Leefke. Suta Wanji

Leefke - Suta Wanji


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sonderbare Geräusche drangen an ihr Ohr, das Rascheln von Riedgras und Rohrkolben, das Schmatzen und Singen des Sumpfes, alles Geräusche, die hier eigentlich nicht zu hören sein dürften und doch hörte sie sie ganz real, als hätte sie jemand mitgebracht.

      Der Brandgeruch wurde stärker. Plötzlich dachte sie nicht mehr an Grillen sondern an verbranntes Fleisch. Sie sah Umrisse, eine Frau in einem langen Kleid. Braune Haare umrahmten ein wunderschönes Gesicht, volle Lippen ein ebenmäßiges Gebiss. Langsam schritt sie auf Tabea zu, während der Geruch von Feuer und verbranntem Fleisch zunahm.

      Tabea kannte die Frau nicht und hatte plötzlich auch nicht mehr das Bedürfnis auf der Terrasse zu verweilen. Sie sprang auf, war mit drei Sätzen an der Tür, öffnete sie und sprang ins Haus. Sofort knallte sie die Tür zu und draußen polterte etwas gegen die Scheibe. Tabea floh zum Küchentisch.

      Dumpfes Grollen ertönte hinter der Tür, der Brandgeruch schien sich dort zu vervielfachen. Tabea drehte sich langsam um und erstarrte. Wage nahm sie die Umrisse der Frau wahr. Das lange, braune Haar stand verdreckt und teilweise verbrannt vom Kopf ab. Dort, wo sie gerade noch ein wunderschönes Gesicht gesehen hatte, hingen Haut und Fleisch in Fetzen vom Knochen. Das ehemals schöne, braune Kleid bestand nur noch aus zerschlissenem Tuch, über das Spinnen und anderes Getier krabbelte, direkt in ihre Gesichtshöhlen hinein und wieder hinaus. Dort wo einst dunkelbraune Augen das Gesicht krönten, leuchteten jetzt zwei orange Lichter. Das ehemals ebenmäßige Gebiss hatte Zuwachs bekommen. Zwei riesige gelbe Reißzähne lugten weit über ihre Unterlippe hinaus.

      Was Tabea den Rest gab, war der Inhalt der rechten Hand dieses Monsters. Es war Tammes Kopf, grob abgerissen von seinen Schultern, seine Haare blutgetränkt und seine Augen aus den Höhlen tretend.

      „Leefke hat ein Geschenk für dich!“, sang die Frau immer wieder, während sie gnadenlos mit Tammes Kopf auf die dicke Glasscheibe einprügelte, bis diese nur noch aussah wie die Wand eines Schlachthauses bei Hochbetrieb.

      Tabea rannte aus der Küchentür, verrammelte diese und rannte mit dem Telefon ins Schlafzimmer. Sie wählte den Notruf und schrie hysterisch ins Telefon, während am anderen Ende jemand nichts verstand und beruhigend auf sie einsprach. Tabea wurde von einer Ohnmacht erlöst und jetzt wurde der Mann am anderen Ende unruhig. Im Hintergrund hörte er jemanden singen und dumpfe Schläge, die gegen etwas trommelten.

      Es dauerte einen Moment, bis sie die Telefonnummer zuordnen konnten und als sie bemerkten , dass es sich um ihre Kollegin Tabea handelte, wurde die Routine durch Angst um einen geliebten und geschätzten Menschen ersetzt. Die hiesigen Polizeibeamten wurden alarmiert und in Aurich schmissen sich Ewald Hayen und die beiden Kriminaltechniker Eiko Ennen und Ivo Frerichs in den Passat.

      Als sie kurz darauf auf Tabeas Hof ankamen, bot sich Ihnen ein seltsames Bild. Die beiden ortsansässigen Polizisten hockten über der Hecke und ergossen ihren Mageninhalt weinend in diese. Tränen vermischten sich in Strömen mit dem Mageninhalt.

      Während sich die beiden Kriminaltechniker um die spuckenden Polizisten kümmerten, lief Ewald in die Garage und holte Tabeas Ersatzschlüssel für die Hintertür aus dem Versteck. Er rannte zur Seite des Hauses, öffnete die Tür und betrat, ihren Namen rufend, das Haus. Er fand sie halb ohnmächtig und weinend im Schlafzimmer auf dem Fußboden. Sie klammerte sich an ihn und zeigte auf das Fenster im Schlafzimmer. Viel erkennen konnte Ewald nicht, denn ein braunroter Schmierfilm bedeckte das Glas. Er forderte über code Notarzt und Krankenwagen für Tabea an, während sich draußen die beiden Polizisten beruhigten. Sie zeigten mit den Fingern nach hinten und die beiden Kriminaltechniker fragten sich, was die beiden gestandenen Mannsbilder so aus der Fassung gebracht hatte. Sie ergriffen ihre Taschenlampen und machten sich auf den Weg hinters Haus, als Ewald plötzlich aus der Seitentür kam.

      „Tabea ist genauso fertig wie die beiden draußen, Notarzt kommt gleich. Habt ihr schon was gefunden?“

      „Die beiden Polizisten zeigten nach hinten“, meinte Eiko.

