Craving Lily. Nicole Jacquelyn
hatte viel angestellt, um meine ältere Schwester Trix zu nerven, als ich noch ein Kind war. Aber ich hätte mir eher den Arm abgehackt, als sie absichtlich zu verletzen. Für mich ergab es keinen Sinn, dass Cecilia die ständigen Sticheleien gegen ihre Schwester nicht lassen konnte.
Ich war wütend, als ich auf mein Motorrad stieg, konnte aber nicht anders, als leise über die letzten Worte der Kleinen an mich zu lachen. Verdammt, ich hoffte, dass sie sich nicht darüber aufgeregt hatte, dass Cecilia so ein Arschloch war.
Nur, um mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung war, lief ich die Verandatreppe wieder hinauf und streckte meinen Kopf durch die Haustür.
„Mädchen sollten nicht so ein schmutziges Mundwerk haben, Löwenzahn!“, rief ich durch die Öffnung.
Ihre Antwort ließ nicht lange auf sich warten.
„Blödsinn! Kennst du meine Mutter nicht?“
Ich grinste, machte die Tür wieder zu und ging zu meinem Bike. Lily ging es gut. Das Mädchen hatte ein dickes Fell.
Kapitel 2
Lily
Vier Jahre später
„Was ist mit Molly und Wills Haus?“, fragte Rose. Sie rannte im Zimmer herum und stopfte Sachen in einen Rucksack.
„Nein.“ Ich schüttelte den Kopf. „Charlie ist da und spielt mit Reb. Sie würden sich in unseren Kram einmischen. Außerdem ist Will wahrscheinlich zu Hause. Ich dachte, das Ziel ist, dass unsere Verabredungen uns irgendwo abholen, wo man sie nicht zu Tode erschreckt.“
„Gutes Argument. Tatsächlich hätte ich in der Highschool gerne Dates, und du weißt, dass Jayden es rumerzählen würde, wenn einer der Kerle ihm eine Heidenangst einjagt.“
„Warum hast du überhaupt Ja zu ihm gesagt?“, fragte ich und ließ mich rückwärts auf ihr Bett fallen.
„Niemand anders hat mich gefragt“, antwortete sie pragmatisch. „Und ich wollte nicht allein zum Abschlussball gehen.“
„Ja“, murmelte ich. „Ging mir genauso.“
„Du hast davon geträumt, mit Leo hinzugehen, was? Allerdings hast du mit Brent irgendwie den Jackpot geknackt“, erwiderte sie und warf sich neben mich aufs Bett.
„Wirklich? Er scheint nett zu sein. Schöne Hände.“ Ich ignorierte ihren Kommentar über Leo. Das war ein Gespräch, das ich nicht schon wieder führen wollte.
„Himmel.“ Rose lachte. „Brent sieht wie ein Model aus. Ich mache ein Foto von euch. Wenn deine Sehkraft nicht zurückkommt, bevor er alt und fett ist, kannst du sehen, wie er jetzt aussieht. Der absolute Jackpot.“
„Ein Model?“ Ich versuchte, mir vorzustellen, was das bedeutete, hatte damit aber keinen Erfolg. Die Männer, die ich kannte, waren raubeinig. Ich erinnerte mich eigentlich nur klar daran, wie die Männer in meiner Familie aussahen. Sie ähnelten eher Verbrecherfotos als Models.
„Ja, er ist hübsch“, antwortete Rose und zog dabei das letzte Wort in die Länge.
Ich überdachte das eine Minute und lächelte dann. „Dann ist es wahrscheinlich gut, dass unsere Dads ihn nicht sehen werden. Kannst du dir vorstellen, was sie sonst veranstalten würden?“
„Warum glaubst du habe ich darauf bestanden, dass sie uns nicht von zu Hause abholen, sondern anderswo?“, witzelte sie. „Das war ganz sicher nicht wegen meines Dates. Jayden mag zwar ein Weichei sein, aber er ist wie ein Panzer gebaut und hat das Gesicht einer Bulldogge.“
Mein Kichern steigerte sich zu einem Lachen, bei dem ich mir den Bauch hielt. „Wir sind so verdammt erbärmlich“, keuchte ich.
