Craving Lily. Nicole Jacquelyn
hast es immer erst am nächsten Morgen gemerkt“, sagte ich und zuckte mit den Schultern.
„Ich werde dich vermissen.“
„Dann geh nicht“, sagte ich. Meine Kehle verengte sich bei dem Gedanken, dass sie ganz allein nach Kalifornien ziehen würde. Meine Schwester war eine furchtbare Nervensäge, aber sie war immer noch meine Schwester.
„Das werde ich auch noch nicht“, erwiderte sie. „Im Moment kann ich sowieso nicht fahren. Zu viel Jose.“
„Ih, Tequila? Du wirst dich morgen schrecklich fühlen.“
„Stimmt.“ Sie rutschte herum und ich spürte, wie sie die Laken unter mir hervorzog. „Komm, kuschel dich ein.“
Ich streifte die Schuhe ab und kroch neben sie unter die Laken. Die Ereignisse des Tages holten mich ein. Es war alles so seltsam gewesen. Erst die Vorbereitung für den Abschlussball, dann sitzen gelassen werden, dann Leo, und jetzt erzählte Ceecee mir, dass sie den Staat verlassen würde. Einfach so.
Ich war ziemlich sicher, dass ihre Entscheidung nicht neu war. Cecilia war vielleicht dickköpfig und egozentrisch, aber sie war nicht spontan. Wenn sie nach einem Streit mit unseren Eltern nach Kalifornien abhaute, dann hatte sie das schon eine Weile geplant. Der Streit war nur der Auslöser gewesen.
„Dein Date hat dich sitzen lassen?“, fragte sie, als wir beide unter den Laken lagen.
„Ja. Er hat nicht mal eine Nachricht mit einer lahmen Entschuldigung geschickt.“
„Ich glaube, das ist besser als eine mögliche Alternative. Er hätte dich abholen und dann Schweineblut über deinen Kopf gießen können, was dein scharfes Outfit ruiniert hätte.“
„Da hast du recht“, antwortete ich ernsthaft.
„Mir hat es gefallen, dass du dich für den Zweiteiler entschieden hast“, sagte sie und rollte sich zu mir herum. „Das Top sieht auch zu Jeans gut aus, also kannst du es tragen, wann immer du willst. Alle meine Abendkleider von der Highschool nehmen jetzt nur Platz im Schrank weg. Es ist ja nicht so, dass man sie in einer Bar anziehen kann.“
„Aber überleg doch mal“, sagte ich und lächelte. „In zwanzig Jahren sind sie Vintage, und du kannst sie für viel Geld verkaufen.“
„Und damit anfangen, für die Rente zu sparen.“
„Für Botox bezahlen.“
„Mir die Möpse machen lassen.“
„Eine Zahnspange für Timmy.“
„Viagra für den Ehemann.“
„Igitt!“, sagte ich und machte Würgegeräusche. „Ich hoffe, dass ich nie mit einem Mann schlafe, der so alt ist, dass er Viagra braucht.“
„Das wirst du“, sagte sie und lachte leise. „Aber dann bist du auch alt und es ist dir egal.“
„Glaubst du, dass Poet Viagra braucht?“, fragte ich mit erschaudernder Faszination.
„Der alte Ziegenbock?“ Meine Schwester schnaubte. „Auf gar keinen Fall.“
Wir lachten so sehr, dass wir kaum einen Laut hervorbrachten und keuchten, um wieder zu Atem zu kommen.
„Eines Tages wirst du verheiratet sein und einen Stall voll Kinder haben und ich werde mich fragen, wo zur Hölle meine kleine Schwester mit der Zahnlücke geblieben ist“, sagte Cecilia sanft und strich mir übers Haar. „Und du hast die tolle Haut von Dad, also werde ich auch sehr eifersüchtig sein, weil du zwanzig Jahre jünger als ich aussiehst, obwohl wir nur fünf Jahre auseinander sind.“
„Allerdings wird mein Haar vor deinem grau werden“, antwortete ich und gähnte, während sie weiter über mein Haar strich.
„Haare kann man färben“, sagte sie leise. „Ich mache das für dich.“
„Ich überlege, mir einen Pony schneiden zu lassen“, murmelte ich und schloss die Augen.