      „Wart mal“, entgegnete Ewald, „Tabeas Grundstück hat ringsherum Fluter. Ich such mal die Schalter.“

      Wenig später loderten die Lampen rund ums Haus auf und die beiden Techniker machten sich auf den Weg nach hinten. Abrupt blieben sie stehen. Vorne im Geäst hing ein rundlicher Gegenstand in den Ästen und die Luft roch nach verbranntem Fleisch.

      „Ungewöhnliche Jahreszeit und Uhrzeit zum Grillen!“, meinte Eiko, während er mit dem Strahl seiner Taschenlampe versuchte, den Gegenstand im Baum anzuleuchten. Ivo war auf der Terrasse angekommen, hier war auch der Geruch besonders intensiv.

      Die Terrassentür war voll von einer braunroten Schleimschicht, mit kleinen Stückchen dazwischen, die er sofort als Fleisch identifizierte. Jetzt erahnte er schon, was die braunrote Schmierschicht darstellte. Vorsichtig wich er zurück und prallte gegen seinen Kollegen, der ihn fassungslos anstarrte.

      „Es ist ein Kopf!“, sagte er und auch auf Ivos Gesicht zeichnete sich langsam Entsetzen ab.

      „Was ist hier bloß für `ne Sauerei passiert!“, murmelte Ewald, der zu ihnen gestoßen war.

      Drinnen wurde Tabea gerade vom Notarzt versorgt, der riet, sie ins Krankenhaus mitzunehmen.

      Derweil Tabea ins Krankenhaus überführt wurde und die Techniker hinter dem Haus anfingen den Tatort großräumig abzusperren, rief Ewald Tabeas Freundin Femke an. Sie betrieb hier im Ort mit ihrem Mann Wilke Renken eine der vielen örtlichen Reithallen. Femke versprach sich sofort um Kleidung für Tabea zu kümmern und Tabeas Pferd abzuholen, damit die Versorgung der Stute für die nächsten Tage sichergestellt war. Hinter dem Haus hatte Ivo mittlerweile dank einer Leiter, die er in Tabeas Garage gefunden hatte, den Kopf aus dem Geäst befreit und sauber eingetütet. Eiko verstaute den Belag der Terrassentür und vom Schlafzimmerfenster in Röhrchen und Tüten. Sonst wurden keine weiteren Spuren während der nächsten Stunden gefunden, so dass die Techniker das Putzkommando anforderten.

      Während die SPUSI - Koffer im Passat verstaut wurden, teilte einer der Örtlichen Ewald mit, dass der Kopf zu Tamme Franzen gehöre, ihrem Kegel, - und Schützenbruder.

      Bevor alle den Schauplatz verließen, rief Ewald bei Thede Mensen an und berichtete über die gefundenen Leichenteile seines Schwagers. Während Thede zu weinen begann, wünschte Ewald ihm noch aufrichtiges Beileid und versprach sich in ein paar Stunden zu melden.

      Das Grauen war in Vossbarg eingezogen.

       .....Wolfsmoor - Hexenmoor.....

      Schon lange lebte er hier, unerkannt, dafür hatte er Sorge getragen. Es war immer genug zu essen dagewesen. Seine Brüder und er hatten nie Not gelitten. Wild gab es genug im Hochmoor, ebenso verirrte Viecher von Landwirten. Von Menschen ernährten sie sich nur in Notzeiten. Sie verabscheuten das zutiefst, war doch ein Teil von ihnen ebenso menschlich.

      Übel mitgespielt hatten sie ihm. Nachdem sie ihn im Moor versenkt hatten, sich alles genommen, was ihm einmal gehört hatte. Lang war es her, doch niemals würde er diesen Tag vergessen. Er war draußen gewesen bei seinen Buchweizenfeldern, hatte sie gehegt und gepflegt, denn sie sicherten das Überleben seiner Familie. Es war nicht mehr lange hin bis zur Ernte, dann würden sie alle mit anpacken müssen. Er war der erste hier, dem sie einen Teil des Moores vermessen hatten, einer der ersten Abkömmlinge der früheren Moorkolonisten aber nicht der Erste hier mit einer 2. Natur. Sie lebten auf einem kleinen, bescheidenen Hof. Sie arbeiteten hart und es ging ihnen allen gut, beargwöhnt von den Nachbarn.

      Heilerin war seine Frau, Kräuterfrau. Sie kamen alle her, damit sie ihnen half. Egal ob Schatten auf der Seele oder körperliches Unwohlsein, sie half wo sie konnte. Selbst nach 12 Kindern, von denen drei nur älter als 6 Jahre alt wurden und nur zwei erwachsen, war sie immer noch schön und nicht verbraucht vom Kinderkriegen und harter Arbeit wie andere Frauen ihres Alters. Ihre 2. Natur hatte dazu beigetragen.

      Ihre zwei gebliebenen Söhne halfen beide kräftig mit und so war ihr Leben erträglich. Oft gab er Nachbarn, die in bitterer Armut mit ihren Familien


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