Leefke. Suta Wanji

Leefke - Suta Wanji


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Eimer, Bottiche usw. einzusammeln, nicht, dass uns der Kram nachher um die Ohren fliegt. Ich setz mich schon mal auf den Fendt und hole Silage und Stroh rein. Tabea und Femke können das Grundstück ums Haus kontrollieren. Haben ja Zeit, ist heute kein Reitbetrieb und bei Wind verirren sich auch nicht allzu viele Einsteller hierher!“

      So gingen sie alle ihrer Arbeit nach, begleitet vom Wind, der ihnen gut um die Ohren sauste. Um vierzehn Uhr machte Wübbo Feierabend. Vorher kontrollierte er noch die Unterbringung aller Pferde im Stall, und ob die Stalltüren gut verschlossen waren. Gegen fünfzehn Uhr war der Himmel wolkenverhangen. Dicke, graue Wolken wurden vom Wind über den Himmel gepeitscht. Regen setzte ein und knallte wie ein Trommelfeuer auf die Scheiben. Tabea, Femke und Wilke saßen drinnen bei Kaffee und Kuchen. Sie beschlossen gemeinsam füttern zu gehen, danach alles zu verrammeln und für heute die Halle zu schließen. Draußen wurde der Wind immer heftiger und das Wetter ungenießbarer, es würde auch keiner mehr den Weg zur Halle finden. Die meisten Einsteller hatten sich eh schon telefonisch abgemeldet.

      Gegen achtzehn Uhr war alles erledigt, die Pferde waren gut versorgt und auch die Hunde noch einmal kurz draußen gewesen. Alles war sturmsicher befestigt und so ging man ins Haus, ließ die Jalousien runter, um die Wärme im Haus besser einzufangen. Der Kamin brannte und zumindest im Haus konnte man es gut aushalten. Wilke zog sich nach dem Abendbrot in sein Büro zurück, Tabea und Femke räumten ab und bespickten die Spülmaschine. Danach zogen beide mit einem Glas Rotwein und Knabberzeug aufs Sofa. Der Kamin wurde noch einmal großzügig gefüllt, so dass die Decken schon kurz darauf von den Beinen flogen. Es war brütend heiß in seiner Nähe, aber Femke und Tabea schienen die Hitze aufzusaugen wie ein Schwamm. Der brennende Torf verbreitete den schweren Geruch des Moores und schweigend lauschten beide in die Stille des Hauses, während draußen der Sturm zur Höchstform auflief. Die Jalousien zitterten im Sturm und trotz guter Isolierung waren die Geräusche, die der Sturm verursachte, gut zu vernehmen. Knackende Äste, Zäune, die umknickten und teilweise vom Sturm durch die Gegend geschleudert wurden. Auch Dachpfannen meinten sie auf die Einfahrt knallen zu hören. Der Sturm kam direkt aus dem Moor und schien von Minute zu Minute an Fahrt aufzunehmen. Unerbittlich bearbeitete er die Häuser, Gärten und Zäune, kannte kein Erbarmen mit Autos. Pausenlos schienen Sirenen im Einsatz zu sein, immer wieder verschluckt vom Wind.

      ....multiple Todesfälle....

      Mit dem Wind kam noch etwas anderes aus der Tiefe des Moores. Leefke hatte beschlossen, sie habe den Menschen genug Zeit gelassen, sich in vermeintlicher Sicherheit zu wiegen. So zog sie aus mit dem Wind, Hilflosigkeit und Ohnmacht zu verbreiten, um bei den Menschen ein unerbittliches Gefühl der Angst zu hinterlassen.

      Zuerst zog es sie zu Tabeas Haus. Als sie spürte, dort gab es nichts anzurichten, zog es sie weiter zum Haus von Elfriede und Tamme. Da auch dort nichts anzustellen war, stieg Ärger in ihr hoch. Sie zog zum nächsten Hof, dem Hof von Wiebke und Frieso Heyk en. Dort war Frieso noch damit beschäftigt, die Melkanlage zu reinigen. Durch den Gebrauch des Kärchers spürte er das Unheil, das sich in seinem Rücken anbahnte, nicht. Vor sich hin singend beseitigte er die Hinterlassenschaften seiner Kühe. Der Lärm des Kärchers und der sich bildende Wasserdampf verhalfen Frieso abzutauchen in Tagträumereien. Er freute sich auf sein Sofa, Abendessen mit Frau beim Fernsehen und einen schönen, warmen Grog zum Abschluss des Tages.

      Gedankenverloren registrierte er nicht das absonderliche Benehmen seiner Kühe. Mit weit aufgerissenen Augen, dicht aneinandergedrängt, blökten sie vor dem Ausgang zur Weide. Panik hatte sie ergriffen, obwohl das in dem Nebel kaum wahrzunehmen war. Frieso bekam das nicht mit, wunderte er sich doch gerade über den Temperaturabsturz in den letzten Minuten.

