Ich sag's mit Sax!. Kathrin Eipert

Ich sag's mit Sax! - Kathrin Eipert


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und akustisch der direkte Vergleich stand, war es um mich geschehen.

      Halleluja, genau das war es, was ich wollte.

      Liebe auf den ersten Ton.

      Als Kind im Urlaub … die entspannteste Zeit überhaupt.

      Arco war einer der ersten Männer in meinem Leben.

       Saxophon- und Klavierlehrer

      In elterlicher Obhut begann also meine Musikausbildung. Papa legte meine Finger auf die Klappen des Saxophons und zeigte mir, wie man ihm Töne entlockt. Mama schulte mein Gehör durch Klavierbegleitung. Wir musizierten zu dritt. Es machte riesigen Spaß. Allerdings passierten mir doch einige falsche Töne (in Wirklichkeit war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein Ton richtig). Wie bei jeder Ausbildung gehörten demzufolge auch Korrekturen dazu.

      In meinem kindlichen Kopf war das allerdings ein unerträglicher Zustand. ICH sollte Fehler machen? Niemals! Das sagten sie doch nur, weil mein Kinderzimmer nicht wirklich einem sterilen OP-Saal glich! Aus heutiger Sicht würde ich sagen: Mein Zimmer mutierte hin und wieder schon zum Chaos. Teilweise musste man echt sportlich sein, um so große Schritte machen zu können, dass man unfallfrei von der Tür zum Schrank kam. Aber Saxophon üben war einfach wichtiger, als aufzuräumen. Und diese Prioritäten setzte ich verdammt konsequent.

      Um die häusliche Harmonie zu retten, bekam ich einen fremden Lehrer, Gerhard Jahn. Ich fuhr nun einmal wöchentlich von meiner kleinen Heimatstadt Brehna mit dem Zug nach Halle zur Musikschule. Gerhard Jahn war klasse, aber auch autoritär.

      Wir wurden schnell richtig gute Freunde. Ich widersprach fast nie und übte verdammt fleißig all diese Etüden. Derartige Übungen dienen unter anderem der Fingerfertigkeit und klingen meist unterirdisch langweilig. Oft ging eine Etüde mindestens über eine A4-Seite. Ich mochte sie trotzdem und spielte aus Spaß mit mir selbst um die Wette. Jeden Tag notierte ich mein erreichtes Tempo und freute mich wie ein Schneekönig, wenn ich wieder schneller geworden war. Einige davon kann ich noch heute auswendig. Aber ich wollte mehr, moderne Lieder, schöne Melodien, Solostücke und so etwas! Herr Jahn erfüllte mir diese Wünsche hin und wieder, achtete aber stets auf korrekte Ausführung der parallel aufgegebenen Etüden. Später baute er musikalische Ausflüge in die Klassik ein. Beethoven, Mozart, Händel, Vivaldi! Sie alle erforderten flotte Fingerfertigkeit und ich verstand den Sinn der Etüden am praktischen Beispiel. Sobald wir ein melodisches Stück behandelt hatten, standen wieder zehn Wochen Etüden im Programm.

      Eines Tages meinte Herr Jahn, dass ich zusätzlich Klavierunterricht brauche. Okay! Er empfahl mir meinen zukünftigen Klavierlehrer mit den Worten: »Kathrin, der ist gaaaanz witzig, ihr werdet jede Menge Spaß haben.« Meine Liebe galt dem Sax, das stand fest für die Ewigkeit, aber nach der Tragik mit dem Akkordeon beschloss ich, den schwarz-weißen Tasten noch eine Chance zu geben. Ich vertraute ja auf die Ankündigung »witzige und spaßige Person« und ging mit genau diesem Gedanken zur ersten Klavierstunde.

      Herbert Benasse begrüßte mich: »G-g-guten T-t-Tag K-k-kathrin, sp-p-piel mir d-d-doch mal w-w-was vor!«

      Super, dachte ich, er macht gleich am Anfang einen Witz! Nun wollte ich die Fröhlichkeit seinerseits knackig fortführen und antwortete: »G-g-guten T-t-Tag Herr B-b-benasse! K-k-klar d-ddoch!« Da war er – dieser Moment – schockierte LKW-Reifengroße Augen sahen mich an. »Scheiße!«, schoss es mir durch den Kopf und ich begriff in diesem Augenblick, dass die Begrüßung gar nicht witzig sein sollte. Herr Benasse stotterte wirklich! In diesem Moment wäre ich am liebsten in den Erdboden versunken.

      Natürlich wurde ich röter als mein extra neu gekaufter Pullover, ich bekam Schweißausbrüche und meine Finger wurden beim Vorspiel noch steifer, als sie eh schon waren. Dieser fürchterliche Fauxpas war mir Jahre später noch schrecklich peinlich. Die nächsten sechs Jahre Klavierunterricht wurden alles andere als witzig und meine Liebe zum Saxophon wurde manifestiert.

