Das Korn rauscht. Friedrich Griese

Das Korn rauscht - Friedrich Griese


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nicht gar, der Hof unordentlich gewesen.

      Und eines Tages ist wieder ein Freund bei ihm und gibt ihm abermals den Rat: „Hans, ändere deine Wirtschaft.“

      Und Hans Rohwedder antwortet ganz verständig: „Ja, es muß anders werden, Klaus.“

      „Zum Heiraten ist es wohl zu spät, Hans?“

      „Ja, Klaus, zum Heiraten ist es zu spät.“

      „Eine Wirtschafterin, Hans? Eine tüchtige?“

      „Ja, eine Wirtschafterin, Klaus, eine, die schon in guten Jahren und nicht mehr so springig ist.“

      Und so werden Hans und Klaus sich beide einig: Hans will eine Wirtschafterin nehmen. Aber sie muß schon in gesetztem Alter und von verständigem Sinn sein. Blond darf sie nicht sein. Und zuviel Haar soll sie auch nicht auf dem Kopf haben. Denn Hans hat genug Mädchen in seinem Haus gehabt, die sehr viel Krauses auf dem Kopf und viel mehr Krauses darin hatten. Und darunter ist manche gewesen, die Hans Rohwedder heftige Anfechtungen gebracht hat. Aber sie haben es nie gemerkt, und Hans hat es nicht sagen können. Und als er doch einmal in einer Sommernacht vor der Kammertür gestanden und hineingewollt hat, da ist sein Knecht schon darin gewesen.

      Das also und jegliche Anfechtung soll vermieden werden. Und weil Hans sich nicht getraut, die Rechte finden zu können, soll Klaus sich auf die Suche begeben; denn Klaus, das weiß Hans, Klaus – nun, Hans lächelt ein kleines und saures Lächeln dazu, Klaus, das ist der Mann zu einem solchen Geschäft.

      Nach acht Tagen ist Klaus wieder da. Er hat eine gefunden. Am vierundzwanzigsten Oktober, dem Ziehtag für die Dienstboten, kann sie geholt werden. Er beschreibt sie. Er redet Hans die letzte Angst aus dem Herzen hinaus. Hans wird sie als seine Wirtschafterin annehmen. Hans wird endlich seine Ruhe haben. Und Hans wird sie selber holen.

      Am Ziehtag macht Hans Rohwedder den Wagen fertig. Er sieht selber nach allem. Er legt den beiden Braunen das beste Geschirr auf. Er fährt ab.

      Nebel liegt auf allen Feldern. Zuweilen kriecht eine ganz erbärmliche und elende Angst zu ihm auf den Wagen.

      Drei Stunden muß er fahren. Da ist er in dem Dorf. Klaus hat ihm den Hof genau beschrieben, er findet ihn.

      Draußen am Hoftor hält er an, steigt ab, strängt die Pferde los und geht durch die Einfahrt auf den Hof. Als er um die Ecke biegt, steht sie vor ihm. Und Hans fährt zusammen, daß seine Knie einknicken, und er muß denken: Der Fall!

      Wahrhaftig: Das ist der Fall!

      So steht sie vor ihm: mittelgroß, in den Hüften breit, an den Füßen neue lederne Pantoffeln, eine blaugewürfelte Schürze über blauem Rock. Aus kurzen Ärmeln sehen dicke, kräftige Arme hervor. Die Backen hängen, das Kinn ist dick und kurz, die Wangen zeigen ein braunes Rot. Und die Haare? Nun, sie sind schwarz, sie sind glatt an den Kopf gelegt, und sie sind hinten in einem kleinen und spitzen Knoten zusammengefaßt. So steht sie vor ihm, und so kommt sie auf ihn zu: langsam, sicher, zielstrebig. Und sie sagt: „ Du kommst spät, Hans; ich hab’ schon warten müssen.“

      Ja, so ist sie. Sie nennt ihn Du und Hans, und sie sagt, daß er sie hat warten lassen.

      Hans Rohwedder, der in seinem Alter allmählich nicht mehr an den Fall hat glauben mögen, sieht, daß er hier vor ihm steht. Er antwortet nichts, dreht um und geht langsam zu seinem Wagen zurück. Er strängt die Pferde wieder an; aber als er von rechts auf den Wagen steigt, setzt sie auf der linken Seite den Fuß ins Rad und sitzt schon, als Hans sich auf dem Strohsitz zurechtrückt.

