Das Tartarus-Projekt. Gerd Schilddorfer

Das Tartarus-Projekt - Gerd Schilddorfer


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zünde iche die letzte Raketa per te, bella“, feixte Luigi doppeldeutig, bevor er in Richtung Küche entschwand.

      „Warum keine Quattro Stagioni?“, wunderte sich Landorff.

      „Weil du mir dann mit vollem Magen bei unserem Meeting wegschlummerst“, konterte Melissa. „Und das wird richtungweisend und entscheidend für deine zukünftige literarische Karriere. Also jetzt Pizza oder später Kaviar?“

      „Ich mag keinen Kaviar“, brummte er. „Kannst du an die Geissens verschenken.“

      „Hummer? Weinbergschnecken? Wachtelbrust? Fasan im Speckhemd? Austern? Loup de mer?“, versuchte es Melissa mit hochgezogenen Augenbrauen.

      „Igitt!“ Landorff schüttelte sich bei der Vorstellung des Menüs.

      „Hoffnungsloser Fall“, winkte seine Agentin ab. Doch in diesem Augenblick kamen die Carpaccios und Landorff ertränkte seinen Kummer über die versäumte Pizza in San Pellegrino.

       4. Die Konferenz

      Die Runde, die sich im kleinen Sitzungssaal der Agentur zusammengefunden hatte, war übersichtlich. Das obere Ende des spiegelblanken, endlos erscheinenden Besprechungstisches reichte für vier völlig aus. Landorff wollte nicht wissen, wie der große Sitzungssaal aussah. Wahrscheinlich hatte er Ähnlichkeit mit einem überdachten Minigolfplatz.

      Die vier in der Runde waren Melissa, voller Tatendrang und aufgedreht wie ein Duracell-Häschen auf Speed, Petra die Lebenslauf-Fälscherin, die unentwegt etwas auf einen Notizblock kritzelte, wenn sie nicht gerade ihre E-Mails checkte oder hektisch SMS tippte, ein kleiner, magerer junger Mann mit scheuem Blick und rosa Schal, der ein Apple MacBook Air mit Hello Kitty-Aufklebern hypnotisierte, und Michael Landorff, der sich irgendwie deplatziert vorkam.

      Während seine neue Agentin noch ein „letztes Gespräch“ am Telefon mit einem prominenten Konzertveranstalter führte, Petra mit spitzem Nagel wie ein Specht auf das Display ihres Smartphones hämmerte und der junge Mann, der sich mit „Karim, angenehm“ vorgestellt hatte und danach vor seinem Laptop langsam in eine Art verzückter Trance geraten war, schaute Landorff aus dem Fenster. Hinter den Baumwipfeln grüßte der Chinesische Turm herüber. An seinem Fuß wartete der bekanntlich zweitgrößte Biergarten Münchens auf Gäste und Landorff wäre lieber dort gesessen, vor einer kühlen Maß und ein paar Nürnberger Bratwürsten.

      Während Melissa begeistert etwas von einer „ausverkauften Waldbühne“ tirilierte und von einer „Tournee durch Österreich und die Schweiz“ schwärmte, überlegte er, ob sie gerade Heino samt Roadies, Bühne, Ledermantel und Sonnenbrillenkollektion an den Meistbietenden versteigerte.

      Petra, die auch als Mittelseiten-Puzzle von Bravo die Träume pubertierender Pickelbekämpfer anheizen könnte, schlug gedankenverloren ihre Beine übereinander und brachte Landorff damit etwas aus dem Konzept. „Na gut, vielleicht bleibe ich ja noch ein bisschen“, dachte er im Stillen, der Biergarten wartet sicher noch.

      Karim, der in seinen Apple hineinzukriechen schien, war geistig völlig weggetreten und starrte fasziniert auf den Schirm. Landorff wartete jeden Moment darauf, dass er zu sabbern begann. Waren Pornoseiten hier im Firmennetzwerk freigeschaltet? Als eine Art besondere Motivation für die Mitarbeiter? Neugierig stand Landorff auf, schlenderte zur Fensterfront und blickte alibihalber kurz hinaus auf die Wipfel der Bäume. Dann drehte er sich um, warf einen Blick auf das Apple-Display und sah – ganz normale Zeilen auf weißem Hintergrund.

      Karim war am Lesen!

      In Gedanken entschuldigte er sich bei ihm für seine schmutzige Fantasie und versuchte gleichzeitig, ihm unauffällig über die Schulter zu schauen. Den Text kenne ich doch, dachte er sich.

      Karim liest meinen neuesten Thriller!

      Landorff unterdrückte im letzten Moment die Regung, Karim um den Hals zu fallen. Angesichts des rosa Schals vielleicht doch keine so gute Idee, könnte falsch verstanden werden, war aber trotzdem herzerwärmend, dachte er ehrlich gerührt.

