Der schottische Bankier von Surabaya. Ian Hamilton

Der schottische Bankier von Surabaya - Ian  Hamilton


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zusammen an der Uni. Wir haben im selben Jahr unseren Abschluss gemacht, und wir haben beide ein paar Jahre bei der Commonwealth Bank gearbeitet, ehe unsere Wege sich trennten. Wir sind immer in Verbindung geblieben. Wir waren eine ganze Clique, alles Vietnamesen – wir haben immer zusammengehalten. Es war ein gutes Netzwerk, ehe Lam diese Scheiße gebaut hat.«

      Ava nahm sich ein Har Gau aus dem Bambuskörbchen und tunkte es in Chilisauce. »Sie waren also nicht der Einzige, der Interessenten Lams Fonds empfohlen hat.«

      »Nein, aber ich bin der Einzige, auf den man mit einem Baseballschläger losgegangen ist.«

      »Das war unnötig«, sagte sie. »Menschen werden zuweilen zu emotional, wenn es um Geld geht.«

      Die übrigen Gerichte wurden serviert. Während Lac sich die Hühnerfüße vornahm, fragte Ava: »Was für ein Mann ist Lam?«

      Lac hielt inne. »Ich dachte … Ich hielt ihn für einen guten Kerl, zumindest für einen anständigen. Er war Wirtschaftsprüfer, genau wie Sie und ich, und er hat seinen Beruf ernst genommen. Bis diese Scheiße passiert ist, hätte ich ihm ohne zu zögern mein Geld anvertraut.«

      »Aber das haben Sie nicht.«

      »Ich hatte nicht genug Geld, um in diesen Fonds einzusteigen.«

      »Glück gehabt«, erwiderte Ava und bereute es auf der Stelle. Seine bisherige Schilderung verdiente keinen Sarkasmus. »Entschuldigung, ich habe es nicht so gemeint.«

      »Ich habe mir schon Schlimmeres anhören müssen. Früher habe ich meinen Onkel immer gern besucht, aber die Zeiten sind vorbei. Und Bobby Ng und ich sind jahrelang Freunde gewesen. Auch vorbei. Lam hat das alles ruiniert.«

      »Und Sie hielten ihn für einen guten Kerl.«

      »Jep. Und in meinem tiefsten Inneren tue ich das bis heute.«

      »Wieso?«

      »Wenn Sie ihn finden, werden Sie das verstehen«, erwiderte Lac.

      »Was soll das heißen?«

      »Lam ist so klein, dass sein Vater ihn überreden wollte, Jockey zu werden. Und er ist ebenso schüchtern, wie er klein ist. An der Uni war er der Typ, der immer versucht hat, es allen recht zu machen – der sich mit allen gut stellen wollte. Er hat mir fast ein wenig leidgetan, bis ich ihn etwas besser kennenlernte und mitbekam, wie clever er ist und wie integer. Er könnte keiner Fliege was zuleide tun, wirklich nicht. Ich habe keine Ahnung, wie er in dieses Schlamassel geraten konnte, aber ich bin überzeugt, dass das so nicht geplant war – also dass keine böse Absicht dahintersteckte.«

      »Wie können Sie da so sicher sein?«

      »Ich habe ihn gesehen, gleich nachdem der Scheiß anfing. Das erste Mal, als er Probleme hatte, die Zahlungen zu leisten. Er hat mir erzählt, er hätte das komplette Geld investiert und dass die Ausschüttungen sich verzögerten, weil die Bank Schwierigkeiten mit einer neuen Software hätte. Er hat mir geschworen, dass das Geld sicher wäre, und ich habe ihm geglaubt.«

      »Warum?«

      »Ich hatte nicht den Eindruck, dass er mir was vorlog. Er war offenkundig besorgt, aber er konnte mir in die Augen sehen. Das hat mich überzeugt.«

      »Sie haben ihn mehr als einmal getroffen?«

      »Ja, ungefähr eine Woche später kam mein Onkel zu mir und bat mich, mit Lam zu sprechen, um sein Geld aus dem Fonds abzuziehen. Ich habe mich mit Lam in der Stadt getroffen. Er war ein völliges Wrack – er zitterte, er stotterte, er konnte gar nicht klar denken, er wirkte fast desorientiert. Er hat mir erzählt, dass er nicht schlafen könne und dass er Pillen nehme und angefangen habe zu trinken. Er hat sich ganz und gar nicht wie jemand verhalten, der Millionen von Dollar beiseitegeschafft hat und sich damit aus dem Staub machen wollte.«