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       Weite Landschaft

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      Mußte es nicht so kommen? Wenn er auch vom Wagen springen und feldein laufen wird, sie wird ruhig weiterfahren und wird ihm dabei nachrufen: „Ich fahr’ schon voraus, Hans.“

      Nach drei Stunden, während deren keiner ein Wort gesagt hat, fragt sie ihn und deutet dabei nach vorn: „Ist das unser Hof?“

      Und er sagt: „Ja, das ist unser Hof.“

      Da nimmt sie ihm die Leine ab, damit er die Hände frei hat: „Nun zeig‘ mir mal ordentlich, was alles unser Acker ist.“

      Und er zeigt ihr alles und vergißt sogar den Rabenschlag, das Steinfeld am Waldrande, dabei nicht.

      „Du bist vorhin schnell wieder umgekehrt, Hans“, sagt sie nun.

      Er nickt; und das soll heißen: ja, das bin ich zwar; aber es hatte keinen Zweck mehr. Du bist der Fall. Es war Vorbestimmung. Ich hab’s gewußt. Und nun, da ich es halb nicht mehr glaubte und wußte, nun kamst du. Und so mußtest du aussehen, so mußtest du sein; es ging gar nicht anders. Wenn ich an die blonden Krausköpfe dachte, war ich auf falscher Fährte.

      „Meine Kommode ist dageblieben. Wir müssen sie holen. Wir fahren in ein paar Wochen beide. Wir fahren dann gleich beim Pastor vor und bestellen das Aufgebot.“

      Und Hans nickt.

      So fahren sie auf den Hof.

      BESUCH AM ABEND

      Nah über ihnen schweben die Schatten, und niedrig hangen die Früchte nieder.

      (Spruch aus dem Koran)

      „Hans, sett den Kasten trecht, Jörn kümmt all üm de Eck“, sagte die alte Ursch Harder zu ihrem Manne, der am Ofen saß und rauchte.

      Dort, wo der Fahrweg auf Niemanns Hof geht, stehen Heinrich Topp und Wilhelm Lorenz. Sie sehen Jürgen Helwig mit langen, steifen Schritten um die Ecke biegen auf Hans Harders Hofstelle zu und lachen.

      „Paß auf, nu kommt der dritte von den Adebars auch gleich“, sagt Wilhelm Lorenz. Und sie haben recht. Denn als eben Jörn Helwig in der Tür verschwunden ist, kommt Johann Peters und geht auch auf Hans Harders Hof.

      „Nu sind sie alle drei zusammen, die Adebars, nu kann das Klappern losgehn“, lacht Wilhelm Lorenz wieder.

      Es muß gesagt werden, daß nicht nur Heinrich Topp und Wilhelm Lorenz über die drei Adebars, wie man sie im Dorf nennt, lachen, sondern daß alle von den Höfen, Bauern und Knechte und vor allem die Weiberleute, ein lustiges Gesicht machen, wenn sie Hans Harder, Jörn Helwig und Johann Peters beieinander sehen. Denn es geht von den Dreien die Sage, daß sie an den Abenden, an denen sie zusammenkommen, auf einem Bein stehen wie die Störche und daß sie alle halbe Stunde den Mund auftun und ja oder nein sagen. Darum nennt man sie die Adebars, so heißen bei uns da oben die Störche. – Heute lebt keiner mehr von ihnen. Wer sie kannte, mag einen Augenblick an sie denken.

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      „Hans, nu müßt upstahn, Jörn kümmt all aewer den Hof“, sagt Ursch Harder zu ihrem Hans.

      Jeden Abend, an dem ihn seine Freunde besuchen, muß die alte Ursch ihren Hans zweimal nötigen, den Tabakskasten zurechtzustellen. Und an jedem Abend muß sie es zuletzt doch selber tun.

      Ursch ist kurz und dick und watschelt mit unförmig breiten Hüften wie eine fett genudelte Gans. Und das wird immer schlimmer, je älter sie wird. Sie fließt auseinander wie dünn geratener Brotteig. Und man muß sich wundern, daß die Schürzenbänder nicht reißen. Aber das ist in ihrer Familie von Mutterseite her erblich, und Ursch hat sich nur in den ersten Jahren Sorge darüber gemacht. Jetzt trägt sie ihre Leibesfülle schon lange Jahre, wenn auch mit Beschwerde, so doch ruhig und ergeben. Zuweilen, wenn Hans Harder sich der Zeit erinnert, als er noch zu losen Streichen aufgelegt war, piekst er sie mit spitzem Zeigefinger und lächelt mit trockensaurem Gesicht einen Mundvoll dazu. Aber die alte Ursch haut ihm dann scharf eins auf die knochendürre Hand und sagt – nein, was sie sagt, kann aus verschiedenen Gründen nicht wiederholt werden.

      Nun geht die Tür. Jürgen Helwig ist da und sagt: „’n


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