Leefke. Suta Wanji

Leefke - Suta Wanji


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runter und holte ihre Waffe aus dem Waffenschrank, wissend, im Ernstfall würde sie nicht helfen. Das Wetter schien sich draußen dramatisch zu verschlechtern, der Wind heulte ums Haus, spielte mit den Jalousien, sang in den Baumwipfeln der uralten Bäume. Die Waffe im Anschlag lag sie bewegungsunfähig auf ihrem Bett, wartete bis zum Morgengrauen, bis die erste Helligkeit sich durch die Löcher der Jalousien schlich. Kaum ausgeschlafen schlurfte sie in die Küche, kochte Tee und stellte fest, draußen war Novemberwetter. Regen, Wind und keine Sonne. Nach diversen Tassen Tee und einer Scheibe Graubrot mit Leberwurst kehrten ihre Lebensgeister zurück und sie beschloss ihre Kollegen anzurufen. Vielleicht war sie ja nicht die einzige Person, die tanzende Irrlichter und Angst einflößende Nebelbänke wahrnahm.

      Sie klingelte direkt bei Ihren Kollegen im Dienstzimmer durch und ihr jahrelanger Kollege und guter Freund Ewald Hayen meldete sich übermüdet, es war nicht zu überhören.

      „Moin, Ewald, Tabbi hier. Du klingst, als hättest du Wochenenddienst gehabt. Bist noch ansprechbar oder soll ich später anrufen, wenn die Ablösung durch ist?“

      „Nee, lott man, wat häst denn?“

      „Sag mal, sind in den letzten Tagen merkwürdige Meldungen aus dem Gebiet Vossbarg/Strackholt eingegangen?“ fragte Tabea.

      „Was heißt merkwürdig? Eine Frau vermisst ihren Mann seit gestern Mittag, ist vom Joggen nicht nach Haus gekommen. Der Adresse nach müsste sie fast Deine Nachbarin sein“, erklärte Ewald.

      „Elfriede Franzen?“, hakte Tabea nach.

      „Ja, der Mann ist seit gestern Mittag verschollen. Die Frau hat wohl Nachbarn befragt und heute Morgen bei der Stadtverwaltung angerufen und nachgefragt, ob er zum Dienst erschienen sei. Ist er nicht, und dann hat sie uns heute Morgen um Hilfe gebeten. Sie ist mit den Nerven runter und z.Zt. bei der Familie ihres Bruders.“

      „Du kennst Elfriede und Tamme auch. Sie waren oft bei meinen Seeparties dabei. Werdet ihr was einleiten?“, fragte Tabea nach.

      „Wir warten, bis das Team vollständig ist. Die Kreisjägerschaft hat mit ihren Hunden auch Hilfe angeboten. Wir werden das Moor durchkämmen, keiner weiß so genau, welche Strecke der Mann gelaufen ist.“

      „Doch, ich kenne sie!“, entgegnete Tabea, „ich bin des Öfteren mitgelaufen. Wir müssen hier bei mir in den Wald rein und dann ins Moor. Ich gehe duschen und dann meldet euch doch eben, wenn ihr losfahrt.“

      „Machen wir, bis später!“

      Tabea schaute nach draußen. Es regnete und der Himmel war durch und durch grau.

      „Wo steckt Tamme bloß?“, fragte sie sich.

      Dann fiel ihr wieder die hünenhafte Gestalt ein und sie schüttelte sich. Sie versuchte, das Unwohlsein wegzuduschen, was aber nicht gelang. Sie schätzte, dass ihre Kollegen in ca. einer Stunde eintreffen sollten, so wie die Jäger und ihre Hunde.

      Tabea nutzte die noch verbleibende Zeit und rief bei Elfriedes Bruder Thede Mensen an. Seine Frau Okka nahm den Hörer ab und erzählte Tabea, dass Elfriede gerade schliefe, sie sei vom Arzt ruhig gestellt worden und im Moment nicht ansprechbar. Tabea erklärte, dass in ca. einer Stunde ein Suchtrupp vom Wald aus ins Moor starten werde und sie sich später melden würden.

      Sie legte auf und schaute noch mal Richtung Moor. Regen, Nebel, zu erkennen war durch die diesige Suppe nicht viel.

      „Was versteckst du?“, murmelte sie Richtung Moor und ertappte sich bei dem Gedanken, dass sie die Antwort nicht hören wollte.

      ....Angst.....

      Tabea suchte sich warme Sachen zusammen, feste und wasserdichte Wanderschuhe, wetterfeste Kleidung. Ihre Kollegen würden gleich hier sein. Sie zog eine Jeans über ihren „langen Hinni“, die ortsübliche lange, warme Unterhose. Ihren Oberkörper bekleidete sie mit einem warmen, atmungsaktiven Pullover. Sie entschied sich für wasserabweisende Schutzkleidung über ihren Sachen und steckte ihre in Wollsocken verpackten Füße in das bereitgestellte Schuhwerk. Nachdem sie Mütze, Schal und Handschuhe angelegt hatte, nahm sie den mit Proviant und heißem Kaffee gespickten Rucksack vom Küchenstuhl und ging vor die Tür. Sie schloss ab und legte den Schlüssel in einen entsprechenden Behälter, eine Kunststoffente, deren Flügel zur Seite geschoben werden konnten und Raum gaben für Kleinigkeiten. Das ideale Versteck für einen Haustürschlüssel, den man nicht mitschleppen wollte.

