Leefke. Suta Wanji

Leefke - Suta Wanji


Скачать книгу

      ....Unmut.…

      Leefke hatte das ganze Geschehen beobachtet und überlegte, wie sie noch möglichst viel Entsetzen verbreiten konnte. Sie spielte sich Friesos Kopf von einer in die andere Hand zu. Das Töten von Frieso hatte sie nicht befriedigt und ihr war nach mehr. Andererseits wollte sie mit Friesos Kopf größtmöglichen Schaden anrichten.

      Sie wusste, dass sich Reent und Ewald in diesem Haus befanden und starrte auf den silberblauen Passat. Sie schwebte um das Fahrzeug herum, aber sie fand keine Lösung für den Kopf. Sie starrte auf die Reithalle und plötzlich wusste sie, was sie tun wollte.

      Nach einer Weile verließen Ewald und Reent das Haus und liefen zum Passat. Schon auf dem Weg dahin stieg ihnen wieder dieser widerliche Geruch nach verbranntem Fleisch in die Nase. Sie schlossen die Tür des Autos, aber auch im Inneren stieg ihnen der Geruch in die Nase, wenn auch nicht so intensiv.

      „Mensch, Ewald, fahr los, ich will nur noch weg hier!“, raunte Reent seinem Kollegen zu, der sich dies nicht zweimal sagen ließ.

      Drinnen im Haus hatten alle auf einmal das Bedürfnis früh ins Bett zu gehen und Wilke bot Tabea an auf dem Sofa zu schlafen und nicht in der Einliegerwohnung. Dankend nahm sie das Angebot an, das alle zu beruhigen schien. Jeder fühlte sich sicherer bei dem Gedanken, nur wenige Meter von Freunden entfernt zu sein.

      .....dunkle Seelen.....

      Der nächste Morgen zeigte das ganze Ausmaß der Zerstörung. Der Sturm hatte ganze Arbeit geleistet. Dumpf lag der Tod ihres Nachbarn über allen Dorfbewohnern. Die Nachricht von seinem Ableben hatte sich rapide herumgesprochen. Niemand wusste etwas Genaues. Stillschweigen herrschte über die Todesursache, so sprachen es die Polizisten mit den Angehörigen ab. Ebenso mit Tabea und ihren Freunden. Jemand brachte in Umlauf, Frieso sei auf den nassen Fliesen ausgerutscht und hatte sich beim Sturz den Kopf eingeschlagen. Irgendwie wollte jeder das bereitwillig glauben. Aber tief im Inneren wussten sie alle, dass irgendetwas Schreckliches vor sich ging und das Dorf und seine Bewohner in den Klauen hielt.

      Tabea und Femke hatten die Nacht auf dem Sofa verbracht. Der Tod ihres Freundes setzte ihnen zu. Die Narben von Tammes grausamen Tod waren noch nicht einmal ansatzweise verheilt und der Tod ihres anderen Freundes riss die alte Wunde wieder auf. Alle waren sich darüber im Klaren, dass merkwürdige Dinge sich anhäuften. Gewaltsamer Tod hatte Einzug gehalten in eine kleine Gemeinde und zutiefst verstörte und angespannte Menschen hinterlassen.

      Die Dorfbewohner waren damit beschäftigt die Straßen und Grundstücke wieder begehbar und befahrbar zu machen. Die Telefone der Versicherungen liefen heiß und so mancher traf Vorbereitungen, den vom Sturm verursachten Schaden zu vergrößern.

      Gebke und Jelde Remmers räumten ebenso auf ihrem Grundstück auf. Der Sturm hatte drei Bäume umgeknickt und die lagen nun übereinander getürmt und versperrten den Weg zum Schweinestall.

      Während Jelde die Kettensäge anwarf, sah er, dass seine Nachbarn an der Reithalle auch aufräumten. Vorsichtig begann er die Äste von den Stämmen zu trennen. Als alter Feuerwehrmann wusste er, plötzlich hochschnellende Äste konnten auch durchaus töten. Gebke unterstützte ihn in seinen Bemühungen, aber zu zweit war das Ganze sehr mühselig.

      Nach zwei Stunden hatte sich auch ihr Sohn Remmer aufgerafft und missmutig begann er seinem Vater zur Hand zu gehen. Er hatte bereits in jungen Jahren angefangen Drogen zu konsumieren. Bereits mit 16 Jahren war er durch schwere Körperverletzungsdelikte und ungezügelte Gewaltbereitschaft aufgefallen. Kaum eine Erziehungsmaßregel erwies sich als tauglich und so war auch irgendwann bei Gebke der Geduldsfaden gerissen. Zwischen ihnen herrschte immer eine höchst aggressive Stimmung.

