Jäger der Finsternis. Rhya Wulf
zurückgeschleudert.
Zur gleichen Zeit griff Áed von links an und Artair von rechts. Der Zauberer trat einen schnellen Schritt zurück und brachte die zwei so vor sich. Beide Klingen fuhren ins Leere. Aber gleich darauf war Ailean auch schon wieder herangekommen. Ja, sie waren schnell, sogar noch schneller als Gwrachs. Und natürlich klüger. Allerdings hatten sie eine sehr klare Schwäche und die galt es auszunutzen:
Sie waren sich zu sicher.
Artair stieß eben mit dem Schwert nach Cathbad und hätte ihn getroffen, wenn der nicht die Klinge mit dem Stab im letzten Moment abgewehrt hätte. Den Schwung der Bewegung ausnutzend, wirbelte er den Stab einmal über den Kopf und anstatt ihn auf Artair niederschnellen zu lassen, traf er auf Áed, der gerade noch sein Schwert heben konnte. Doch die Wucht des Hiebes ließ ihn zitternd in die Knie gehen. Der Zauberer nutzte den Moment und verabreichte dem Elfen einen kräftigen Tritt gegen den Kopf. Áed stöhnte auf und sackte zusammen. Ailean und Artair wechselten einen wütenden, aber auch überraschten Blick. Und wie Raubtieren begannen sie, den Zauberer mit gezückten Waffen zu umkreisen, verwirrt darüber, wie es möglich sein konnte, dass dieser Mann trotz seines erbärmlichen Zustandes so kämpfen konnte. Der Zauberer, der ihre Gesichtsausdrücke richtig gedeutet hatte, lächelte spöttisch.
In der Tat. Ich kann es nicht leiden, unterschätzt zu werden. Typisch Elf.
Gut, dass sie nicht alle so sind. (Aengus)
In der Tat.
In diesem Augenblick hatte Ailean eine Entscheidung getroffen. Und mit einem gewaltigen Satz sprang er hoch und fuhr mit der Klinge voran auf den Zauberer nieder, während Artair aus seiner geduckten Haltung heraus angriff. Cathbad parierte zuerst den Hieb Artairs und dann geschah etwas, womit die beiden Elfen nicht gerechnet hatten. Der Zauberer ließ beide Waffen fallen, trat einen Schritt zur Seite und fing den verblüfften Ailean ab und pflückte ihn regelrecht aus der Luft. Ailean versuchte, sich dem Griff zu entwinden, und er war stark, aber es nützte nichts; ebenso gut hätte er versuchen können, sich aus einem Schraubstock zu befreien. Immerhin gelang ihm aber Folgendes: Mit der linken Hand zog er blitzschnell einen schlanken Dolch aus einem Futteral auf seinem Rücken und rammte das Ding Cathbad direkt in die Brust, dorthin, wo sich das Herz befand. Was ihm allerdings nicht viel zu nutzen schien, denn der Zauberer ignorierte ihn nicht nur vollkommen, sondern schleuderte ihn mit aller verbliebenen Kraft gegen Artair. Beide schrien auf und Ailean rollte sogar noch ein paar Überschläge durch den Wald, und erst ein Baum, der dort vorher nicht gestanden hatte, bremste seine Fahrt, als er mit aller Macht dagegen prallte. Der Zauberer atmete tief durch und musterte die Elfen schnell. Zu seiner Zufriedenheit schien keiner mehr gewillt zu sein, den Kampf fortzuführen. Dann schien ihm etwas einzufallen und er blickte an sich herab.
Sieh mal an. Er hat sogar das Herz erwischt. Nicht tief. Immerhin. Und doch: Verdammt.
Dian Cecht war genervt und gallig:
Ja: Verdammt. Und falls es deiner Aufmerksamkeit entgangen sein sollte: Dein Herz beginnt, zu einem Problem zu werden. Ich warte auf euch in deinem Haus.
Seinerseits genervt zog der Zauberer den Dolch aus seiner Brust und warf ihn Ailean entgegen. Die Waffe landete zitternd direkt neben Aileans rechter Hand im Boden.
„Das gehört dir. So und nachdem das hier nun geklärt wäre: Haut ab. Und falls ihr plant zurückzukehren, so rate ich euch, denkt lieber noch einmal darüber nach und lasst es bleiben.“
Artair hatte sich aufgerappelt und sich den bewusstlosen Áed über die Schulter gelegt. Ailean zog sich am Baum empor und starrte den Zauberer hasserfüllt an.
„Das hier ist noch nicht vorbei, alter Mann“, zischte er voller Wut.
Der Zauberer lächelte schwach.
