KALTE GIER. Rachel Amphlett

KALTE GIER - Rachel Amphlett


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eine Adresse auf den Umschlag.

      Während er das Briefporto bezahlte, wandte sich Peter um und beobachtete durch das Fenster, wie vor dem Postgebäude eine Frau vorbeiging. Er war sich sicher, dass es die gleiche Person war, die er zusammen mit David Ludlow gesehen hatte.

      Er schluckte und fühlte einen Schweißtropfen seitlich an seinem Gesicht entlanglaufen. Das war real. Das passierte tatsächlich. Ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf … Ich hatte recht! Diese Erkenntnis beruhigte ihn jedoch keinesfalls. Wenn ihm diese Leute wirklich folgten, bedeutete das, dass er mit seiner Forschung richtig lag und er sich schützen musste.

      Peter zog sich in eine Ecke des Raumes zurück, weg von der wachsenden Kundenschlange, und nahm sein Handy heraus. Während er durch die Kontaktliste scrollte, schaute er erneut aus dem Fenster. Niemand zu sehen. Er fand den Namen, den er gesucht hatte, drückte auf das Anrufsymbol und wartete auf die Verbindung.

      Verdammt! Er war direkt bei der Mailbox gelandet.

      »Dan, hier ist Peter. Ich befürchte, ich bin in Schwierigkeiten. Und ich habe keine Ahnung, wen ich sonst anrufen könnte. Im Moment bin ich noch in Paris. Aber heute Nachmittag fahre ich mit dem Zug nach Ashford und dann weiter nach Oxford, wo ich morgen den letzten Vortrag halte. Danach rufe ich dich wieder an. Ich weiß nicht, wo du steckst, aber ich habe Sarah ein paar Unterlagen geschickt … die erklären alles. Ich bin mir nämlich nicht sicher, ob ich dazu noch in der Lage sein werde. Falls ich es nicht schaffen sollte, geh bitte zu ihr … und sei vorsichtig, wem du die Informationen gibst oder wem du davon erzählst. Ich habe zwar schon so einige Drohungen erhalten, die ich bisher nicht für voll genommen habe, aber seit heute befürchte ich, dass mein Leben wirklich in Gefahr sein könnte. Sobald ich kann, rufe ich dich wieder an.«

      Peter beendete das Telefonat und bemerkte dabei, dass seine Hände zitterten.

      Kapitel 3

      

       »Die Vorfälle zeigen weiterhin, dass die lebhafte Nachfrage nach Edelmetallen real ist. Die Menschen setzen zwar ihren Kampf dagegen fort, dass multinationale Konzerne ihre Goldminen übernehmen, doch insgeheim geht die Kontrolle über diese Ressourcen immer mehr an ausländische Organisationen verloren. Trotz der Größe der beteiligten Organisationen wurden diese Übernahmen kaum publik gemacht. Viel wichtiger ist jedoch, dass es scheinbar die Kohle-, Öl- und Gasunternehmen sind, die den Markt für Edelmetalle kontrollieren wollen.«

      

       Auszug aus der Vortragsreihe von Doktor Peter Edgewater, Paris, Frankreich

      

       Brisbane, Australien

      Morris Delaney stand reglos mit hinter dem Rücken gefalteten Händen und schaute aus dem Rauchglasfenster seines Büros. Er beobachtete, wie die Menschen unten auf der Straße an einer belebten Kreuzung hin und her liefen. Ameisen, dachte er, nein … Kakerlaken.

      Delaney war großgewachsen und breitschultrig. Zudem verriet ein leichtes Hinken seine lange zurückliegende Karriere als Rugbyspieler. Er fuhr sich mit der Hand durch sein weißes Haar, das nach all den Jahren immer noch dicht wuchs und um einiges länger war als bei seinen Altersgenossen. Dann legte er seinen Kopf weit nach hinten und hörte bei der Dehnung ein zufriedenstellendes Knacken. Delaney verzog das Gesicht. Er musste zugeben, dass er in den letzten paar Jahren zu viel Zeit in einem Büro verbracht hatte, anstatt sich draußen die Hände schmutzig zu machen.

      Er schaute auf den Nachbau eines Schaufelraddampfers hinab, der den Fluss hinauftuckerte. In der Nachmittagssonne glitt sein Schatten die Uferbegrenzung entlang, während er mit einem Deck voller Touristen vorbeifuhr, die schon ihre Mäuler nach einem Drei-Gänge-Menü leckten. Delaney schnaubte vor Belustigung.

