Ich sag's mit Sax!. Kathrin Eipert

Ich sag's mit Sax! - Kathrin Eipert


Скачать книгу
erleben.

       Von der Ostsee in den Sattel – Dreh mit Pferden

      Ein Donnerstag im sonnigen Juli 2004, zehn Uhr:

      Wir, meine Techniker und ich, waren in Heringsdorf an der wunderschönen Ostsee nach fünfstündiger Fahrt angekommen. Dass der Wecker zur Abfahrt bereits vier Uhr klingelte, war nicht schlimm, die Vorfreude auf den Strand und die bevorstehende Gala war hoch. Der Ferrero-Konzern feierte Jubiläum und für uns war das eine dieser Traum-Veranstaltungen, die mit Arbeit nicht viel zu tun haben. Nicht, weil wir wirklich wenig zu tun hatten (ganz im Gegenteil – musikalisch gesehen hatte ich schon ne Menge vor – immerhin stand unter anderem der »Bolero« von Maurice Ravel auf dem Plan). Aber das Umfeld war genial, um einige Stunden Kraft zu tanken.

      Donnerstag, 15 Uhr

      Soundcheck und zwei Stunden Probe waren erledigt … und jetzt einfach mal abschalten! Ich liebe das Meer und den Sound der Wellen. Barfuß am Strand entlangzulaufen und Leute beobachten, wirkt wie Seelenmassage pur. Die Rufe der Möwen erzählten viele Geschichten, und ich ließ mich davon inspirieren. Innerhalb von wenigen Minuten kann ich in solchen Situationen von einhundert auf null runter fahren. Ich sammelte Muscheln für daheim, legte mich in den Sand und hatte das Gefühl, nie wieder ein Rezept für »Gute-Laune-Tabletten« zu brauchen. Einfach nur genießen – völlig fern von Raum, Zeit und Tagesplan.

      Von dieser Art Veranstaltung gibt es nicht viele. Oft sehen wir nur die Autobahn und die jeweilige Stadt beim Durchqueren auf dem Weg vom Hotel zum Veranstaltungsort. Wir wohnten in einem Luxushotel, direkt am Strand gelegen, mit allen Vorzügen, die ein solches Hotel hat. Es war total wie Urlaub, naja, fast wie Urlaub – denn wir hatten für diesen Luxus leider viel zu wenig Zeit.

      Donnerstag, 20 Uhr

      Die Ferrero-Gala lief hervorragend, ich hatte erstklassige Technik vor Ort, die Bühne war sehr stilvoll gestaltet und mit tollem Licht bestückt. Also Wohlfühl-Atmosphäre pur. Mein Bolero klappte bestens, wobei einige Schwierigkeiten zusätzlich eingebaut waren. Der Bolero ist grundsätzlich nicht unbedingt leicht, und wenn ich bei diesem Stück einmal rauskommen würde, fällt es richtig auf (von wegen Umspielung blasen, improvisieren und wieder rein – NICHT bei DIESEM Werk!).

      Und, ich sollte dabei noch die lange Foyer-Treppe hinabschreiten und förmlich »erscheinen«. Klingt echt leichter als es ist: Ich trug nämlich ein Kleid mit langer Schleppe und extrem hohen Schuhen. Mein geliebtes Saxophon führte mich erstaunlicherweise wie von selbst und ich war happy.

      Donnerstag, 23 Uhr

      Einziger Wermutstropfen: Wir hatten leider keine Zeit, um an den Strand zu gehen, um den geglückten Auftritt und die geliebte Ostsee zu genießen. Wir konnten auch nicht in unseren Hotelzimmern mit Blick auf die Ostsee schlafen und am nächsten Morgen luxuriös frühstücken. Denn mein Zeitplan befahl: Koffer packen, 550 Kilometer Autobahn zurück nach Sachsen-Anhalt.

      Freitag, vier Uhr

      Kurz schlafen – der Wecker klingelte bereits nach drei Stunden. Denn am nächsten Tag stand eine neue und spannende TV-Aufzeichnung an: Dreh mit Beppo Küster und Pferden für Super-Illu-TV! Pferde gehören zu meinen Lieblingstieren, ich mag die Sanftmütigkeit, die weichen Nüstern und den Klang, wenn sie schnauben. Außerdem war ich selbst leidenschaftliche Reiterin.

      So entstand die Idee, eine neue Show »Sax & Horse« gemeinsam mit Profi-Reitern zu inszenieren. Die Eleganz der Dressurpferde – ein Traum. Das Ganze in eine Kür mit Saxophon zu verpacken, war die Realisierung des Traums, gemeinsam mit den edlen Tieren und ihren Reitern Andrea und Otto Ränsch. Beide sind wahre Könner im Dressurreiten, mehrfache Landesmeister und sammelten Punkte bei Weltcup-Prüfungen im Grand Prix Special. Wir drehten über diese außergewöhnliche Kombination eine Reportage für den MDR, Regisseur war Beppo Küster und mit seinem TV-Team hervorragend geeignet für derartige Inszenierungen. Als Kulisse hatten wir das majestätische Schloss in Delitzsch.

