Organen, Hormondrüsen, Muskeln und Faszien ist gut dokumentiert und für alle Menschen praktisch gleich.

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      Ein Beispiel aus dem echten Leben: Eine junge Frau erleidet auf dem Weg zur Arbeit einen Auffahrunfall und geht ins Krankenhaus, um sich untersuchen zu lassen. In der Notaufnahme wird standardmäßig eine Röntgenuntersuchung der Halswirbelsäule durchgeführt, um eine Fraktur auszuschließen. Es wird Entwarnung gegeben, keine Fraktur, nur eine Steilstellung der Halswirbelsäule, wie sie bei Auffahrunfällen häufig auftritt.

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      Der behandelnde Arzt sagt der Patientin, es sei „muskulär bedingt“. Nach einigen Tagen bemerkt die Patientin einen zunehmenden Gesichtsschmerz auf der linken Seite und Hinterkopfschmerzen sowie einen Schwindel. Da es ein Arbeitsunfall war, stellt sie sich beim D-Arzt (behandelnde Unfallchirurg) vor und berichtet darüber. Um eine weitere Verletzung der hirnzuführenden Gefäße auszuschließen, wird eine MRT Untersuchung durchgeführt, die jedoch keinen weiteren Befund bringt. Es wird eine Rehabilitationsmaßnahme indiziert, die auch innerhalb von 2 Wochen beginnt. Die Patientin bekommt das gesamte Spektrum der Rehabilitationsmedizin inkl. Physiotherapie, Massagen, Fango, Elektrotherapie und psychologische Unterstützung. Nach 3 Wochen hatte sich noch keine Besserung ergeben, die Maßnahme wurde um 1 Woche verlängert, jedoch ohne positives Ergebnis. So langsam regte sich Unmut in der Belegschaft. Simulierte die Patientin etwa? Die Patientin wurde entlassen, wie sie aufgenommen wurde, mit der Maßgabe, sie könne wieder arbeiten gehen. Solche Patienten gibt es in Notaufnahmen und Reha-Abteilungen täglich, und viele Patienten profitieren auch von den durchgeführten Behandlungen. Aber wenn die Symptome nicht verbessert werden können, dann ist die Ursache der Problematik nicht erkannt worden. Die Lösung des Problems ist aber einfacher, als man denken mag. Wenn man sich die Röntgenaufnahmen dieser Menschen anschaut, wird man feststellen, dass die Wirbelsäule nicht in ihrer physiologischen Position steht. Entweder gibt es eine Seitneigung, eine Steilstellung (wie im Beispiel) oder sogar eine Umkehr der natürlichen Kurven, am häufigsten in der Hals- und Lendenwirbelsäule. Diese Veränderungen gehen mit einer vermehrten Spannung des Rückenmarks und den Segmentwurzeln einher und sorgen damit für eine Verschlechterung der Signalweiterleitung über die Nerven. Das Wiederherstellen der normalen Biomechanik führt zu einem Sistieren der Symptomatik. Bei der Patientin im Beispiel wurde durch 30 chiropraktische Behandlungen der gesamten Wirbelsäule inklusive Becken genau das erreicht.

      Da die einzelnen Nervenwurzeln aus der Wirbelsäule bei allen Menschen den gleichen Verlauf und das gleiche Zielorgan haben, ist es leicht, einzelne Fehlstellungen einer Symptomatik zuzuordnen und dementsprechend zu behandeln.

