Drei Brüder. Jörg H. Trauboth
…?«
»Du hast richtig verstanden.«
»Die Heiterkeit zu bewahren ist für mich in Ordnung, so du mir in den Regierungsgeschäften beistehst, für das Erste ist es zu spät.«
Er lacht wieder lauthals. »Für die vierzehn Kinder oder das Feldlager?«
»Untersteh‘ dich, Paul! Wir haben eine Vereinbarung.«
Paul schaut sie an, wie damals im Büro, mit dieser hochgezogenen Augenbraue. Sie beschließt, diesen Moment auf keinen Fall zu wiederholen, zumal allmählich der Rumtopf wirkt.
»Ich habe eine Bitte an dich. Sage mir rechtzeitig, wenn ich in dieser Operation Eagle aus der Spur laufe.«
»Das sehe ich nicht, Henriette, du hast heute eine fantastische Lage gemacht, und bis zum Einsatzbefehl haben wir noch Zeit, mögliche Fehler zu erkennen und zu korrigieren. In der Zwischenzeit achte auf dich, wie ich auf Operation Eagle aufpassen werde.«
Sie nickt, schlüpft in ihre blau-weißen Pumps und zupft das Kostüm zurecht.
»Wie sehe ich aus?«
»Wie immer, perfekt, James.«
Sie nimmt seinen Kopf zwischen ihre Hände, küsst ihn flüchtig auf den Mund.
»Entschuldige, Paul, ich muss von dieser Sache erst wieder frei sein.«
Bevor er die Arme um sie legen kann zieht sie das Handy hervor und weist den Personenschutz an, vorzufahren.
Paul bringt sie zur Haustür und versucht, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Er hatte sich heute so gelassen wie möglich gezeigt, und war doch aufgeregt gewesen, wie vor dem ersten Date. Sie wären fast im Bett gelandet, endlich wieder, wie damals, aufregend und alles vergessend.
Was ist da verdammt noch mal schief gelaufen? Die WEFI-Akte kann es doch nicht allein gewesen sein! Was empfindet sie wirklich für ihn? Kann sie sich überhaupt zu einer Beziehung bekennen? Die schöne Henriette ist und bleibt so eine Art Touch-and-Go-Fall. Kurze Berührung, schon ist sie wieder weg. Vielleicht hat ihr Verhalten gar nichts mit dem Amt, sondern allein mit ihrer Bindungsfähigkeit zu tun? Eigentlich ist sie mit 49 Jahren längst ein eingefleischter Single. Wenn ich ehrlich bin, kenne ich sie besser im Kabinett als privat. Wer ist Henriette Behrens? Warum geht sie mir nicht aus dem Kopf? Was macht sie aufregend und sexy für mich? Macht ihre Macht mich an? Was wäre mit meinen Gefühlen, wenn sie nicht Bundeskanzlerin wäre? Nein, ihr Amt ist mir egal. Sie könnte auch eine Bibliothekarin in Trastevere in Rom sein. Doch was ist mit ihren Gefühlen? Machst du dir da nicht einfach gewaltig etwas vor, Paul Voss?
Die Rücklichter des Audi A8 verschwinden. Er würde zu gern wissen, was Henriette jetzt über ihre Beziehung zu ihm denkt. Egal. Weihnachten wird es nach der erfolgreichen Operation Eagle eine neue Chance geben. Mit einer ganz anderen, völlig entspannten Henriette. Glaubt er.
3.
Hammelburg
»Kommando Eagle, stillgestanden! Zur Meldung an den Kommandeur, die Augen links!«
»Herr General, ich melde Ihnen Einsatzkommando Eagle angetreten!«
»Danke, Hauptmann Anderson.«
Brigadegeneral Wolf steht noch unter dem Eindruck der gestrigen Besprechung im Auswärtigen Amt. Er hat die Vorbereitung hier in Hammelburg bewusst gewählt, es ist der perfekte Ort.
Sie sitzen im Briefing-Raum. Wolf schaut auf die Gesichter seiner Truppe. Keiner älter als dreißig. Sie sind durch alle Höllen der zweijährigen Ausbildung gegangen, körperlich und psychisch, bis an ihre Grenzen. Und als sie dachten, sie seien fertig, kam das Verhörtraining. Wer die tagelange Tortur in grellem Licht, unter lauter Rockmusik, in Eiseskälte, den Eimern mit kaltem Wasser über dem Kopf und den Schreien der Befragungsoffiziere nicht durchhielt, konnte einen Code sagen. Dreimal hintereinander, dann war er draußen. Und viele waren draußen.
Der Kommandeur spricht bewusst leise und undramatisch, wie es seine Art ist, wie sie ihn kennen.