„Stimmt. Also wo zur Hölle sollen wir uns fertig machen?“
„Bei Trix und Cam?“
„Beep! Falsch.“
„Bei Poet und Amy?“
„Das soll ein Witz sein, oder?“
„Wie wäre es bei Tommy? Ist er heute Abend nicht mit Leo unterwegs?“, fragte ich und rollte mich auf die Seite. „Hawk fände das cool.“
„Du behältst Leo immer im Auge, was?“
„Meine Schwester hat vorhin am Telefon darüber gesprochen.“
Ich stand auf und fasste nach unten, um mich im Zimmer zu orientieren. Ich war genau zwischen der linken Seite von Roses Kommode und der Wand, was bedeutete, dass ich zwei mittelgroße Schritte vom Ende des Betts entfernt war.
„Du bist so eine Lauscherin“, erwiderte Rose und stieg vom Bett.
„Es ist irgendwie schwierig, sie zu ignorieren, wenn sie im selben Zimmer ist“, konterte ich.
„Da hast du recht“, stimmte sie zu. „Ich rufe Hawk an und sehe, was sich machen lässt.“
Eine Stunde später schleppten wir unsere Kleider und Rucksäcke voller Schönheitsartikel in das Haus von Tommy und Hawk. Ich musste vorsichtig sein. Sie gestalteten das Haus seit einigen Jahren um, und da sich die Dinge nie zwei Mal am selben Platz befanden und überall Werkzeug herumlag, war es für mich nie sicher, mich dort aufzuhalten. Ich kam ohne mein Augenlicht ziemlich gut zurecht, aber Tommys Haus war für mich eine verdammte Feuerprobe.
„Oh, dein Kleid ist fantastisch, Lil“, sagte Hawk und nahm es mir aus der Hand. „Nicht mein Stil, aber an dir wird es höllisch heiß aussehen. Ich hänge es auf, damit es nicht total zerknittert, okay?“
„Danke, Hawk.“ Ich lächelte ungefähr in ihre Richtung und versuchte, meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen. Ich mochte es, in Tommys und Hawks Haus zu gehen. Es roch immer gut, und Hawk war toll. Aber nachdem ich einmal so hart auf einen Nagel getreten war, dass er meinen Fuß durchbohrte, konnte ich mich dort nie mehr entspannen. Ich dachte schon, dass Tommy zu weinen beginnen würde, als es passierte. Er hatte sich so sehr bemüht, dafür zu sorgen, dass nichts mehr da war, woran ich mich verletzen könnte.
„Was ist mit meinem Kleid?“, fragte Rose. Sie nahm meine Hand, legte sie sich auf die Schulter und ging los. Ich folgte ihr ganz entspannt, denn ich vertraute darauf, dass sie mich nicht in etwas hineinlaufen lassen würde. Ich folgte meiner Cousine jetzt seit fünf Jahren, ließ sie meine Augen sein, wenn ich sie brauchte, und sie hatte mich nie im Stich gelassen. Nicht ein einziges Mal.
„Deins habe ich schon gesehen“, erinnerte Hawk sie. „Ihr könnt euch im Gästezimmer im Erdgeschoss fertig machen. Wir haben es eingerichtet für den Fall, dass jemand hier strandet und zu betrunken ist, um die Treppen nach oben zu gehen. Und es passt gut zu dem anschließenden Badezimmer.“
„Danke“, sagte Rose und verlangsamte ihre Schritte. „Wir gehen durch eine Tür, Lil.“
Ich streckte den Arm aus und strich mit der Hand über den Türrahmen, als wir ins Zimmer gingen.
„Soll ich dir bei deinem Make-up helfen?“, fragte Hawk und setzte sich aufs Bett, das quietschte.
Meine Augen weiteten sich vor Schreck und Rose antwortete mit mühsam unterdrücktem Lachen.
„Goth ist nicht so wirklich unser Stil.“
„Hey“, erwiderte Hawk. „Ich habe es schon reduziert!“
„Nicht genug“, sagte Rose und tätschelte meine Hand. „Hier drin steht keine Kommode, Lil. Direkt gegenüber und links von dir sind Wände. Es gibt ein Doppelbett, ungefähr drei Schritte geradeaus und einen Schritt zu deiner Rechten. Die Badezimmertür ist ungefähr eineinhalb Meter rechts von der Tür, durch die wir gerade hereingekommen sind. Keine Lampen, und das Bett hat kein Kopf- und Fußteil. Mist, dieses Zimmer ist deprimierend.“
„Es beherbergt