Craving Lily. Nicole Jacquelyn

Craving Lily - Nicole Jacquelyn


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für die Highschool ganz normal.

      Nachdem mein Mantel und mein Rucksack sicher auf meinem Rücken verstaut waren, bewegte ich mich vorwärts, bis ich die Tür fand und sie langsam öffnete. Ich hörte Stimmen aus dem Wohnzimmer und war ziemlich sicher, dass ich meinen Weg dorthin ohne Zwischenfälle finden würde, zögerte aber dennoch in der offenen Tür.

      Leo … er war einfach alles. Er war der Mann, der dafür sorgte, dass es im Vorhof des Clubhauses nichts gab, worüber ich stolpern konnte. Er kümmerte sich darum, dass alle ihre Stühle an den Tisch schoben, sodass ich nicht hineinlief. Er schaute sich mit mir Titanic an, obwohl ich den Film nicht sehen konnte, spulte aber die heißen Liebesszenen vor, als wäre er verlegen. Ich war ziemlich sicher, dass er das erste Nicht-Familienmitglied war, das mich jemals schön genannt hatte. Der Einzige, der nicht zur Familie gehörte, bei dem ich jemals Dampf abgelassen hatte.

      Mein erster und einziger Schwarm.

      Sobald ich in ein Zimmer kam, hörte er auf, mit meiner Schwester zu streiten, zögerte aber nie, in meiner Gegenwart zu fluchen, wenn er wegen irgendetwas stinksauer war. Er tadelte mich, wenn ich Schimpfwörter benutzte, aber immer mit einem Lächeln in der Stimme. Er behandelte mich, als wäre ich von Bedeutung. Als ob ich etwas erreichen könnte und er das auch absolut von mir erwartete. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein anderer Mann ihm jemals das Wasser würde reichen können.

      „Ist alles in Ordnung?“ Leo erschreckte mich mit seinem Ruf den Flur hinunter. Ich war so mit meinen Tagträumereien beschäftigt gewesen, dass ich nicht einmal seine Schritte bemerkt hatte.

      „Ja, ich orientiere mich nur noch“, antwortete ich, streckte den Arm aus und strich mit der Hand die Wand entlang, während ich voranging. „Jetzt, wo sie mit dem Erdgeschoss fertig sind, muss ich öfter hierher kommen.“

      „Ja, aber Tommy ist verflucht schlampig, also sei vorsichtig, auch wenn du glaubst, dass du weißt, wo alles ist“, warnte er mich. Er legte seine Hand über meine an der Wand, als ich ihn erreichte. „Komm, Löwenzahn, lass uns fahren.“

      „Wollt ihr los?“, fragte Tommy, als wir zur Haustür gingen.

      „Ja, ich fahre sie nach Hause“, antwortete Leo.

      „Bring sie besser direkt nach Hause“, murmelte Tommy, gefolgt von einem hörbaren Klatschen.

      „Halt den Mund, Thomas“, schalt Hawk.

      „Danke, dass du uns beim Vorbereiten geholfen hast“, rief ich zu Hawk zurück, als Leo die Haustür öffnete. „Tschüss, Quatschkopf!“

      „Es hat Spaß gemacht, du siehst toll aus!“, antwortete Hawk und gleichzeitig schrie Tommy: „Raus hier, du Göre!“

      Leo half mir die Verandastufen hinunter und blieb in der Auffahrt stehen. Er setzte mir seinen Helm auf, und ich senkte die Lider.

      „Ich muss mir einen besseren Helm besorgen“, sagte Leo.

      „Ich weiß, dass ihr Kerle solche Sachen mögt“, antwortete ich und schob seine Hände von den Riemen, sodass ich sie selbst unter meinem Kinn schließen konnte. „Aber diese Art von Helm schützt deine Rübe überhaupt nicht.“

      „Ja, ja.“

      „Und die Käfer. So viele Käfer, die dir ins Gesicht knallen.“

      „So schlimm ist es nicht.“ Leo lachte.

      „Quatsch. Es ist grässlich. Ich habe das Zeug gesehen, dass sich in euren Bärten verfängt.“

      „Nicht in meinem“, widersprach er und half mir auf sein Bike. „Damals war ich zu jung für einen Bart.“

      „Stimmt.“ Ich setzte mich zurecht und wartete, dass er vor mir aufstieg. „Bei Poet ist es am schlimmsten. So viel Bart. So viele Insekten.“

      Leo lachte, stieg aufs Bike, griff nach hinten, zog mich näher zu sich heran und legte meine Arme um seine Taille. Ein paar Sekunden später dröhnte das Bike unter uns und zum ersten Mal seit Langem fühlte ich einen Anflug des vertrauten Adrenalinschubs.

