Das letzte Echo des Krieges. Der Versailler Vertrag. Susanne Brandt

Das letzte Echo des Krieges. Der Versailler Vertrag - Susanne Brandt


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ein amerikanischer Präsident während seiner Amtszeit Europa. Er wurde begeistert von den Bürgern begrüßt, viele hatten sich in traditioneller bretonischer Tracht im Hafen eingefunden und jubelten ihm zu. Auch in der Nacht standen Menschen bei Kälte entlang der Bahngleise, als der Zug WilsonWilson, Woodrow nach ParisParis brachte.51 In den kommenden Wochen reiste WilsonWilson, Woodrow nach EnglandGroßbritannien (Ende Dezember 1918) und im Anschluss daran nach ItalienItalien. Überall bereiteten ihm die Menschen einen jubelnden Empfang. In ParisParis schmückten beleuchtete Schriftzüge »Vive Wilson«Wilson, Woodrow die Straßen, und am 16. Dezember wurde der Präsident zum Ehrenbürger der Stadt ernannt.52 Das Bad in der Menge genoss der Präsident, denn der jubelnde Beifall bewies, wie begeistert die Menschen seine Vision eines gerechten Friedens unterstützten. Hundertausende kamen auf die Straße, als WilsonWilson, Woodrow RomRom, MailandMailand und TurinTurin besuchte. Er wurde wie ein Friedensgott empfangen, berichteten seine Begleiter.53 WilsonWilson, Woodrow hatte sich selbst hohe Ziele gesteckt, aber auch die Menschen erwarteten Großes von ihm. Dem Präsidenten schmeichelte die Zustimmung sehr. Zugleich hoffte er, dass seine Beliebtheit die Kritiker verstummen ließe. Sein Arzt Grayson notierte nach der Ankunft in ParisParis in sein Tagebuch: »Armer WilsonWilson, Woodrow. Ein Mann, der so viel Verantwortung trägt, ist zu bedauern. Die Franzosen glauben, dass er geradezu mit Zauberhand politische und industrielle Gerechtigkeit bringen wird. Wird er? Kann er?«54

      WilsonsWilson, Woodrow Gesprächspartner hatten zu diesem Zeitpunkt andere Prioritäten. David Lloyd GeorgeLloyd George, David hielt sich noch in EnglandGroßbritannien auf, da die bevorstehenden Wahlen am 14. Dezember 1918 seine ganze Aufmerksamkeit erforderten. Erst nach Weihnachten waren alle Stimmen ausgezählt, so dass der alte und neue Premierminister nun endlich WilsonWilson, Woodrow in LondonLondon treffen konnte. In ParisParis kam WilsonWilson, Woodrow sowohl mit Präsident PoincaréPoincaré, Raymond als auch mit dem Ministerpräsidenten zusammen. ClemenceauClemenceau, Georges gewann einen guten Eindruck von WilsonWilson, Woodrow, den er für freundlich hielt, aber auch für schockierend unwissend über die Lage in Europa.55 Lloyd GeorgeLloyd George, David und ClemenceauClemenceau, Georges merkten rasch, dass für WilsonWilson, Woodrow der Völkerbund und die zukünftige Friedenssicherung das überragende Konferenzziel war.56 Die Ausarbeitung der Satzung des Völkerbundes hatte in ParisParis dann auch absoluten Vorrang. Allerdings hatte WilsonWilson, Woodrow keineswegs ein ausformuliertes Konzept im Gepäck; der südafrikanischeSüdafrika Präsident SmutsSmuts, Jan Christiaan, aber auch WilsonsWilson, Woodrow Mitarbeiter David Hunter MillerMiller, David Hunter feilte an einem Entwurf. Das war kein Zeichen von Nachlässigkeit oder gar Faulheit. Vielmehr setzte WilsonWilson, Woodrow so viel Vertrauen in den Völkerbund, dass er annahm, er werde nach seiner Gründung nicht nur selbst seine Aufgaben und Wege finden, sondern im Zweifelsfall auch alle Schwächen des Friedensvertrages revidieren. Er rechnete fest mit dem Beitritt und dem positiven Einfluss neutraler Staaten, die an der PariserParis Friedenskonferenz nicht teilnahmen.57

      Schon bevor die Friedenskonferenz im Januar eröffnet wurde, zeichneten sich Meinungsverschiedenheiten im Lager der Siegermächte ab. Zwar waren sie rasch übereingekommen, dass in vielen Angelegenheiten lediglich die fünf großen Mächte entscheiden sollten (also FrankreichFrankreich, GroßbritannienGroßbritannien, ItalienItalien, JapanJapan und die Vereinigten StaatenUSA), und zwar in nichtöffentlichen Sitzungen. Man verständigte sich auf Englisch sowie Französisch als Konferenzsprachen und ernannte ClemenceauClemenceau, Georges zum Vorsitzenden. Doch in der Frage etwa, wie bedeutend die Rolle der USAUSA für den Sieg der Alliierten war, gelangten sie zu ganz unterschiedlichen Antworten. Für WilsonWilson, Woodrow hatten die USAUSA den entscheidenden Beitrag geleistet, da seit Dezember 1917 und bis November 1918 2 096 431 amerikanische Soldaten in Europa eingetroffen waren.58 In den Kämpfen im Sommer 1918, die mit dem Rückzug der Deutschen Armee endeten, seien es PershingPershing, John und die amerikanischen Truppen gewesen, die die Welt gerettet hätten. Er habe nicht vor, diese Tatsache in Vergessenheit geraten zu lassen.59 Das Gefühl der Überlegenheit resultierte sicherlich auch daher, dass der Präsident wusste, in welcher Höhe die Vereinigten StaatenUSA den westlichen Alliierten in den vergangenen Jahren Kredite gewährt hatten: Fast vier Milliarden Dollar betrugen die britischen Schulden, FrankreichFrankreich hatte Verpflichtungen gegenüber den USAUSA von mehr als drei Milliarden Dollar, ItalienItalien 1,2 Milliarden und BelgienBelgien 192 Millionen.60

