Pflanzenalchemie - Ein praktisches Handbuch - eBook. Manfred M. Junius
Menschen mit einem so enormen Wissen. Er beherrschte vierzehn Sprachen, war Professor für indische Musik, Doktor der Ayurvedamedizin und Experte in vielen weiteren Bereichen. Er war ein Suchender, ganz im Sinne der alchemistischen Tradition, bewegt von den Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach den Geheimnissen der Natur, dem Wunsch nach Erkenntnis.
Nachdem er in Deutschland Pharmakologie studiert hatte, ging er mit dreiundzwanzig Jahren nach Indien. Sein Interesse an indischer Musik und Tanz war in ihm als jungem Mann in Spanien geweckt worden. Als Achtzehnjähriger reiste er in dieses Land »auf der Suche nach dem verlorenen Orient innerhalb Europas«. Er tanzte drei Jahre lang als Mitglied des Spanischen Nationalballetts. Danach studierte er in London den nordindischen Tanz Kathak. Doch im Grunde suchte er nach den Wurzeln dieses Tanzes, nach dem Orient, den er in Spanien nicht gefunden hatte, und verließ deswegen Europa. Es zog ihn nach Indien. Dort sollte er die Hälfte seines Lebens verbringen.
Er studierte zunächst an der von Rabindranath Tagore gegründeten Vishva-Bharati-Universität und setzte seine Studien der indischen Musik achtzehn Jahre lang an verschiedenen Orten fort. Er saß als Schüler zu Füßen vieler großer Meister wie Ravi Shankar, Pandit Gopal Das und Ustad Asad Ali Khan. Es wurde ihm der Professorentitel für klassische indische Musik verliehen, und man feierte ihn in Indien als »fremdländischen Magier indischer Musik«. Gleichzeitig interessierte sich Manfred Junius auch für Alchemie und fand in Italien in seinem Freund und Lehrer Augusto Pancaldi, der in der italienischen Schweiz lebte, einen Meister, der ihn in die Geheimnisse der Alchemie einweihte. Die Alchemie und der Wunsch, heilen zu können, führte ihn weiter zur Ayurvedamedizin, die Alchemie und Heilkunst verbindet. Mit über fünfzig Jahren nahm er dazu ein Studium an der Universität in Poona auf und wurde in diesem Fach selbst Dozent an dieser Universität.
In allen Bereichen – Musik, Tanz, Alchemie, hinduistische Kultur, Heilkunst, Philosophie – fand er tiefes Wissen und Weisheit, erkannte die göttlichen, heiligen Gesetze und konnte wie kaum ein anderer Querverbindungen in diesen Bereichen ziehen. Er war ein »uomo universale«, wie in der italienischen Renaissance ein Universalgenie bezeichnet wurde, ein kosmopolitischer Mensch, der auch als spiritueller Lehrer viele Menschen inspirierte. In Indien wurde ihm der ehrenvolle Titel »Acharya« verliehen, die Bezeichnung eines hinduistischen religiösen Lehrers, der durch sein Verhalten anderen ein Beispiel ist.
Manfred Junius gab in Seminaren weltweit sein Wissen über Alchemie, Musik, Medizin, Astrologie weiter und inspirierte viele Menschen. Er erzählte uns, seinen Schülerinnen und Schülern, während der Laborarbeit oft spannende Geschichten aus der Alchemie. Er schöpfte dabei aus seinem reichhaltigen Wissen und seinen vielen Reisen auf der Suche nach Erkenntnis. Er nahm uns mit nach Spanien, zu den ersten Alchemisten in Europa, nach Indien zu den Alchemisten, die sich ganz dem Heilen verschrieben hatten, und brachte uns beeindruckende Persönlichkeiten der europäischen Alchemie wie Paracelsus näher. Von Junius hörte ich zum ersten Mal vom Leben und Wirken der Alchemistinnen in Alexandria, vom »Opus mulierum«, der alchemistischen Kunst der Frauen. Er inspirierte mich, dieser Spur zu folgen, meinen alchemistischen Weg mit ihrem zu verbinden. Ich folgte seinem Rat, woraus unter anderem eine Wanderausstellung über die Alchemistinnen der Geschichte, »Opus mulierum, die vergessene Kunst der Frauen«, entstanden ist.
Doch Manfred Junius wirkte nicht nur als Alchemist. Als begnadeter Musiker begeisterte er mit seiner Sitar und der Surbahar, der großen Schwester der Sitar, und gab zahlreiche Konzerte in Europa und Australien. Während unserer alchemistischen Arbeit spielte er oft oder gab davor oder danach Konzerte in einer nahegelegenen Stadt. Wer seiner Musik lauschte, konnte die »Alchemie der Musik«, die »Transformation durch Töne«, erleben.