      Sein Blick glitt über den Platz unter ihm, auf dem eine kleine Gruppe von Demonstranten stand, die den Eingang des Gebäudes umringten. Ihre traurigen Plakate flatterten in der Brise, die vom Fluss herüberwehte. Nieder mit Delaney. Wind statt Kohle. Kohle ignoriert die globale Erwärmung. Anscheinend zog das hiesige Büro den gleichen armseligen Haufen von desinformierten Mitgliedern der örtlichen Bevölkerung an.

      Delaney hatte nichts gegen Demonstranten … jede Form von Publicity war ihm recht, solange sie ihn betraf. Demonstrationen boten ihm die Möglichkeit, vor die Medien zu treten und den Massen zu erklären, warum die Umweltschützer so verdammt falsch lagen und ihnen danach seine neuesten Bergbauprojekte vorzustellen. Er warf einen Blick auf die Zeitung auf seinem Schreibtisch und grinste. Die Mail zitierte ihn ständig unkorrekt. Er warf das Blatt in den Papierkorb. Wenigstens er wusste, was los war, auch wenn die Journalisten anscheinend keine Ahnung davon hatten.

      Vor drei Jahren war die englische Regierung von einem ihrer wichtigsten wissenschaftlichen Berater darüber informiert worden, dass das Land mit massiven Stromausfällen innerhalb der nächsten fünf Jahre zu rechnen hatte, falls die alten kohlenbetriebenen Elektrizitätswerke vom Netz genommen werden würden. Man würde die Wind- und Solarkraftwerke nicht rechtzeitig fertigstellen können und Gas war zu teuer. Delaney schüttelte verwundert den Kopf. Die Öffentlichkeit verlangte immer wieder nach erneuerbaren Energien, aber nur, solange die Windkraftanlagen und die Solarzellenfelder nicht in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft errichtet wurden. Das machte es für Organisationen wie seine weiterhin so leicht, Kohle als den Energieträger der ersten Wahl anzupreisen. Schmutzig, okay, aber was soll’s? Kohle war immer noch billig, sie war sicher … und es gab noch jede Menge davon, ganz zu schweigen von den Exportmöglichkeiten.

      Er bemerkte die Reflexion in der Bürotürscheibe, als seine Sekretärin klopfte und das Büro betrat, wobei ihre High Heels vom dicken Teppich gedämpft wurden.

      »Was gibt es?«

      »Ein neuer Bericht aus der Mine, er ist gerade hereingekommen.« Sie hielt einen Umschlag hoch und blieb erwartungsvoll in der Nähe der Bürotür stehen. Er nickte nur beiläufig in Richtung seines Schreibtisches.

      »Legen Sie ihn da hin. Ich kümmere mich in einer Minute darum. Irgendwelche Überraschungen?«

      »Ich … ich habe ihn nicht gelesen.«

      »Gut«, brummte er. Er wusste, wie Sekretärinnen in Großunternehmen miteinander vernetzt waren und tratschten. Es war strikte Firmenpolitik, dass die Post und Emails von Mitgliedern der Führungsetage niemals den Verwaltungsmitarbeitern zugänglich gemacht werden sollten. Trotzdem schadete es nicht, das gelegentlich zu überprüfen und sie regelmäßig auf Zack zu halten.

      »Einfach hinlegen und dann dürfen Sie wieder gehen.«

      Die Sekretärin legte den Briefumschlag ab, drehte sich ohne ein weiteres Wort um und verließ das Büro so schnell wie möglich, wobei sie leise die Tür hinter sich schloss.

      Delaney schritt zu seinem Schreibtisch, riss den Umschlag auf und überflog die Seiten des Berichts.

      Die Entwicklung der Ausrüstung ging offensichtlich gut voran. Nachdem inzwischen die Abbautechnik perfektioniert worden war und die Ertragszahlen anstiegen, schien alles in Butter zu sein. Das ganze Projekt direkt neben einer bereits existierenden Kohlemine aufzubauen, hatte gewährleistet, dass der Vorgang keinen Verdacht erregte.

      Unter einem der Berichte ragte ein Notizzettel hervor. Nachdem er einen Füller aus seiner Jackentasche genommen hatte, zog Delaney den Zettel vorsichtig mit der Feder ein Stück heraus.

      Er beschäftigte ein Team von Sicherheitsspezialisten, die alle Meldungen zu seiner Firma überprüften. Sie waren wesentlich sorgfältiger als normale Presseagenten und überwachten zusätzlich Konferenzen, Vorträge sowie staatliche Aktionen. Falls irgendetwas die Reputation oder den Erfolg seiner Organisation gefährden sollte, würde er darüber informiert werden.

      Während er die Mitteilung las, begann an seiner Schläfe eine Vene zu pulsieren. Seine Finger bohrten sich krampfhaft


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