KALTE GIER. Rachel Amphlett

KALTE GIER - Rachel Amphlett


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fiel auf das verlassene grüne Dreirad, das mitten auf der Fahrbahn stand. Das musste die echte Bombe sein.

      »Das war nicht die richtige Bombe, Dan … wir haben die falsche entschärft!«

      Im nächsten Moment brüllte H auf, sein Schrei wurde von einer Explosion fortgetragen, bevor Dan die Warnung überhaupt verstehen konnte. Der Roboter kippte durch die Druckwelle zur Seite, die Kamera blinkte einmal kurz, ehe die Aufnahme erneut einsetzte. Das rote Aufnahmelämpchen leuchtete stumm. Dann, als sich der Staub zu legen begann, fing das Schreien an.

      JANUAR 2012

      

      

      Kapitel 1

       »Gold wird seit langem in alten Kulturen auf der ganzen Welt geschätzt. Man muss sich allerdings die Frage stellen, was genau das Besondere an Gold gewesen ist, dass die Menschen deswegen weit entfernt von ihren Heimatländern jahrelang Krieg gegeneinander geführt haben. Vielleicht, nur vielleicht, ging es gar nicht um das Gold an sich, sondern mehr um die Macht, die es verlieh …

       Ich werde Ihnen im Folgenden darlegen, dass man durch eine spezielle Art der Goldverarbeitung eine Kraft erzeugen kann, die wie Sie feststellen werden, zweifelsohne eine sauberere und stabilere Alternative zu Kernbrennstoffen darstellt. Und selbst die prognostizierten Erträge aus Sonnen- und Windenergie bei weitem übertreffen wird. Wie üblich beeinflussen die umweltverschmutzenden Öl und Kohle fördernden Unternehmen die Regierungen auf der ganzen Welt und blockieren damit weiterhin umfangreiche Forschungen und Untersuchungen, die zur Massenherstellung dieses potenziellen Wunder-Brennstoffs führen könnten …«

      

       Auszug aus der Vortragsreihe von Doktor Peter Edgewater, Berlin, Deutschland

       Oxford, England

      Dan Taylor wachte schweißüberströmt auf. Der gleiche Albtraum, der ihn Nacht für Nacht heimsuchte, hatte seinen Schlaf unterbrochen … Staub, Sand, Schreie und Blut. Dan rieb sich die Augen. Wieder hatte er im Schlaf geweint. Die Seelenklempner der Armee hatten ihm gegenüber behauptet, die Erinnerungen würden im Laufe der Zeit verblassen, aber das kaufte er ihnen nicht ab. Er hatte sich mit genug Leuten unterhalten, die für den Kampf eingesetzt wurden, um zu wissen, dass die Träume niemals verschwinden würden. Das Klingeln der Explosion tönte schließlich immer noch in seinen Ohren.

      Dan versuchte sich zur Seite zu rollen und bemerkte, dass das nicht funktionierte. Langsam öffnete er die Augen. Er war auf dem Sofa eingeschlafen. Wieder einmal. Er stütze sich auf seinen Ellbogen und drehte den Kopf, um das Ausmaß des Schadens zu begutachten, wobei er angeekelt von den abgestandenen Gerüchen im Zimmer die Nase kraus zog.

      Die Überreste eines chinesischen Take-away-Essens verteilten sich auf dem kleinen Couchtisch vor ihm. Dan blinzelte überrascht. Er konnte sich nicht mal mehr daran erinnern, letzte Nacht etwas gegessen zu haben. Suchend griff er nach unten und tastete um sich, bis seine Finger auf eine vertraute Glasoberfläche stießen. Vorsichtig umklammerte er den Flaschenhals und hob die Whiskyflasche vor sein Gesicht. Er warf einen Blick darauf und zuckte zusammen. Leer. Er stellte sie auf dem Couchtisch ab.

      Dan sah auf und bemerkte, dass der Fernseher in der Ecke des Raumes noch flimmerte. Irgendeine dämliche Talkshow. Er griff zwischen die Sofakissen unter sich, zog die Fernbedienung heraus und schaltete die nervende Sendung aus.

      Dann schloss er die Augen. Er erinnerte sich daran, dass er nur einen Drink nehmen wollte, der ihm beim Einschlafen helfen und seine Albträume abwehren sollte. Er sah die Flasche vorwurfsvoll an. Sie hatte ihn im Stich gelassen. Es funktionierte nicht mehr. Er öffnete die Augen wieder und blinzelte, versuchte sich zu konzentrieren, um die Tränen zurückzuhalten.