Manfred Junius siedelte 1979 nach Australien über und gründete dort gemeinsam mit Dr. Krishna Kumar Australerba Laboratories, eine Firma, die spagyrische und ayurvedische Präparate herstellt. Als Logo der Firma diente ein Bild aus einem alchemistischen Buch, das Manfred Junius besonders am Herzen lag: ein Holzschnitt aus dem 1618 erschienenen Werk von Michael Maier »Atalanta Fugiens«, das einen Alchemisten zeigt, der auf der Suche nach Erkenntnis mit wachen Sinnen den Spuren der Göttin Natura folgt. Manfred Junius schreibt in seinem Buch dazu: »Die alten Meister empfehlen, stets der Natur zu folgen und diese die Arbeit von selbst tun zu lassen.« So inspirierte er seine Schülerinnen und Schüler zur genauen Beobachtung der Natur, zu einem tieferen Verständnis ihrer Weisheit, um Erkenntnis zu erlangen und als Schutz vor menschlicher Hybris.
2004 verstorben, hat Manfred Junius als Lehrer in den Bereichen Alchemie, Ayurveda und klassische indische Musik eine großes Lücke hinterlassen.
Sein Wirken in der Alchemie und in der Musik sah Junius immer auch als inneren Wachstumsprozess, ganz in der Tradition der Alchemie: wie außen so innen, wie oben so unten. Sie diente ihm zur Vervollkommnung der Persönlichkeit, zur inneren Reinigung, zu edlen Gedanken, wie er es in seiner Widmung in meinem Exemplar des Buches schrieb. Dies verlieh ihm seine besonders berührende Bescheidenheit und seine starke heilende Ausstrahlung.
Ich wünsche dem Buch, dass es in diesem Geist weiter wirkt und noch viele Leserinnen und Leser inspiriert.
Susanne Fischer-Rizzi
Vorwort von Manfred Junius zur deutschen Erstausgabe
Die Neubewertung natürlicher Heilmethoden in unserer Zeit führte zu einem ständig wachsenden Interesse an Heilpflanzen und deren klassischen – und damit auch den spagyrischen – Aufbereitungsmethoden. Die Spagyrik1 im Reich der Heilpflanzen besteht in der Anwendung alchemistischer bzw. als parachemisch zu bezeichnender Erkenntnisse und Methoden bei der Aufbereitung von Tinkturen, Essenzen und anderen Erzeugnissen aus den uns zur Verfügung stehenden Heilpflanzen. Das vorliegende Werk möchte dem Leser diese Methoden näherbringen.
Ich habe versucht, die Spagyrik ganzheitlich darzustellen. Ohne Kenntnis der Vorstellungswelt und der Hintergründe des spagyrischen Denkens wäre eine nur praktische Methodologie unvollständig. Die wichtigsten spagyrischen Aufbereitungsmethoden werden einzeln besprochen, entsprechende wichtige Textstellen sind im Original zitiert. Das Werk will zugleich als spagyrisches Experimentierbuch zur Praxis anregen. Es liegt in der Natur des behandelten Gebietes, dass ein derartiges Buch niemals vollständig sein kann, auch ist eine gewisse Uneinheitlichkeit schwer zu vermeiden. Das weite Gebiet der Spagyrik bietet sich eher wie ein Mosaik dar, das sich erst langsam durch die Mitarbeit des Lesers vervollständigt.
Es wird davon ausgegangen, dass der Leser grundlegende Kenntnisse der Heilpflanzenkunde besitzt bzw. bereit ist, sich diese zu erwerben. Aus diesem Grund handelt das vorliegende Werk nicht einzelne Heilpflanzen ab. Verschiedene ausgezeichnete Werke über dieses Gebiet sind leicht zu beschaffen, die Bibliografie enthält Hinweise dazu.
Grundsätzlich enthalten spagyrische Aufbereitungen die Heilkräfte der jeweils verwendeten Pflanzen, und zwar integral oder partiell. Durch bestimmte, der Spagyrik eigene Verfahren können diese Kräfte insgesamt oder auch einzeln weiter potenziert werden.
Die hermetische Terminologie befremdet den Nicht-Eingeweihten oft und kann leicht zu Missverständnissen führen; wir müssen uns daher mit der »Übersetzung« der oft sehr dramatischen und stets bildhaften Sprache vertraut machen, obgleich sie dadurch viel von ihrer Schönheit und Suggestivität verliert. Wer in einem Fachgeschäft für Laborbedarf einen Vorschlag für zweckmäßige Geräte zur »Extraktion der philosophischen Prinzipien aus Pflanzen« bekommen möchte oder nach einem geeigneten »Helm für Geister« fragt, wird einen ratlosen Blick ernten, es sei denn, der Verkäufer besäße selbst Kenntnisse der Spagyrik. Ein eingeweihter Spagyriker dagegen würde den Wunsch sofort verstehen und entsprechende Vorschläge machen können, denn hinter den zunächst absurd anmutenden Worten verbergen sich klare Begriffe.
Die Klassifizierung der Pflanzen nach den sieben alten Planeten kann bei modernen Astrologen Reformbedürfnisse wecken. Die moderne astrologische Forschung berücksichtigt auch die Transsaturnier und eventuell noch andere Einflüsse und Rhythmen. Aus Respekt gegenüber der klassischen Tradition habe ich mich bewusst auf die Siebenheit beschränkt. Außerdem muss zwischen den sieben planetarischen Prinzipien als solchen und deren Planeten unterschieden werden.
Die Parachemie ist der Öffentlichkeit in unserer Zeit immer mehr zugänglich geworden und wird heute in vielen Ländern praktiziert. Arzneien