      Ich war zu klein, um mein Kinn auf seine Schulter zu legen. Wir fuhren aus der Auffahrt und ich schob mich weiter nach vorn, bis meine Stirn an seinem Rücken lag. Er roch nach Leder und Rasierwasser. Sein T-Shirt war dünn, und seine Brust- und Bauchmuskeln fühlten sich unter meinen Händen fest an. Ich hätte für immer so dasitzen können, während der Wind mir das Haar ins Gesicht trieb und seine Hand ab und zu meine tätschelte.

      Leider war unsere Stadt nicht besonders groß und nur ein paar Minuten später verlangsamte er das Tempo und bog in meine Auffahrt. Wie hielten an, aber keiner von uns rührte sich, während die Nacht um uns herum still wurde.

      „Sieht aus, als wäre niemand zu Hause“, sagte er schließlich und unterbrach damit das Schweigen.

      „Das ist schon in Ordnung. Ich habe meinen Schlüssel.“ Ich löste die Arme von seiner Taille und wartete darauf, dass er vom Bike stieg und mir herunter half.

      „Ich lasse dich hier nicht allein“, sagte er stur.

      „Ich bin sechzehn“, erinnerte ich ihn. Ich zuckte zusammen, als mir klar wurde, wie jung das für ihn klingen musste. „Ich bin dauernd allein zu Hause.“

      „Nein“. Er zögerte. „Nicht hier. Ich kann dich hier nicht allein lassen.“

      „Willst du mit reinkommen?“, fragte ich und beugte mich ein bisschen vor.

      „Nein“, antwortete er sofort.

      Ich lachte. „Nun, dann weiß ich nicht, was du willst.“

      „Lass uns etwas rumfahren, okay?“

      Mein Lächeln verblasste und ich lehnte mich zurück. „Okay.“

      Ich wartete, bis er den Motor wieder anließ und schlang die Arme um ihn. Er schob das Bike etwas zurück und wendete. Dann waren wir wieder unterwegs und rasten durch Nebenstraßen. Er musste vergessen haben, dass er langsam fahren wollte, denn wir glitten schnell um Ecken und das Bike röhrte laut. Ich hatte keine Ahnung, wohin wir fuhren oder auch nur, welche Richtung wir eingeschlagen hatten, aber ich hielt mich einfach nur an ihm fest und sagte nichts. Leo würde nie zulassen, dass mir etwas passierte.

      Schließlich blieben wir stehen, und ich war ziemlich sicher, dass wir in der Nähe eines Flusses waren.

      „Wo sind wir?“, fragte ich, nachdem er das Bike abgestellt hatte.

      „Am Fluss“, antwortete er, was mir nicht wirklich etwas sagte. Er stieg vom Bike und half mir herunter.

      „Ja, das höre ich. Warum?“ Ich nahm den Helm ab und glättete mein Haar so gut es ging.

      „Mir gefällt dieser Ort“, antwortete er und schlang den Arm um meine Taille, um mich über den unebenen Boden zu führen. Ich bewegte mich mit vorsichtigen Schritten voran, auf das rauschende Wasser zu und stieß mir die Zehen an Wurzeln, die aus dem Boden ragten. „Hier“, sagte er, nahm meine Hand und legte sie auf eine raue Tischoberfläche. „Ein Picknicktisch. Standard. Die Bank ist ungefähr zweieinhalb Zentimeter unter deinem Knie.“

      Ich nickte und beugte mich vor, um die Bank zu finden und machte einen kleinen Schritt zur Seite, um mich setzen zu können.

      „Ist bei dir alles in Ordnung? Ich muss mal pinkeln.“

      „Reizend“, sagte ich belustigt. „Ja, alles in Ordnung. Geh nur.“

      Es ging mir gut, als er ging, aber sobald ich ihn nicht mehr hören konnte, geriet ich in Panik. Ich wusste tief in meinem Inneren, dass er mich nie zurücklassen würde. Das stand außer Frage. Aber der Gedanke, dass ich mich mitten im Nirgendwo befand, in der Nähe eines großen Gewässers, ganz allein, ließ meine Haut sofort eiskalt werden.

      „Leo!“, schrie ich, was mich verlegen machte, aber nicht genug, um still zu sein. „Leo!“

      „Was?“, rief er zurück, und ich hörte krachende Geräusche. „Löwenzahn?“


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