      Melissa legte mit triumphierendem Blick ihr Smartphone auf den Tisch zurück und rieb sich die Hände. „So, Tournee und Pressetermine sind eingetütet“, freute sie sich. „Wo waren wir stehen geblieben?“

      „Wir wollten gerade beginnen, die richtige Strategie für Monsieur de Gilles auszuarbeiten“, kam Petra ihr zu Hilfe und schickte stirnrunzelnd eine letzte SMS auf die Reise.

      „Richtig, wir brauchen eine Strategie, die alle vom Hocker haut und unseren geheimnisvollen Franzosen aus der Auvergne zum Tagesgespräch macht“, nickte Melissa, schlug ihre Mappe auf und raschelte mit den Unterlagen. „Den Punkt Bekleidung können wir abhaken, das haben wir bereits erledigt.“ Sie blickte Landorff forschend an. „Ab morgen hältst du dich an die Kleiderordnung, ich sorge für die Fotografen, die deinen Weg säumen. Karim?“

      Landorffs Fan war so in die Zeilen vertieft, dass er offenbar den Ruf zur Ordnung überhört hatte.

      „Punkt für mich“, murmelte Landorff überlegen und Melissa sah ihn fragend an.

      Mit einem „Bin schon wieder da!“ tauchte in diesem Moment Karim hinter dem Schirm auf und lächelte schüchtern. „Sorry, aber das Buch ist richtig gut …“

      „Du liest Landorff?“, erkundigte sich Petra interessiert mit hochgezogenen Augenbrauen, während sie sich mit ihren Ellenbogen auf die Tischplatte aufstützte und den Autor anstrahlte.

      „Muss ja wissen, was Sache ist“, kommentierte Karim trocken und lächelte Melissa schüchtern an. „Ich habe ihn schon mal am Freitag bei dem Irischen Abend im ‚Shamrock‘ auf die Gästeliste setzen lassen.“

      „Ich hasse Ale und ähnliche Gesöffe“, versuchte Landorff einen Einwand, den Melissa mit „Aber der Bürgermeister ist ebenfalls da und darauf kommt es an“ abschmetterte. „Wir schicken dich schon zu keiner Hinterwäldler-Veranstaltung, wenn es nicht der Sache dient. Wenn auf deinem Terminplan also die Krönung der Saumagen-Prinzessin oder die Wahl des besten Rock ’n’ Roll-Tänzers aus Papenburg aufscheint, vertrau mir einfach.“

      „Genau das fällt mir schwer“, murmelte Landorff und verzog das Gesicht in kaum unterdrückter Vorfreude auf irische Volkstänze, warmes Bier und gegrillte Hammelhoden.

      „Dein Händedruck mit dem Bürgermeister wird es deshalb auf alle Society-Seiten schaffen, weil sonst nichts und niemand da ist, der dir Konkurrenz machen kann“, seufzte Melissa und ihr belehrender Tonfall raubte Landorff die letzten Nerven. „Du stehst auf der untersten Stufe der Bekanntheitsleiter. Wir können dich nicht gegen Uschi Glas oder Udo Lindenberg antreten lassen. Aber der irische Abend ist ein guter Einstieg.“

      „Weil kein Promi da ist“, räsonierte Landorff lakonisch.

      „Weil der Bürgermeister da ist, neben einigen betrunkenen Iren, die Volkslieder schmettern, Unmengen von Bier in sich hineinschütten werden und nichts für die Klatschpresse hergeben“, fuhr Melissa unbewegt fort. „Aber der geheimnisvolle französische Schriftsteller, der im Sinne der Völkerverständigung auch irischen Festen einen Besuch abstattet und geheimnisvolle Andeutungen zu seinem neuen, sensationellen Buch macht …“ Melissa ließ das Ende des Satzes in der Luft hängen.

      „Ach ja?“, wunderte sich Landorff unverhohlen. „Hat mein neues, sensationelles Buch etwas mit Irland zu tun?“

      Mit einer großzügigen Geste wischte Melissa die Frage vom Tisch. „Der Bürgermeister wird hoch erfreut sein, mit einem gebildeten und belesenen Literaten zu plaudern. Weiche ihm einfach nicht von der Seite, Wayne wird da sein und im entscheidenden Moment auf den Auslöser drücken. Flüstere dem Bürgermeister etwas ins Ohr, lächle verschwörerisch oder lege ihm die Hand auf die Schulter, das kommt immer gut an.“

      „Und was, bitteschön“, seufzte Landorff ratlos, „was soll ich ihm ins Ohr flüstern? Ich kenne diesen Dieter Reiter nicht. Und Rot wähle ich schon gar nicht.“

      „Wen genau interessiert das?“, schnappte


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