      »Was hat er in Bezug auf das Geld Ihres Onkels gesagt?«

      »Er hat gesagt, im Vertrag stehe, dass mein Onkel ihm dreißig Tage vorher Bescheid geben müsse, ehe er sein Geld zurückfordern könne.«

      »Stimmt das?«

      »Keine Ahnung. Es war mir auch egal. Ich habe ihn dennoch gedrängt, als Freund. Er hat gesagt, er könne mir nicht helfen, und ist bloß noch nervöser geworden.«

      »Und Sie hatten nicht den Verdacht, dass etwas nicht stimmt?«

      »Er hat gesagt, die Art und Weise, wie die Investoren auf die verspätete Dividendenausschüttung reagiert hätten, habe ihn sehr bestürzt«, antwortete Lac. »Und nach dem, was Bobby Ng mir angetan hat, kann ich ihm das nicht verdenken.«

      »Wie gesagt, das war vollkommen unangemessen.«

      »Vielleicht machte Lam sich Sorgen wegen jemandem wie Bobby – jemandem, der vielleicht etwas Tödlicheres einsetzen würde als einen Baseballschläger.«

      »Sie haben ihn nicht gefragt?«

      »Ich war nicht gerade voll bei der Sache. Ich war mit der Frage beschäftigt, wie mein Onkel reagieren würde.«

      Ava warf einen Blick in ihr Notizbuch. »Er hat das Geld in bar eingesammelt, richtig?«

      »Das ist die vietnamesische Art.«

      »Und bei der Bank Linno eingezahlt?«

      »So hat er gesagt.«

      »Was wissen Sie über diese Bank?«

      Lac zuckte die Achseln. »Sie hatte eine Zweigstelle hier. In der College Street. Sie ist mittlerweile geschlossen.«

      Ava verschlug es den Atem. »Woher wissen Sie das?«

      »Ich bin dagewesen. Nachdem Lam verschwunden war, war das eine der wenigen Spuren, denen ich nachgehen konnte.«

      »Und sie war geschlossen?«

      »Ich habe mit einem Buchhalter gesprochen, der ein Büro auf derselben Etage hat, und er hat mir erzählt, dass sie übers Wochenende die Biege gemacht hätten. Der Vermieter war nicht besonders erfreut.«

      »Kannte der Buchhalter jemanden, der dort gearbeitet hat?«

      »Ich glaube nicht. Ich habe ihn nicht gefragt. Ich habe dann den Vermieter kontaktiert, um zu sehen, ob er mir den Namen und die Telefonnummer der Person gibt, die den Mietvertrag unterschrieben hat. Das hat er getan. Es war ein Typ aus Indonesien, den der Vermieter aufzuspüren versuchte.«

      »Haben Sie in Indonesien angerufen?«

      »Hab ich. Der Typ ist weder rangegangen, noch hat er mich zurückgerufen.«

      »Wissen Sie seinen Namen noch?«

      »Ich habe ihn im Büro.«

      »Können Sie ihn mir zusammen mit der Telefonnummer mailen?«

      »Klar.«

      »Und den Namen und die Telefonnummer des Vermieters bitte auch.«

      Lac runzelte die Stirn und presste die Lippen zusammen. »Ich mache das, aber ich glaube, Sie verschwenden Ihre Zeit.«

      Ava schüttelte den Kopf und reichte ihm ihre Karte. »Meine E-Mail-Adresse steht hier drauf«, sagte sie. »Diese Sache mit der geschlossenen Zweigstelle – das ist doch sehr merkwürdig. Das ganze Geld von Lam zu nehmen und dann, wenn er in finanzielle Probleme gerät, die Türen zu verschließen …«

      »Natürlich ist das seltsam, aber es war ja auch keine gewöhnliche Bank. Das Büro war im siebten Stock eines heruntergekommenen Gebäudes, und nach dem, was mir der Buchhalter erzählt hat, hat es nie viel Publikumsverkehr gegeben.«

      »Was für eine Art von Bank ist das eigentlich? Ich habe mir deren Website angesehen und kaum Informationen gefunden.«

      »Auf dem Schild an der Tür stand PRIVATE INVESTMENT-BANK, von daher haben sie vermutlich keine gewöhnlichen Bankleistungen angeboten.«

      »Hatten sie eine Banklizenz?«

      »Nicht dass ich wüsste, und ich habe gründlich recherchiert.«


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