„Oh, verflucht, nein“, antwortete sie und riss sacht an meinem Haar. „Lass dir keinen Pony machen. Du hast hier vorn einen Wirbel, sodass es lächerlich aussehen wird. Außerdem, wie willst du ihn frisieren, wenn du ihn nicht sehen kannst? Nein. Keinen Pony. Du würdest ihn hassen, und es dauert Ewigkeiten, bis das Haar nachgewachsen ist.“
„Wenn du bleibst, könntest du ihn für mich frisieren.“
„Ich bleibe nicht, um dich zu frisieren, ganz egal wie sehr ich dich liebe“, sagte sie und fuhr wieder mit den Fingern durch mein Haar. „Aber vielleicht könntest du mich irgendwann besuchen kommen? Wir könnten zum Strand gehen und so.“
„Was glaubst du, wo du landen wirst?“
„Wahrscheinlich in San Diego“, sagte sie und seufzte. „Ich glaube, das ist ein guter Ort, um neu anzufangen.“
Ich nickte, aber ihre Finger in meinem Haar wiegten mich in den Schlaf. Ich liebte meine Schwester. Auch wenn ich sie manchmal nicht ausstehen konnte, liebte ich sie. Ich glaube, so ist das nun mal bei Geschwistern. Selbst wenn man sie für Arschlöcher hielt, erinnerte man sich doch daran, wie es war, ein Bett mit ihnen zu teilen, als man klein war. Und darum liebte man es, wenn sie einem mit den Fingern durchs Haar fuhren. Und man wusste, dass sie einen mit derselben Leidenschaft liebten, auch wenn sie es die meiste Zeit über nicht zeigten.
„Ich liebe dich, Hummelchen“, murmelte ich und legte die Hand auf die schmale Taille meiner Schwester.
„Ich liebe dich auch, Lilybug.“
Ich schlief innerhalb von Sekunden ein und wachte erst Stunden später wieder auf, als meine Schwester aus dem Bett stieg.
„Was machst du?“, fragte ich mit kratziger Stimme.
„Ich haue ab“, flüsterte Ceecee. „Ich rufe dich später an und sage dir, wo ich bin.“
„Willst du dich nicht von allen verabschieden?“, fragte ich und stützte mich auf einen Ellbogen. Ich wusste nicht, wo im Zimmer sie war, hatte keine Ahnung, wie viel sie gepackt hatte oder wie lange ich noch hatte, bis sie durch die Tür verschwand.
„Nein“, antwortete sie. „Ich rufe Mom später an, aber ich will früh losfahren.“
„Wie spät ist es?“
„Vier Uhr“, sagte sie, beugte sich über das Bett und küsste mich schmatzend auf die Stirn. „Ich gehe. Weck die Alten nicht auf, okay? Ich rufe sie in ein paar Stunden an, versprochen.“
„Ich …“ Ich unterbrach mich und überlegte, was ich sagen könnte. Wenn ich meinen Eltern nicht erzählte, dass meine Schwester ging, würden sie wütend sein. Wenn ich es ihnen erzählte, würde sie stur genug sein, trotzdem zu gehen, und wir würden monatelang nichts von ihr hören. „Okay“, sagte ich schließlich. „Ich gebe dir ein paar Stunden. Aber wenn du sie noch nicht angerufen hast, wenn Frühstückszeit ist, haue ich dir eine rein.“
„Danke“, sagte sie. Ich hörte es rascheln, als sie ihren Mantel anzog und ihre Tasche nahm. Innerhalb von Sekunden war sie zum Gehen bereit.
„Ich liebe dich, Schwesterchen“, sagte sie, und ich hörte die Aufregung in ihrer Stimme.
„Ich liebe dich auch“, antwortete ich und ließ mich wieder aufs Kissen sinken. „Fahr vorsichtig, okay?“
„Immer.“ Sie zögerte ein paar Sekunden und dann – so war meine Schwester eben – ließ sie zum Abschied eine Bombe platzen. „Ich kann ihn an dir riechen, weißt du? Sein Rasierwasser. Du hast vielleicht Mom und Dad getäuscht, aber du könntest niemals so riechen, wenn du dich nicht auf dem Bike an ihn gedrückt hättest.“
Ich öffnete den Mund, um zu protestieren, hörte aber das Schließen der Tür, bevor ich ein Wort sagen konnte. Das war genau ihr Stil. Eine Anschuldigung machen, ganz egal wie unbegründet, und dann abhauen, bevor man sich verteidigen konnte. Sie tat das, seit sie alt genug war, um Menschen