      Endlich schwang er seine Beine vom Sofa und setzte sich auf. Dabei hielt er den Kopf so lange zwischen den Händen, bis er sicher sein konnte, aufstehen zu können, ohne gleich wieder umzufallen. Langsam streckte er sich und stöhnte.

      Kaffee.

      Dan schnappte sich die leere Whiskyflasche sowie die Take-away-Kartons und stolperte in Richtung Küche. Er fluchte heftig, als er mit seinem Zeh gegen eine der Taschen stieß, die im Flur verstreut standen. Ein mit Stahlkappe gefütterter Stiefel fiel vor ihm auf den Boden und er starrte ihn anklagend an. Er war bereits vor zwei Tagen nach Oxford zurückgekommen, hatte sich aber bisher nicht mit der deprimierenden Aufgabe des Auspackens beschäftigen wollen. Er sehnte sich danach, wieder zu reisen, selbst wenn das nur bedeutete, zu seiner alten Karriere als Geologe für irgendein weiteres Bergbauunternehmen zurückzukehren. Der Job würde ihn wenigstens davon abhalten, zu viel über die Vergangenheit zu grübeln. Oder die Gegenwart. Oder die Zukunft.

      Dan schüttelte den Kopf und schlurfte in die Küche. Dort öffnete er die Hintertür, warf den Müll beifällig in die Abfalltonne und blinzelte im strahlenden Sonnenschein. Er rülpste laut auf und beobachtete mit leichter Belustigung, wie sich die heiße Luft in der morgendlichen Kälte in Dampf verwandelte.

      Nachdem er in die Küche zurücktrat und die Tür offen ließ, um das Haus zu lüften, schaltete er den Wasserkocher an. Als er sich umdrehte, um im Schrank über der Arbeitsplatte nach einer Kaffeetasse zu suchen, bemerkte er das Blinken seines Handys.

      Eine neue Sprachnachricht.

      Dan schnaufte, griff sich das Telefon und steckte es in die Gesäßtasche seiner Jeans. Schließlich fand er eine saubere Kaffeetasse und nachdem er sich den ersten morgendlichen Koffeinschub verschaffte, schlurfte er zufriedener zurück ins Wohnzimmer.

      Er verzog das Gesicht. Im Raum hing wirklich ein widerwärtiger Gestank.

      Naserümpfend schob er die Vorhänge auseinander und öffnete die Fenster. Kalte Luft drang herein und ließ ihn sofort etwas frösteln. Zumindest würde sich dadurch der Gestank verziehen. Er setzte sich in einen Sessel und sank zusammen. Tastend griff er hinter sich und zog das Handy aus der Tasche. Dann starrte er es kurz an, wählte die Nummer seiner Mailbox und hielt sich das Telefon ans Ohr.

      Dan trank einen Schluck Kaffee, während er seine Nachrichten abhörte. Der Mailbox-Stimme zufolge war der letzte Anruf in der vergangenen Nacht eingegangen. Er nippte wieder an seinem Kaffee und ließ die Nachricht abspielen.

      »Dan, hallo … hier ist Peter Edgewater. Hör mal, ich bin ein wenig in Eile, aber du bist der Einzige, der das wirklich zu schätzen weiß … ich habe es geschafft! Ich habe herausgefunden, wer in der Lage ist, Weißes Gold auf kommerzieller Basis zu produzieren! Pass auf, momentan muss ich noch eine Vortragsreise in Europa beenden, aber in einigen Tagen bin ich wieder zu Hause. Dann veranstalte ich einen kleinen Umtrunk mit ein paar Leuten, die ich seit einer Weile nicht mehr gesehen habe und bei der Gelegenheit kann ich dir alles erzählen … du kommst doch, oder? Ruf mich einfach an und ich werde …«

      Wütend drückte Dan die Sprachnachricht weg und warf das Handy auf den Couchtisch. Er fragte sich, warum er sich überhaupt damit herumquälte. Er hatte wirklich kein Interesse, alte Freunde wiederzutreffen, nur damit sie ihm ihren Erfolg unter die Nase reiben konnten. Und ihm damit aufzogen, wie tief er doch gesunken war.

      Einen Augenblick später beugte sich über den Tisch und griff wieder nach dem Handy, dieses Mal, um die Nachricht zu löschen. Im Anschluss schaute er auf seine Armbanduhr und grunzte zufrieden. Nur noch eine knappe Stunde, dann würde der Pub wieder aufmachen.

       Berlin, Deutschland

      

      Peter eilte auf dem Bürgersteig in Richtung seines Hotels, sein Atem dampfte dabei in der kalten Luft. Er zog den Rucksack auf seiner Schulter weiter nach oben und schob die behandschuhten Hände auf der Suche nach der letzten Körperwärme tiefer in die Jackentaschen. »Notiz


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