Rising Skye (Bd. 2). Lina Frisch

Rising Skye (Bd. 2) - Lina Frisch


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      Das Geräusch von splitterndem Glas lässt mich herumfahren. »Skye!«

      Ich stürze zurück, die Straße entlang, renne durch das offene Tor und die Eingangstür in den Flur, wo mir eine Welle von Hitze entgegenschlägt.

       Skye! Bitte nicht …

      Dicker, beißender Rauch verpestet die Luft, und meine Augen beginnen zu tränen, als ich mich in Angelas Wohnzimmer kämpfe. Es steht in grellen Flammen.

      Nein.

       Nein!

      Ich kann Skye nicht verlieren. Ich kann nicht zulassen, dass die Kristallisierer mir auch noch sie nehmen!

       Wo bist du?

      Verzweifelt versuche ich, durch den dichten Rauch etwas zu erkennen. Ich wische mir die Tränen aus den Augen. Da liegt sie, auf dem Rücken. Umringt von Feuer, das sich unaufhaltsam durch den Teppich frisst. Ich stürze an der brennenden Couch vorbei und hebe Skye hoch. McCartys Bericht fällt aus ihrer Tasche und fängt augenblicklich Feuer. Benzin, denke ich mit zusammengebissenen Zähnen. Jemand hat hier Benzin ausgeschüttet!

      Skye rührt sich nicht. Ich schirme sie mit meinem Körper vor den Flammen ab und entdecke eine Balkontür in unserem Rücken. Ich ziehe mein Shirt hoch, presse es über Nase und Mund, und haste mit Skye in den Armen durch das Zimmer, während sich die hohen Pieptöne der Rauchmelder in meinen Ohren mit dem Knistern der Flammenhölle vermischen. Ich reiße die Tür auf, stürze auf den Balkon und schaffe es, uns beide über die niedrige Brüstung auf den Parkplatz hinunterzuhieven.

      Erst hinter dem nächsten Wohnblock bleibe ich im Schatten einer Toreinfahrt stehen. Vorsichtig lege ich Skye auf dem Asphalt ab.

      »Bitte, Skye«, flüstere ich. Angsterfüllt lehne ich meine Stirn an ihre. Du weißt es nicht, aber ich liebe dich mehr als alles andere auf dieser Welt.

      Eine Hand greift nach meiner, und mein Herz stolpert, als kornblumenblaue Augen zu mir aufblicken. Skye atmet rasselnd. »Wo ist –« Sie dreht den Kopf zur Seite und hustet. »Wo ist das Diktiergerät?«

      Ich taste nach ihrer Jackentasche, doch Skye schüttelt den Kopf, langsam und mit schmerzverzerrtem Gesicht. »Es war in meiner Hand! Ich muss es fallen gelassen haben.« Sie will sich aufsetzen und stöhnt.

      »Es ist hier«, lüge ich hastig.

      Skye lässt sich erleichtert zurück in meine Arme sinken.

      »Dann haben wir es fast geschafft«, flüstert sie.

      »Ja.« Eine dumpfe Verzweiflung breitet sich in mir aus. »Fast.«

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      Skyes Augenlider flattern, als ich sie auf den Rücksitz des Cadillacs hebe. Das Schloss war ein Kinderspiel, wie immer bei alten Autos. Ich lächle, so aufmunternd ich kann, obwohl mir noch nie in meinem Leben so wenig danach zumute war. Behutsam streiche ich über ihren Arm, aus dem ich geistesgegenwärtig die Splitter gezogen habe. Sie müssen von dem Laptop stammen. Von der Bombe. Meine Kehle schnürt sich zu, als ich zurücksehe, die Straße hinunter, wo sich nun schwarze Rauchwolken über dem Wohnkomplex bilden. Das Diktiergerät ist zerstört, genau wie der Bericht von McCarty. Unsere Beweise für die Existenz von ReNatura – für immer fort. Aber darum werde ich mich später kümmern müssen. Die Kristallisierer sind bereit, uns zu töten. Wir müssen von hier verschwinden.

      »Kannst du mich hören, Skye?«

      »Mir ist schwindelig«, sagt sie gepresst. »Ich krieg keine Luft!«

      »Alles wird gut«, behaupte ich lahm. Was tut man gegen eine Rauchvergiftung? Das Einzige, was mir einfällt, ist, die Fenster des Cadillacs herunterzukurbeln, damit Skye mehr Sauerstoff bekommt. »Ich habe einen Plan, okay? Aber du musst durchhalten.«

      Skyes Hand liegt auf ihrer Brust, wandert zu ihrem Hals, als würde sie den Fehler suchen. »Warum … keine Luft …«

      Ich beobachte besorgt den Rhythmus, in dem Skyes Brust sich viel zu schnell hebt und senkt.