      „Nicht nur Sturm, sondern auch noch bittere Kälte, das braucht doch kein Mensch!“, seufzte er vor sich hin. „Gott sei Dank ist die Hütte überall dicht!“

      Frieso erschrak plötzlich. Zum Laufstall hin lag ein merkwürdiger Geruch in der Luft. Eingehüllt in die dichten Schwaden aus Wasserdampf nahmen die Kühe und die Buchten des Laufstalls unwirkliche Formen an. Sie sahen aus wie bizarre Baumstümpfe im Moor, wenn der Nebel sie umspielte. Er meinte eine seltsame Stimme ihn rufen zu hören.

      “Frieso!“, erklang es aus dem Dunst heraus.

      Beklommenheit machte sich in seinem Inneren breit und ebenso ein flaues Gefühl im Bauch.

      „Spinn nicht rum, Alter!“, schalt er sich. „Mach die Hütte sauber und dann raus hier.“

      Er kärcherte den Rest und beeilte sich, denn die Angst hatte sich wie die nächtliche Finsternis auf den Wasserdampf gelegt und mit jedem Atemzug atmete er mehr davon ein. Er fuhr zusammen, deutlich meinte er warmen Atem in seinem Nacken zu spüren, der sich auf der Haut in Eiskristalle verwandeln zu schien.

      „Hallo Frieso, Leefke ist hier und will dich holen!“

      Er fuhr herum und sah in ein wunderschönes Gesicht, das irgendwie im Nebel um ihn herum glitt. Seine Knie schlackerten und seine Muskeln zitterten.

      „Was zum Teufel ist hier los!“, schrie er, sich um sich selbst drehend. Plötzlich prallte er wie gegen eine Mauer, eine Mauer aus Nebel, die sich langsam auflöste. Ohnmacht und Hilflosigkeit machten sich breit und er fing an zu weinen.

      „Was soll die Scheiße, lasst mich in Ruhe!“

      Ein schauriges Lachen, eiskalt und grausam, ertönte neben ihm und die schöne Frau lächelte ihn an. Er lächelte zurück, um gleich darauf vor Grauen zu verstummen. Langsam veränderte sich das schöne Gesicht. Die Haare standen wie Filz vom Kopf, die Haut fiel in Fetzen vom Gesicht, uraltes, stinkendes Blut spritzte in sein Gesicht.

      Er schrie und schrie, als sich Krallen in seine Eingeweide bohrten und mit einem Ruck seine Gedärme auf den Gang beförderten. Er spürte nicht mehr, wie ihm der Kopf von den Schultern gerissen wurde.

      Leefke lachte und lachte, nahm den Kopf und verließ den Stall, den Rest von Frieso achtlos liegend lassen. Derweil verteilte sich sein Blut im ganzen Melkstall, lief direkt in die Ablaufrinnen und vermischte sich auch mit dem Wasser auf dem Boden, hinterließ überall Spuren um dann im Nichts zu versickern.

      Die Kühe standen immer noch in der Ecke, seltsam verstummt. Im Haus wunderte sich seine Frau inzwischen, aus welchem Grund ihr Mann wohl so lange brauchte. Sie hatte einen harten Tag hinter sich und wollte endlich Feierabend haben. Das Essen war fertig. Nebenan saß ihr Bruder Silas über den Büchern, er bereitete sich auf seine Prüfung als KFZ- Mechatroniker vor.

      „Silas, geh bitte in den Stall und frag Frieso, wie lange er da noch herumhantieren will. Das Essen verkocht!“

      „Mach ich, Wiebke!“, ertönte es aus dem Büro. Silas legte die Bücher an die Seite. „Für heute reicht´s auch“, murmelte er vor sich hin.

      Er verließ das Wohngebäude und betrat den Zwischengang, der Stall und Wohnhaus miteinander verband. Da er keine Geräusche mehr hörte außer dem tosenden Wind draußen, vermutete er, sein Schwager komme ihm jeden Moment entgegen. Er betrat das Stallgebäude und wunderte sich über den merkwürdigen Geruch. Geruch, den er vom Schweineschlachten kannte, viel Feuchtigkeit und Blut.

      Silas rief Frieso, er antwortete nicht, stattdessen eisiges Schweigen, das bei Silas in Kombination mit diesem Geruch eine fragwürdige Leere im Kopf entstehen ließ. Vorsichtig lief er weiter, um kurz darauf festzustellen, dass die Fliesen unter seinen Füßen eine merkwürdige orange Farbe hatten. Er lief weiter und stand plötzlich im Gang zum Laufstall. Vor ihm lag Frieso, enthauptet, die Eingeweide um sich herum verteilt.

      Schreiend lief er zurück ins Haus, konnte aber seine Schwester noch daran hindern in den Stall zu rennen, indem er sie kurzerhand in der Küche einsperrte. Weinend lief er zum Telefon, um die Polizei zu verständigen.

      ...trügerische Sicherheit....

      Reent Saathoff hatte mit Ewald Hayen Dienst, als der Anruf von der Zentrale durchgestellt wurde. Reent nahm den Hörer ab und meldete sich, um gleich darauf zu verstummen. Ewald hörte ihn ein paar Mal brummen und meinte zu sehen, dass sich Reents Gesichtfarbe irgendwie ins schneeweiße veränderte. Reent legte auf


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