KALTE GIER. Rachel Amphlett

KALTE GIER - Rachel Amphlett


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hämmernd wieder auflegte. Es gab keinen Grund, irgendetwas zu sagen … seine Telefonnummer würde beim Empfänger angezeigt werden. Niemand stellte Fragen. Sie kamen, sobald sie gerufen wurden.

      Eine Minute später kündigte ein Klopfen an der Tür einen kleinen Mann an, der noch schnell sein Jackett zuknöpfte und die Krawatte zurechtrückte.

      Delaney wartete, bis die Tür wieder ins Schloss gefallen war. Während er den anderen Mann anstarrte, zirkelte er um seinen Schreibtisch herum und setzte sich, wobei der Bürosessel unter seinem Gewicht bedrohlich knarrte. Er bot seinem Mitarbeiter keinen Stuhl an, sondern ließ ihn nervös auf dem Teppich scharrend in der Mitte des Raumes stehen.

      »Wen haben wir zurzeit in Europa im Einsatz, Ray?«

      Sein Gegenüber kam sichtlich ins Schwitzen, als er sein Gehirn anfing zu grübeln. »Ähm, ja, das müsste … äh … Charles sein, Mr. Delaney. Also falls wir, äh, darüber reden, dass jemand getötet werden soll.«

      Blitzschnell presste Delaney seine Finger gegen die Lippen. »Pst, Ray. Erwähnen Sie dieses Wort niemals in meinem Büro oder überhaupt in meiner Gegenwart.«

      Ray nickte gehorsam, während sich trotz der Klimaanlage Schweißflecken unter seinen Achseln zu bilden begannen. »Richtig, Mr. Delaney. Selbstverständlich.« Er verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen.

      »Wo ist Charles im Moment?«, fragte ihn Delaney.

      Ray zog einen Palmtop-Computer aus seinem Jackett und machte ein paar Eingaben. »London. Ist gerade aus Berlin angekommen.«

      Ray steckte das Gerät wieder ein und spielte nervös mit einem Ring an seiner linken Hand herum. »Er ist die Quelle der Information, die Sie vor kurzem von uns erhalten haben«, fügte er hinzu.

      »Ist er vertrauenswürdig?«

      Ray nickte erneut, diesmal wesentlich enthusiastischer. »Definitiv. Er liebt seine Arbeit. Deswegen ist er auch absolut zuverlässig. Und er räumt sogar noch gut hinter sich auf.«

      Delaney grinste. »Perfekt. Sagen Sie ihm, er soll nach Oxford fahren. Da findet morgen eine Konferenz statt, an der er teilnehmen wird. Einer der Redner entwickelt sich langsam zu einem Ärgernis für uns. Richten Sie unserem Mann aus, er muss herausfinden, welche Beweggründe dieser Kerl hat.« Er kritzelte etwas auf ein Stück Papier und reichte es Ray. »Er soll mich unter dieser Nummer anrufen, sobald er die Gelegenheit hatte, mit Doktor Edgewater zu reden und er bereit ist, direkte Befehle von mir entgegenzunehmen.«

      Ray sprang beinahe zum Schreibtisch und nahm die Notiz von Delaney entgegen. Nachdem er sich in die Mitte des Raumes zurückgezogen hatte, öffnete er den Mund zum Sprechen, überlegte es sich dann aber doch anders.

      »Ist noch etwas, Ray?«

      Ray schaute zuerst auf das Stück Papier, dann auf seinen Chef. »Es besteht ein zehnstündiger Zeitunterschied zwischen hier und London, Mr. Delaney.«

      Delaney funkelte seinen Mitarbeiter an. »Dann wecken Sie ihn auf.«

      Ray nickte und verließ den Raum so schnell wie möglich. Nachdem die Tür zugefallen war, stand Delaney auf, drehte sich zum Fenster um und sah erneut hinaus. Langsam schloss er die Augen und ließ den Plan in seinem Kopf Revue passieren.

      Nach fast drei Jahren umfangreicher Forschung in einem abgelegenen Gebiet von Zentral-Queensland hatte es sechs Monate gedauert, um den Ablauf zu perfektionieren. Nur noch zwei Monate blieben, bis sich alles zusammenfügen würde. Delaney öffnete die Augen und starrte auf die Demonstranten hinab.

      Er konnte es kaum erwarten, bis es so weit war.