      Um Ursachen von Erkrankungen zu verstehen, sind die Anatomie und Funktion unseres „autonomen Nervensystems“ ganz entscheidend. Man kann sich das autonome Nervensystem ähnlich einer lebendigen Batterie in uns vorstellen, die Stoffwechsel, Energielevel, Schlafbedürfnis und -qualität, Verteilung von Durchblutung kontrolliert. Sie kann aufgeladen sein oder fast leer. Stress und Erholung sind von einer Balance der beiden Gegenspieler abhängig: dem Sympathikus und der Parasympathikus. Das sympathische Nervensystem ist unser Stresssystem und überlebenswichtig in bedrohlichen Situationen. Typische „sympathische“ Reaktionen sind: Erhöhung des Herzschlags, Blutdrucks, Cholesterinlevels der Fettsäuren sowie des Blutzuckers, Erniedrigung der Schilddrüsenaktivität, Verschlechterung der Verdauung und des Schlafs und die Erhöhung des Tonus der kleinen Wirbelmuskeln. Dies sind alles natürliche Reaktionen auf eine Stresssituation, wobei der Körper nicht zwischen emotionalem, chemischem oder körperlichem Stress unterscheidet. Er antwortet immer zuerst mit einer Erhöhung der Sympathikus Aktivität, und das ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Normalerweise sollte die akute Stresssituation irgendwann nachlassen und dementsprechend die Reaktion ausbleiben, wenn aber der Stress chronifiziert, ist das ein Problem. Die Konstellation erhöhter Blutdruck, erhöhtes Cholesterin, niedrige Schilddrüsenwerte, schlechte Verdauung und eingeschränkte Schlafqualität betrifft sehr viele Menschen. Oft werden vom Arzt ein Blutdruckmedikament, Cholesterinsenker, Schilddrüsenhormone, Abführmittel und Schlafmittel verschrieben. Ohne Medizin studiert zu haben, wird man nun aber verstehen, dass die Ursache für die Veränderungen nicht behandelt oder gar abgefragt wurde. Denn die verschiedenen Formen des Stresses sind weiterhin vorhanden und werden im Laufe der Zeit nicht von selbst weniger.

      Typische emotionale Stressfaktoren sind Beziehungsprobleme, finanzielle Sorgen, Mobbing bei der Arbeit etc. Chemischer Stress sind Medikamente, Pestizide, schlechte Ernährung, Mineralienmangel etc. Physischer Stress bezieht sich vor allem auf Wirbelsäulenfehlstellungen, die im Röntgenbild offensichtlich von der Norm abweichen, jedoch in der Medizin nicht als Problem gewertet werden. Bei einer ganzheitlich orientierten Therapie sollte es immer Ziel sein, herauszufinden, um welcher Art Stress es sich handelt, und diesen (oder alle) zu reduzieren. Die Veränderungen von Blutdruck, Cholesterin, Blutzucker, Schilddrüsenwerten, Schlaf etc. werden sich dann wieder der physiologischen Norm annähern und machen Medikamente häufig unnötig.

      Der Parasympathikus ist der Gegenspieler, der den Herzschlag reduziert, Schlaf reguliert, den Blutdruck senkt, die Schilddrüsenaktivität stärkt, die Verdauung angeregt und Gewebeheilung induziert. Am oberen Halsmark, unter der Schädelkalotte, sitzt der Kern des sogenannten „N. vagus“, einer der wichtigsten parasympathischen Nerven, der eine Vielzahl von Funktionen übernimmt, u. a. die Nervenversorgung von Bronchien, Lungen, Herz, Speiseröhre, Magen, Darm für muskuläre Kontraktion, aber auch, und sogar hauptsächlich, sensible Impulse aus dem Darm und den übrigen inneren Organen zum Gehirn weiterleitet und durch Blockierungen oder Fehlstellungen der oberen Halswirbelsäule oder des Schädels selbst in seiner Funktion eingeschränkt oder irritiert sein kann. Des Weiteren befindet sich vor dem Steißbein am Becken ein großes parasympathisches Nervengeflecht, dessen Funktionen bei Fehlstellungen des Beckens oder nach Unfällen oder nach Geburt eingeschränkt oder irritiert sein und zu Schlafstörungen, Verdauungsproblemen, Gemütsschwankungen und erhöhte Infektanfälligkeit führen können.

      Das bedeutet, dass jegliche Einwirkung auf die Wirbelsäule auch Einwirkungen auf Organe, Muskeln, Gelenke, Faszien und Hormondrüsen haben kann. Unfälle oder andere äußere Gewalteinwirkungen sowie Mineralienmängel mit nachfolgender Degeneration von Bandscheibenmaterial werden strukturell negative Folgen für die Wirkungsweise der Wirbelsäule und des darin enthaltenen Nervensystems haben. Da Emotionen Ausdruck verschiedener biochemischer Vorgänge sind, werden sie auch beeinflusst.


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