      »Du atmest. Es ist alles in Ordnung, hier ist kein Rauch mehr. Du wirst nicht ersticken, okay?«

      Skyes Kopf sackt zur Seite weg, und mir wird klar, dass sie das Bewusstsein verloren hat. Beeil dich, Idiot!

      Mit fahrigen Fingern schließe ich den Motor kurz und stoße einen erleichterten Laut aus, als das alte Ding aufbrummt. Ich lege den Gang ein und fahre los. Nervös schalte ich das Radio ein und suche einen Sender. Fahnden sie nach uns? Der Empfang wird klarer.

       »Es sind nur noch knappe drei Wochen bis zum Kristallfest am ersten Juli und ganz New York trifft fieberhafte Vorbereitungen für die Parade. Schließlich haben die Gläsernen Nationen in diesem Jahr mehr zu feiern als je zuvor! Ich stehe gemeinsam mit Regierungssprecher Edward McCarty vor der Administration. Herr Regierungssprecher, welche Meilensteine hat die Kristall-Administration in diesem Jahr erreicht?«

       »Seit Kurzem schießen die Kristallisierungsraten unter Erwachsenen in die Höhe. Wir reden bereits in drei Viertel aller Bezirke von Vollkristallisierung und erwarten dieses Ergebnis bald in den gesamten Nationen.«

      Kein Wunder, wenn die Bereitschaft der Eltern, sich einem Trait zuzuordnen, die Bildungschancen ihrer Kinder bedingt, denke ich bitter.

       »Der Kristall ist sehr bewegt von dieser Welle der Überzeugung, jährt sich doch neben dem Kristallfest auch der große Skandal in wenigen Tagen …«

      Erleichtert schalte ich das Radio aus. Keine Meldung über zwei gesuchte Verräter. Stattdessen werden sie jetzt wieder den Tod der Studierenden breittreten, die schreckliche Schießerei und die impulsiven Befehle einer Ministerin, die für all das verantwortlich sind. Sie werden uns vorbeten, wie glücklich wir uns schätzen können, weil die neue Ordnung uns vor derartigen Katastrophen schützt. Und wieder einmal werden sie das Loblied anstimmen auf Chloe Cremonte, die Tochter eben jener unbeherrschten Ministerin. Chloe Cremonte, die uns die Traits geschenkt hat, die Einteilung der Menschen in Rationale und Emotionale … und noch so viel mehr. Aber davon wissen nur Skye und ich. Noch.

      Ich gebe Gas, wütend auf die Show und die Menschen, die sich zu wohlfühlen, um irgendetwas zu hinterfragen. Laut der Uhr am Armaturenbrett ist schon mehr als eine Stunde vergangen. In den Seaview Hills werden die Bluthunde der Regierung Angelas Wohnung mittlerweile nach unseren Leichen durchsucht haben. Ich umklammere das Lenkrad fester. Die Kristallisierer werden nichts unversucht lassen, um uns zu finden. Und sie sind nicht die Einzigen, vor denen ich Skye beschützen muss.

      Ich folge den Schildern und fahre auf den Highway. Es gibt einen Ort in den Gläsernen Nationen, über den die Kristallisierer keine Macht haben. Auf dem Rücksitz beginnt Skyes bewusstloser Körper, unkontrolliert nach Luft zu schnappen.

      »Halt durch!« Der Motor heult auf, als ich das Gaspedal durchtrete. Die Reservate sind selbstverwaltete Gebiete, dort werden Cremontes Ordnungswahrer uns nicht finden. Ich muss Las Almas erreichen, bevor es zu spät ist.

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      Eine glühende Sonne brennt auf die Pinien am Straßenrand herab, als ich die Fahrertür des Cadillacs aufstoße und aus dem Wagen springe. Fast wünsche ich mir den stürmischen Wind der Küste zurück.

      »Wir haben es bald geschafft«, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, als ich Skye vom Rücksitz hebe.

      Ausgerechnet so kurz vor dem Ziel musste mir das verdammte Benzin ausgehen! Mit Skye in meinen Armen klettere ich über die Leitplanke auf einen verlassenen Feldweg. Ängstlich mustere


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