      Knapp 10 Minuten später fuhren mehrere Fahrzeuge auf ihren Hof, Polizei und Jägerschaft. Onno Gerjets, Mattes Folkerts und Harm Harmsen waren mit ihren Hunden dabei, die Polizei war vertreten durch Polizeianwärterin Jantje Fredriksen und Heino Dirks, sowie Polizeioberkommissar Reent Saathoff, der im Übrigen Ehemann von Tabeas Freundin Netti war. Man kannte sich seit Jahren und so war die Begrüßung warmherzig mit Umarmung. Wenigstens in diesem kleinen Moment war der Grund ihres Zusammentreffens vergessen.

      Alle waren warm eingepackt, man kontrollierte Handys und Funk. Kommissarin Marta Habben würde im Funkwagen sitzenbleiben, sie war im 7. Monat schwanger und musste sich solchen Strapazen nicht aussetzen. Sie hielt den Kontakt zur Gruppe und auch zur Einsatzleitung nach Aurich und konnte von hier aus bei Bedarf die Kriminaltechniker anfordern.

      Den ersten Teil der Strecke planten sie zusammen zu gehen, danach sollte eine Trennung erfolgen. Zuerst wollten sie den Rundweg ablaufen, die für Touristen ausgewiesene Wanderstrecke durch Moor und Wald und auch Hauptlaufstrecke von Tamme. Sollten sie nichts finden, wären die Nebenwege abzusuchen, Wege, die Tabea oft mit ihm zusammen gelaufen war und die auf keinen offiziellen Karten verzeichnet waren.

      Die Hunde wurden in ihren Boxen immer unruhiger. Harm, Onno und Mattes legten ihnen die Geschirre an und befestigten die Laufleinen. Die Hunde sprangen aus ihren Boxen und schnupperten aufgeregt die nasse, kalte Luft ein.

      Es hatte aufgehört zu regnen, aber die Feuchtigkeit war allgegenwärtig, legte sich wie ein nasser Film auf jede Oberfläche. Die Hunde schienen zu spüren, dass etwas nicht in Ordnung war. Tabea hatte den Eindruck, sie kamen ihrer Aufgabe nur widerwillig nach. Das passte überhaupt nicht zu ihnen. Normalerweise liefen sie schon aufgeregt hin und her bevor es los ging, und ihr permanentes Gekläffe dabei sorgte stets dafür, dass der Adrenalinspiegel bei ihnen und den Jägern stieg. Heute verhielten sie sich anders, sie blieben bei ihren Besitzern und machten keine Anstalten loszustürmen oder eine Fährte aufzunehmen. Statt Gekläffe ließen sie nur manchmal ein kurzes Winseln hören und Unwohlsein beschlich alle, bevor sie überhaupt einen Fuß auf die Strecke gesetzt hatten. Die Jäger beschlossen die Hunde an die kurze Leine zu nehmen und dankbar pressten sich die Hunde an die Oberschenkel dieser, als ob sie von ihrer Aufgabe erlöst worden seien.

      Angst beschlich alle und so traute sich keiner dem anderen in die Augen zu schauen, aus Angst, dass sich dort im Inneren etwas Ähnliches abspielte. Harm tat den ersten Schritt und sein Hund folgte dicht an sein Bein gepresst.

      Die anderen Hunde verhielten sich nicht anders und so ertappten sich die Jäger und ebenso die Polizisten dabei, dass eine Hand nah an der Waffe ruhte und ihnen so eine trügerische Sicherheit vermittelte.

      Langsam liefen sie den Weg hoch, wie besprochen suchte ein Teil der Gruppe links des Weges, der andere Teil rechts des Weges.

      „Vielleicht sollten wir uns nicht trennen!“, schlug Reent Saathoff vor.

      „Den Hunden scheint es hier auch nicht zu gefallen!“, ergänzte Mattes und so beschloss man die Hauptstrecke zusammen abzulaufen.

      Der Regen hatte den Boden aufgeschwemmt, so dass ihre Schritte beängstigende Geräusche erzeugten und schon ein paar Meter neben dem befestigten Weg ließ sich brauner, nasser Morast erkennen.

      Tabea fiel das Gedicht von Annette Droste - Hülshoff ein und so rezitierte sie: „Oh schaurig ist`s übers Moor zu gehen!“ Besser ging es ihr und ihren Wegbegleitern dadurch nicht.

      Links und rechts erstreckte sich das unwirtliche Land, abgefaulte Vegetation klebte nass am Boden. Von den wunderschönen


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