»Sie sind hier, weil Sie zu den Besten der Besten gehören. Ihr Auftrag: Befreiung der zwei deutschen Geiseln Helmut Weier und Josef Fischer im Nordirak. Wir kennen das Gebäude, in dem sie sind, und die Bewachung. Sie werden mit An- und Abmarsch vier Stunden unterwegs sein. Ihr Einsatz wird allerdings nur wenige Minuten dauern. Alles, was Sie gelernt haben, wird von Ihnen abgefordert: Belastbarkeit, Schnelligkeit und Entscheidungsfähigkeit in einer Situation mit Feindberührung. Wir geben Ihnen das Beste an Ausrüstung mit. Der neue Hubschrauber ist perfekt für den Nachteinsatz vorbereitet, Premiere sozusagen. Unsere beiden Luftwaffen-Crews aus dem Hubschraubergeschwader 64 in Laupheim sind nicht nur Combat-Ready-Einsatzpiloten, sondern auch ehemalige KSK-Kämpfer. Ebenfalls Premiere. Ich begrüße die Hauptleute Walter Schmidt und Henry Kirch sowie die Oberleutnante Fritz Jung und Willi Fröhlich!«
Die versammelten Soldaten klatschen. Jung & Fröhlich ist im Kommando ein geflügeltes Wort für Spaß im Job.
»Das ist wirklich mal ’was Neues«, flüstert Thomas zu Tim rüber, »Kommandosoldaten als Hubschrauberpiloten.«
»Zwei tolle Typen«, flüstert Tim zurück, »ich mag sie, immer gut drauf, so schade, dass sie zur Luftwaffe gewechselt sind.«
Der General schaut zum Truppführer. »Wir werden unser mobiles Einsatzkommando in der Türkei haben. Hauptmann Anderson wird Sie jetzt einweisen.«
Über einen Beamer werden die Karten eingeblendet. Die Männer haben es sich inzwischen in den Sesseln bequem gemacht. Die lockere Atmosphäre ähnelt einem Briefing für Einsatzpiloten der Luftwaffe. Spezialisten wie diese dürfen so sein, auch beim deutschen Heer.
Der lange, schlanke, dunkelhaarige Marc hat den Einsatz gedanklich mehrmals durchgespielt. Wie man Geiseln befreit, muss er seinen Trupp-Kameraden nicht erzählen. Doch dieser Einsatz ist sehr speziell.
»Unsere Operation heißt EAGLE. Wir werden am 23. Dezember um 08.00 Uhr Zulu vom Taktischen Luftwaffengeschwader 33 Büchel in der Eifel mit zwei Airbus A400M und zwei Eurocoptern H145M verlegen. Ziel ist die Air Base Diyarbakir im Süden der Türkei, genauer gesagt in Südanatolien.«
»Da gibt’s gute Teppiche«, signalisieren sich Jung und Fröhlich.
»Die vier Kollegen in unseren fliegenden Teppichen kennt ihr aus alten Zeiten. Den Eurocopter Eagle Alpha fliegen Walter und Henry. Eagle Bravo Jung und Fröhlich. Die beiden Co-Piloten Henry und Willi sind Medics. Ihr wisst, was das heißt. Sie dürfen chirurgische Eingriffe durchführen, und sie sind für ihre Grobmotorik bekannt! Beim Abschneiden von Gliedmaßen mit der Zange aus der neuen Werkzeugkiste des Eurocopters sind sie überhaupt nicht zimperlich.«
Alles lacht.
»Nun zu uns. Ich bin Eagle One, Thomas Eagle Two, Tim Eagle Three. Tim verlässt uns bereits morgen. Er wird uns vor Ort die aktuelle Situation für unseren Einsatz liefern, bevor er dann am 23. in Diyarbakir wieder zu uns stößt. Eagle One, Two und Three sitzen im Eurocopter Eagle Alpha. Eagle Bravo planen wir als Back-up. Ihr wisst, was bei der Operation Geronimo im Hof von Osama bin Laden passierte: Ein Ghost Hawk-Hubschrauber machte Bruch. Gut, dass die Kollegen damals einen Chinook-Hubschrauber dabei hatten. Den brauchen wir hier nicht. Wir werden überraschend ins Zielgebiet eindringen und seilen uns blitzartig ab, so, wie wir das vom Fast Roping kennen. Die Hubschrauber werden sich so positionieren, dass sie uns mit ihren Bordwaffen Feuerschutz geben können und auch Licht.«
»Warum lassen wir euch nicht auf das Dach des Gebäudes ’runter?«, fragt der Hubschrauberpilot Fritz Jung.
»Danke, Fritz, für die Frage. War auch die erste Option. Drei Punkte sprechen allerdings dagegen. Erstens, das Gebäude ist zweistöckig. Die Geiseln sollen in der unteren Etage sein. Also müssten wir erst ’runter, entweder durch das Gebäude oder durch die Fenster. Da kann viel passieren. Zweitens, wir müssen die Wachen ausschalten, bevor sie aktiv werden. Das