      Kapitel 4

      

       »Jemand kauft weltweit die Goldvorräte auf und hortet sie anschließend. Bei der aktuellen Lage und der Nachfrage nach Öl, Gas und Uran wird der Verkauf und Kauf dieses wertvollen Gutes von den Analysten seit Jahren immer wieder übersehen. Wir müssen uns fragen, warum? Warum wird dieser Umstand nicht beleuchtet, verfolgt oder untersucht? Hier und heute werden wir versuchen, dieses Versäumnis nachzuholen.«

      

       Auszug aus der Vortragsreihe von Doktor Peter Edgewater, Oxford, England

      

       Oxford, England

      

      Peter schloss seine Augen, legte den Kopf nach hinten, dehnte die Nackenmuskulatur und war froh, wieder zurück in der Heimat zu sein. Er hatte das Gefühl, die Geschichte dieses Gebäudes förmlich riechen zu können, während er gleichzeitig um sich herum alle Geräusche wahrnahm. Das Geräusch, als im Nebenzimmer das Publikum seine Sitze fand, das leise Klingeln der Weingläser, als sich Kollegen begrüßten und sich gegenseitig auf die Schulter klopften, Gelächter.

      »Es verliert nie seinen Reiz, wissen Sie«, brach eine Stimme in seinen Tagtraum ein.

      »Wie bitte?« Er öffnete die Augen, um sich nach der Quelle für diese Unterbrechung umzusehen.

      »Tut mir leid … ich wollte Sie nicht erschrecken.« Ein Mann lehnte sich lächelnd gegen eine Säule. »Ich meinte die Atmosphäre dieses Ortes … sie ist immer präsent.« Er ging zu Peter und streckte ihm die Hand entgegen. »Charles Moore.«

      Peter nahm sie entgegen und sah sich dabei noch einmal um. »Sie haben recht.«

      »Ich nehme an, Sie waren hier Student?«, fragte Charles. Er nahm seine Brille ab und begann sie zu polieren.

      »Ja. Obwohl es mir heute vorkommt, als wäre das schon ein ganzes Leben lang her. Und Sie?«

      »Cambridge … leider«, lächelte Charles entschuldigend, setzte seine Brille auf, schlenderte zu dem Torbogen, der zum Hörsaal führte, und spähte hindurch.

      »Werden Sie heute vor dieser Meute reden?«

      Peter nickte und trat zu ihm. »Ja. Ich habe gerade eine kleine Vortragsreise durch Europa hinter mir und das College hat mich gefragt, ob ich an der Eröffnungsveranstaltung zur Neujahrsvortragsreihe teilnehmen könnte, bevor das neue Semester beginnt. Es schien mir ein passender Abschluss für meine Tour.«

      Charles wandte sich ihm zu. »Kam die Vortragsreise bisher gut an?«

      »Zumindest nicht schlecht. Tatsächlich genieße ich am meisten die Gespräche danach … das Reisen kann auf Dauer ein wenig eintönig sein. Eine Menge Leute wollten mit mir über meine Forschung sprechen. Sie wissen schon, Fakten miteinander vergleichen und Ähnliches. Es ist immer gut, zu erfahren, was andere Akademiker denken … und einige der Studenten. Das hilft einem, einzuschätzen, welche Reaktionen der Artikel hervorrufen könnte, den ich veröffentlichen möchte.«

      Charles' Gesichtsausdruck verhärtete sich deutlich. »Sie haben vor, einen Artikel darüber zu schreiben?«

      Peter nickte enthusiastisch und bemerkte dabei nicht die veränderte Miene des Mannes. »Ja … das Feedback auf die Vortragsreise war so gut, dass ich mit ein paar Leuten inklusive der Presse darüber gesprochen habe, meine Forschungs- und Vortragsunterlagen zu veröffentlichen.«

      Eine Gestalt erschien im Eingang zum Hörsaal. »Doktor Edgewater? Sie sind als Nächster dran.«

      Peter nickte ihr zu. »Ich komme gleich.«

      Er wandte sich um und reichte Charles die Hand. »Es war nett, Sie kennenzulernen … aber ich sollte jetzt besser gehen.«

      Charles schüttelte Peters Hand und trat zurück. »Viel Erfolg mit dem Artikel, Doktor Edgewater. Ich bin sicher, es wird ein faszinierender Lesestoff sein.«

      Charles beobachtete, wie Peter den Hörsaal betrat, dann drehte er sich um und eilte den Flur


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