      Freitag, 12 Uhr, Drehbeginn

      Die Pferde Astor und Racido waren geputzt, trugen weiße Schabracken und sahen uns mit ihren großen Augen an, beinahe als wollten sie fragen: »Wann geht’s los?« Kamera an – Musik go – Start!

      Ich begann mit Wolfgang Amadeus Mozarts »Vogelfänger« – die Pferde schwebten über den Rasen. Piaffen, Passagen, Traversalen, fliegende Galoppwechsel. Genial. Andrea und Otto saßen tief im Sattel, mit stilvoller Haltung und es sah aus, als wäre es ein Kinderspiel, die Pferde auf diesem Niveau zu führen.

      Beppo Küster ließ uns die Kür einige Male wiederholen und drehte stets aus unterschiedlichen Perspektiven. Die Blicke der Reiter, die Bewegungen der weiß bandagierten Pferdebeine, die Hufe im Gras, all das fing die Kamera ein.

      Die Musik mischte sich mit dem Schnauben der Pferde – es waren sehr emotionale Augenblicke und für mich einer der schönsten und außergewöhnlichsten Drehs.

      Wer jemals mit Tieren gelebt und gearbeitet hat, kann dieses Glück nachvollziehen. Es ist eine Partnerschaft, in der eigentlich unterschiedliche Sprachen gesprochen werden, man sich aber trotzdem versteht und sich tief in die Seele blicken kann …

      Es war inzwischen 18 Uhr.

      Ich hatte durch die Freude an der Arbeit gar nicht bemerkt, dass meine Techniker und ich inzwischen fast ununterbrochen seit 38 Stunden auf den Beinen waren.

Die deutsche Nationalhymne

       Mit Sax im Boxring

      4. Juni 2010, Landesgartenschau Aschersleben

      An dieses Datum erinnere ich mich besonders, weil Peter Geburtstag hatte und trotzdem mit mir arbeiten musste :-), aber es sollte ein sehr spannender und schöner Tag werden!

      Unsere Reise führte zu einem großen Boxspektakel, veranstaltet von SES Sport Events Steinfurth.

      Ich durfte die deutsche Nationalhymne spielen, für Ramona Kühne. Wohl möglich und denkbar, dass Frauenboxen bis zu einer gewissen Zeit nicht jedermanns Sache war. Aber Frauen an bestimmten Musikinstrumenten wurden auch hin und wieder von fundamentierten Machos als »am Instrument nuckelnde Gogo-Girls« abgestempelt. Könnte sein, dass dies in von Männern dominierten Branchen nicht ganz unüblich ist.

      Boxen galt lange als Männerdomäne. Doch die gebrochene Nase von Stefan Raab durch Regina Halmich zeigte, dass Frauen nicht nur beim Sockenstricken begabt sein können, sondern auch in jeder anderen Form von Hand-, Faust- und Beinarbeit. Auch der beeindruckende Kinofilm »Million Dollar Baby« trug selbstredend dazu bei, die anachronistische Einstellung in vielen Köpfen zu durchbrechen. Nebenbei und aus ganz weiblicher Sicht bemerkt: Ich fänd’s genial zu wissen, dass mein rechter Haken, wenn es sein muss, einsatzbereit ist und angemessene Wirkung zeigt. Beim Box-Open-Air in Aschersleben sollte Ramona Kühne um die vakanten WM-Titel der WBO und WBF fighten und damit eine Dreifach-Weltmeisterschaft bestreiten.

      Außerhalb des Rings ist sie eine superschöne, elegante Frau und ebenso im Abendkleid ein echter Hingucker. Also musste die Hymne zu ihr passend elegant gespielt werden. Anmutig, feminin und trotzdem kraftvoll. Diese Gedanken hatte ich bei der Erarbeitung der Interpretation. Ging ja nicht um die Weltmeisterschaft im Topflappenhäkeln, sondern um Profiboxen einer Lady!

      So landete ich das erste Mal in meinem Leben im Boxring und war vielleicht genauso aufgeregt wie die Boxerinnen. Nur dass ich, realistisch gesehen, wesentlich bessere Chancen hatte, ohne Cuts und Blessuren aus dem Ring zu kommen.

      Sicherheitshalber beeilte ich mich, als die Hymne beendet war, auch tatsächlich den Ring zu verlassen. Mit meinem Sax, allerhand technischer Verkabelung, im langen Kleid


Скачать книгу