      An der Frage, wer welche Opfer erbracht habe und welche höher zu bewerten seien, entzündeten sich in ParisParis, vor allem bezüglich der Reparationen, heftige Debatten.61 Die Sieger hatten den Krieg ganz unterschiedlich erlebt und gerieten darüber in Streit. WilsonWilson, Woodrow verärgerte ClemenceauClemenceau, Georges mit seiner Weigerung, direkt nach seiner Ankunft in FrankreichFrankreich die zerstörten Gebiete zu besuchen.62 Der französische Ministerpräsident war der Meinung, jeder könne bei einem Besuch der Departements, in denen der Krieg und die deutsche Besatzung getobt hatten, das Ausmaß der Leiden erkennen und dann die Forderungen FrankreichsFrankreich nachvollziehen. Bereits im Jahr 1920 legte ein Gesetz fest, welche Orte in FrankreichFrankreich als ewige Mahnmale an den Ersten Weltkrieg erhalten werden sollten. Darunter waren Schützengräben, besondere Anhöhen, Unterstände und große Minenkrater, also jene Orte, die auch zukünftigen Generationen die Narben FrankreichsFrankreich zeigen und vom Heldenmut künden sollten, wie der Gesetzestext erklärte.63 Doch WilsonWilson, Woodrow ließ sich nicht drängen. Erst einige Wochen später, Ende Januar, besuchte er amerikanische Truppen in Château ThierryChâteau-Thierry und auch die Kathedrale von ReimsReims, nach Ansicht der Alliierten das Sinnbild der systematischen Zerstörung durch die Deutschen.64

      Vor Pressevertretern, die mit WilsonWilson, Woodrow an Bord der George Washington reisten, kritisierte er GroßbritannienGroßbritannien und ItalienItalien dafür, aus Deutschland alles herausholen zu wollen, was möglich sei. Aus seiner Sicht sei Deutschland »am Boden und am Ende«.65 Er wünsche sich ein faires Verfahren, in dem die Sieger zwar Ansprüche stellen sollten, sich aber damit arrangieren müssten, was Deutschland zu leisten in der Lage sei. Der Präsident kritisierte die Pläne seiner Partner, eine Kommission ins Leben zu rufen, die genau ermitteln sollte, was Deutschland zahlen könne. Ein anderer Ausschuss sollte eruieren, wie diese Gelder unter den Siegern zu verteilen seien. WilsonWilson, Woodrow dagegen lehnte ein solches Vorgehen ab. Für ihn gelte nach wie vor, dass ein Frieden ohne Sieg geschaffen werden müsse. »Der Frieden, den wir schaffen werden, muss alleine von der Gerechtigkeit bestimmt werden.«66 Die in der Presse genannte britische Reparationsforderung von 40 Milliarden Dollar hielt er für unrealistisch. Seiner Meinung nach konnte Deutschland diese Summe nicht innerhalb einer Generation zahlen.67 Auch deutlich geringere Summen verwarf WilsonWilson, Woodrow: Als die Sekretärin seiner Frau erwähnte, sie habe in einem Zeitungsartikel gelesen, dass die Briten acht Milliarden Wiedergutmachung fordern würden, antwortete WilsonWilson, Woodrow: »Nicht, wenn ich es verhindern kann.«68

      WilsonWilson, Woodrow verstand es, seine Ziele überzeugend darzulegen: Diejenigen, die in ParisParis zusammenkämen, seien niemandes Herren, sondern die Vertreter einer neuen Welt, die zusammengekommen seien, um den größten Frieden aller Zeiten zu schaffen, erklärte der Präsident. Um dieses Ziel zu erreichen, werde er seinen ganzen Einfluss geltend machen. Wenn nötig, würde er gar abreisen und einen Separatfrieden schließen.69 In Zukunft werde Krieg nicht mehr die Sache einzelner Staaten sein, sondern jeder Krieg müsse als ein Ereignis aufgefasst werden, das die gesamte Welt betreffe.70 Allen war bewusst, dass eine enorme Aufgabe vor ihnen lag. General Tasker H. BlissBliss, Tasker H., Mitglied der amerikanischen Delegation, erklärte:

      »Jeden Tag tauchen neue Probleme auf, die gelöst werden müssen. Und das Problem ist, dass, wenn sie nicht rasch gelöst werden, der Hunger Bolschewismus und Umstürze nach sich ziehen wird. Und vielleicht ist dann niemand mehr zur Lösung da.«71

      WilsonWilson, Woodrow ahnte, dass es überaus schwierig sein würde, jedem Land das zu geben, was es verlangte. Falls es nicht gelänge, einen Frieden zu schaffen, der auf den höchsten Prinzipien der Gerechtigkeit beruhe, werde er innerhalb einer Generation von den Völkern der Welt hinweggefegt werden, prophezeite der Präsident.72 Auch sein Berater, Edward Mandell HouseHouse, Edward Mandell, war zu Beginn des neuen Jahres sorgenvoll:

      »Ich sehe schwierige und gefährliche Zeiten voraus und ich glaube nicht, dass eine Partei die Menschen in der unmittelbaren Nachkriegszeit zufriedenstellen kann. Deshalb möchte ich, dass die Republikaner, nach ihrem Wahlsieg,


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