„Vermutlich nicht. Aber das ist es ohnehin nie. Und ob ihr nun meine Gegner seid oder irgendwelche stinkenden Steinriesen oder Gwrachs - mir ist es gleich.“
Aileans Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Elfen waren sehr stolz und daher gefiel es ihnen ganz und gar nicht, mit Riesen und Gwrachs gleichgesetzt zu werden. Und das galt gerade und im besonderen Maße für Lichtelfen, die sie nun einmal waren.
„Seid vorsichtig, Zauberer“, sagte Ailean leise. „Jetzt habt Ihr gewonnen, aber das nächste Mal werden wir besser vorbereitet sein. Und Ihr solltet Euch vor Áeds Vergeltung fürchten…“ Der Elf brach ab und lächelte bei diesem Gedanken.
Cathbad musterte ihn müde und nickte.
„Wie auch immer.“
Die zwei Elfen drehten sich um und gingen weg. In dem Moment, als sie den ersten Schritt ausgeführt hatten, waren sie verschwunden. Der Zauberer drehte sich zu Fearghas und Aíne um. Die hatten den Kampf mit einer Mischung aus fasziniertem Entsetzen und Verwirrung verfolgt.
„Ist es vorbei?“, fragte Fearghas hastig. „Ich meine, was wird denn jetzt?“
Der Zauberer trat neben das Pferd und klopfte ihm den Hals, was das Tier mit einem freundlichen Schnauben quittierte. Er musste den Kopf nicht heben, um Fearghas ins Gesicht sehen zu können.
„Warum seid ihr beide entgegen meinem Befehl noch hier und nicht schon längst weitergeritten?“
„Bitte, Herr“, warf Aíne ein, „darf ich antworten?“ Und bevor der Zauberer zu einer Erwiderung ansetzen konnte, sagte sie schnell:
„Erstens: Irgendetwas stimmt mit Euch nicht. Zweitens: Ihr seid betrunken und drittens nun auch noch verwundet. Euch hier einfach so allein zu lassen…nein, nein, das kommt nicht in Frage.“ Sie hatte ihre Rede kaum beendet, da begann die Kleine in ihrem Arm, leise zu weinen, was alle dazu veranlasste, zeitgleich das Kind anzusehen.
„Schon gut“, flüsterte Aíne, die sofort verstand und das kleine Mädchen an sich drückte, „ich habe es gar nicht so gemeint, er wird schon wieder, versprochen. Das ist immer so.“
Und da hörte das Kind auf zu weinen und lächelte. Wieder klatschte es in die Hände und strahlte die Erwachsenen, die sie – zumindest zwei davon - verwirrt musterten, abwechselnd an. Allein die Fee bemerkte, dass der strahlende Blick der Kleinen für einen winzigen Moment länger an Cathbad hängen blieb. Der wiederum sah so perplex aus, dass die Fee lächeln musste. Dann war dieser magische Moment aber auch schon vorüber und der Zauberer brummte:
„In der Tat. Und doch ist keiner dieser Gründe einleuchtend genug, um einem direkten Befehl von mir zu widersprechen. Aber gut. Belassen wir es dabei. Das letzte, was ich jetzt noch gebrauchen kann, sind fruchtlose Diskussionen. Verstanden?“ Aíne war zwar nicht dieser Meinung, aber sie wusste auch, wann es besser wäre, sich geschlagen zu geben.
„Ja, Herr“, sagte sie und senkte den Kopf.
„Schön…“, knurrte der alte Mann gereizt. „Und nun noch dies: Für den Moment ist es vorbei, ja. Allerdings, Fearghas, solltest du deinen Bruder von diesem Zwischenfall in Kenntnis setzen. Ich bin nicht vollkommen sicher, wie ihr nächster Schritt aussehen wird, allerdings solltet ihr die Drohungen ernst nehmen.“
„Ja, gut.“ Und nach einer kurzen Pause fügte Fearghas misstrauisch hinzu: „Geht es Euch wirklich gut?“
Der massige Mann schüttelte den Kopf und brummte unwillig und das Thema wechselnd:
„Belasst es bei diesem einen Kind. Das Risiko bei euch ist sehr hoch, eigentlich zu hoch. Ihr hattet großes Glück, dass das Kind gesund ist. Seid dankbar und belasst es dabei.“
Fearghas nickte heftig. Ihm war alles recht, Hauptsache seine Familie war in Sicherheit. Und wenn er nur dieses eine Kind haben sollte, dann war das nun mal so. Er warf Aíne einen kurzen Blick zu und erkannte, dass sie derselben Ansicht war. Dann wandte er sich an den Zauberer und sagte leise:
„Danke, Herr. Ich weiß nicht, wie ich das je wieder gut machen kann.“
Er winkte müde ab.
„Die Zeit wird es zeigen. Und es liegt nicht an dir, etwas wiedergutzumachen. Aber das gehört hier jetzt nicht her und auch das wird die Zeit zeigen. So und nun verschwindet endlich