      Immerhin – er brachte mir ne Menge bei, war immer fair und ließ mich durch keine Prüfung rauschen. Eine halbwegs gute Pianistin konnte er aus mir trotz aller Kraftanstrengung nicht machen.

       Die erste Band

      Irgendwann fragten mich meine Musik-Lehrer tatsächlich, ob ich Lust hätte, in ihrer Band zu spielen. So durfte ich noch als Schülerin neben meinen Lehrern Gerhard Jahn und Herbert Benasse in der größten Halleschen Tanzband aufschlagen.

      Ab jetzt war ich Saxophonistin in der Wolfgang Kudritzki Band!

      Es war die beste Schule, die mir passieren konnte. Neben Profis als blutiger Anfänger (wobei ich das zu diesem Zeitpunkt keineswegs so sah!) lernte ich, die Theorie in der Praxis anzuwenden. Blattspiel zum Beispiel … das heißt, man bekommt ohne Probe irgendein fremdes Notenblatt vorgelegt und schon geht’s los … 1-2-3-4 und ab die Post! Das war wörtlich zu nehmen, die Männer waren schneller als die Polizei erlaubt, und bis ich es begriff, waren die Herren bereits im Refrain. Das Prozedere wiederholte sich tragischerweise regelmäßig.

      Wir begleiteten auch Artisten – die mitgebrachten Partituren dieser Künstlergattung waren immer schnell und meistens auch sehr schwierig zu spielen. Außerdem fuhren die Solisten oft von einem Auftritt zum nächsten, standen also unter Zeitdruck und kamen immer so knapp, dass echt NIE eine Probe vorab möglich war. Aber ich war lernfähig und meine Lehrer hatten bewundernswert große Geduld mit mir. Ich hatte übrigens im Leben noch viel häufiger das Glück, mit Leuten zu arbeiten, die mir zeigten, wo der Haken hängt. Das ist zwar immer sehr schwierig und erdend, dafür aber extrem bildend.

      Ausreichend Lampenfieber war auch immer im Gepäck.

      Einmal begleiteten wir ein internationales Tanzturnier. Man erklärte mir vorab, was auf mich (immer noch als Schülerin!) zukommt. Standards, Walzer, Tango, Quickstep, Rock ’n’ Roll und lateinamerikanische Sachen wie Samba, Rumba, Paso Doble, Jive.

      Oh, was war ich aufgeregt! Ich war sogar so aufgeregt, dass ich zwar alle meine passenden Outfits einpackte, aber beide Saxophone vergaß. Wir bemerkten das nach knapp 80 Kilometern zurückgelegter Strecke. Der Bandbus drehte meinetwegen und wir holten die Instrumente. Ich hörte mir 160 Kilometer lang an, wie unerklärlich es sei, zwar an Outfits zu denken, aber die Saxophone zu vergessen und welche Vorteile doch ein Mann am Saxophon hätte. Mist, irgendwie hatten sie ja Recht.

      Ich riss mich bei diesem Tanzturnier dermaßen zusammen, dass ich sämtliche Stilistiken einhielt, keinen Einsatz verpasste und mich trotzdem noch showmäßig bewegte. Wahrscheinlich war ich selten sieben Stunden am Stück so hochkonzentriert. Am Ende kam ein Wertungsrichter in die Bandgarderobe und meinte:

      »Meine Herren – Glückwunsch zu dieser gelungenen Veranstaltung. Sehr gern kommen wir wieder auf sie zu. Und ihre Frau mit Saxophon war klasse.«

      Ich verkniff mir ein Lächeln.

      Viele Abende stand ich nun musizierend auf Bühnen und kam erst spät nachts heim. Da ich in der Schule ausgesprochen gut war, entfiel so auch gelegentlich die erste Stunde Mathematik oder Geografie. Die Hausaufgaben waren immer leicht, gab es doch mal die Schulnote zwei, ärgerte ich mich maßlos. Ich hatte fast immer alles Einsen (außer in Ordnung und Betragen). Das hielt mir den Rücken frei, um die verbleibende Zeit in die Musik zu investieren und mit meinem Hund zu spielen.

      Als Band arbeiteten wir mit Dagmar Frederic, Heinz Florian Oertel, Eberhard Chors, Günthi Krause und Peter Wieland. Sie waren zur damaligen Zeit der Wende echte Stars, die sich ihre Karriere bereits erarbeitet hatten und mit mir trotzdem bodenständig und ausgesprochen liebenswert umgingen. Das prägte mich für die Zukunft: »Den wahren Charakter eines Menschen erkennt man daran, wie er mit Schwächeren umgeht.«


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