      An sich war Jelde ein Feigling und ihm fehlte jegliches Einfühlungsvermögen. Gebke und Remmer bekamen das täglich zu spüren. Jelde hatte diesen Charakterzug von seinem Vater geerbt und der von seinem und insgeheim vermutete Gebke, dass die männlichen Remmers schon immer so gewesen waren. Oft sah Gebke, dass Jelde das Leid genoss, das er verursachte. Die Remmersfamilie gehörte zu den Alteingesessenen, die seit hunderten von Jahren hier lebte. Der Hof hatte sich im Laufe der Jahre immer mehr vergrößert und uralte Gerüchte besagten, nicht alles sei rechtmäßig zugeflossen. Und auch jetzt trauerte er nicht um seinen Nachbarn Frieso, sondern dachte darüber nach, wie er sich dessen Hof einverleiben konnte. Wiebke und Silas würden den Hof nicht weiterführen und so dachte er kaltblütig und berechnend darüber nach, wann der richtige Moment sei, die beiden Nachbarn anzusprechen, bevor andere Dorfbewohner Interesse bekunden konnten.

      .....Lebensfeuer....

      In der ersten Februarwoche beschloss Tabea wieder mit ihrem Pferd in ihr eigenes Haus zu ziehen. Trotz Aufbegehrens durch Femke, packte sie ihre Sachen und Wilke fuhr sie mit der Stute und ihren angesammelten Habseligkeiten rüber zum Haus. Er versicherte ihr noch einmal, dass sie jederzeit zurückkommen könne und fuhr dann zur Halle zurück. Tabea versorgte ihr Shire Horse mit Stroh, Heusilage und Wasser. Es war zwar kalt, aber hatte seit Tagen nicht gefroren. Sie war froh, dass sie keine Wassereimer vom Haus zum Stall schleppen musste, sondern die Regentonne am Stall benutzen konnte.

      Während das Wasser in die Eimer lief, schaute sie zum Wald. Es war jetzt knapp sechzehn Uhr und es wurde zunehmend dunkler. Sie ertappte sich bei dem Gedanken, was der Wald wohl verbarg. Unwohlsein beschlich sie und während sie Boxen, – und Stalltüren verschloss, versuchte sie es abzuschütteln. Fröstelnd betrat sie die ans Wohnhaus angrenzende Garage und verriegelte sie von innen.

      Der Kamin hatte bereits wohlige Wärme ins Haus gezaubert. Tabea begann ihre Taschen auszuräumen, füllte die Waschmaschine und begab sich dann mit sich selbst hadernd in die Küche. Alles war sauber von außen, der Tatort gereinigt und nichts erinnerte mehr an den grausigen Vorfall vor ein paar Wochen.

      In Tabea jedoch lebte die Erinnerung weiter und begann sich düster auf ihr Gemüt zu legen. Bevor die Traurigkeit und tiefe Niedergeschlagenheit jedoch vollständig von ihr Besitz ergreifen und in der Tiefe verwurzeln konnten, schüttelte sie sich, um das Lebensfeuer neu zu entfachen. Sie beschloss sich an der Würze eines Glases Retsina zu wärmen und lief in die Küche, um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. Sie stellte das Glas auf dem Beistelltisch neben ihrem Ohrensessel ab und kümmerte sich um den Kamin. Tabea lächelte in die Flammen und genoss die sich um sie hüllende Wärme.

      Sie lief ins Bad und bereitete ein Wacholderbad zu. Eine viertel Stunde später lag sie bewaffnet mit Wein bei Kerzenschein in der Wanne und begrüßte die sich wieder bemerkbar machenden Lebensgeister. Während sie die herbe Würze des Weines genoss, lauschte sie der im Hintergrund laufenden CD. Das Londoner Symphony Orchester spielte Werke von Frederic Chopin.

      Nach 30 min in der Schwere des Wacholderbades trocknete sie sich ab und zog Hinni, Strickjacke und Stricksocken an. Wider Erwarten begab sie sich jedoch nicht in den Ohrensessel, sondern an ihren Schreibtisch im Arbeitszimmer, das durch die Doppelflügeltür vom Wohnzimmer getrennt war. Die Wärme des Kamins hatte sich auch hier ausgebreitet. Der riesige ovale alte Esszimmertisch ihrer letzten Pflegeeltern stand direkt vor dem Fenster und diente als Schreibtisch. Sie konnte von hier aus direkt durch den Garten über die Wiesen zum angrenzenden Wald schauen.

      Noch einmal wurde ihr klar, dass sie zurück ins Leben musste, sie brauchte ihre Arbeit und sie wollte dabei sein, wenn die Morde an ihren Freunden aufgeklärt wurden…falls das überhaupt möglich war. Sie nahm einen großen Schluck Retsina und begann eine to - do Liste zu erstellen, anhand der sie in die Fülle des Lebens zurückkehren wollte. Im Hintergrund löste Richard Strauß Chopin ab und Beethoven diesen.

      Nach 2 Stunden begab sie sich entspannt und zuversichtlich ins Bett und fiel in einen erholsamen Schlaf. Draußen war es stockfinster und so entging ihr die Gestalt im Garten, die unter den Obstbäumen stand und sie die ganze Zeit sehnsuchtsvoll beobachtete.

      Um kurz nach sechs Uhr wurde sie wach und entfachte das Feuer im Kamin neu. Draußen war es dunkel und diesig. Feuchte Nebel lagen drückend in der Luft. Sie kuschelte sich in Decken im Ohrensessel und genoss


Скачать книгу