Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane. Alfred Bekker
Ich rief die Nummer, die sich Erikson notiert hatte, zweimal an. Das erste Mal noch am Abend. Aber es nahm niemand ab. Das nächste Mal am nächsten Morgen und diesmal mit mehr Glück.
"Firma Kreuzpaintner, Wien", sagte eine Stimme in schauerlichem Wiener Schmäh Marke Arnold Schwarzenegger.
"Ja, guten Tag", sagte ich. "Ich wollte fragen, ob noch Plätze frei sind."
"Verzeihung?" Er sprach es so aus, dass es wie Verzeeääihung klang.
"Na Sitzplätze. Für die Busreise nach Rimini."
"Wir sind ein Import/Export-Kontor, kein Reisebüro", kam es jetzt etwas hochdeutscher, dafür aber auch schon merklich unfreundlicher durch die Leitung. "Ich glaube, Sie sind falsch verbunden."
"Nein. Mir hat jemand Ihre Nummer gegeben. Und Kreuzpaintner stimmt auch."
"Ein seltener Name ist das ja auch nicht gerade!"
"Kann schon sein, aber..."
"Hören Sie, mein Herr." Er sagte Heeäär. "Es tut mit leid, ich kann Ihnen nicht helfen." Damit legte er auf. Und mir tat es auch leid. Schließlich hätte ich gerne noch ein bisschen mehr erfahren.
Wien, dachte ich. Warum nicht einen kleinen Abstecher nach Wien machen? Wien, Zürich... Lag ja fast aus dem Weg, oder?
Naja, fast.
9
In der nächsten Woche machten wir unseren Trip nach Zürich. Tina hatte tatsächlich die ganze Woche freibekommen, womit ich nicht im Traum gerechnet hatte. Aber so konnten wir uns ein bisschen Zeit lassen.
Wir fuhren per Intercity. Einmal quer durch durch Deutschland und dann in die Berge. Es ist eine schöne Art zu reisen. Mein Volvo hätte so eine Strecke wahrscheinlich auch gar nicht überlebt.
Wir stiegen in einem guten Hotel ab. Es war so gut, dass Tina ganz von den Socken war. Ich sagte ihr, sie solle ihr Erstaunen etwas weniger deutlich zeigen. Es fiel nämlich schon auf. Auf jeden Fall hatten wir ein paar schöne Tage.
Ich richtete mein Konto ein und Tina bohrte noch etwas deswegen herum. Hartnäckig war sie ja. Warum ich denn hier ein Konto haben wollte, wo ich doch gar keine Steuern zahlen würde, die ich hinterziehen könnte und so weiter. Sie war halt ziemlich neugierig. Einer ihrer ganz wenigen unangenehmen Seiten. Aber damit konnte ich leben.
"Was hältst du davon, wenn wir noch 'nen kleinen Abstecher nach Wien machen?", meinte ich.
"Wien?"
"Ja."
"Einen kleinen Abstecher nennst du das?"
"Wien ist ist doch toll."
"Sicher."
"Stell dir vor: Wir fahren mit dem Vieracker durch die Stadt und..."
"Meinetwegen."
"Also einverstanden?"
"Ja. Ich frage mich nur, ob das alles nicht zu teuer wird."
Ich lächelte. "Ist es dein Geld?"
"Nein."
"Dann lass es mich doch verplempern, wie ich es will."
"Na, gut."
"Wenn's alle ist, können wir uns ja immer noch an die Bahnhofsmission wenden."
"Ach, hör auf!" Sie lachte.
"Ich weiß gar nicht was du hast! Ich habe das schon einmal gemacht!"
"Ja, du."
Es war nur ein paar Minuten später, da las ich in der Zeitung eine Meldung. Keine Schlagzeile, sondern eine kleinen Kurzmeldungen auf der letzten Seite.
Der russische Wissenschaftler Prof. Dr. Jurij Sergejewitsch Snegow ist gestern in Bern bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Ein Personenwagen erfasste den 52jährigen in einer unübersichtlichen Nebenstraße. Der Fahrer ist flüchtig. Nach ihm wird gefahndet. Snegow, der in der ehemaligen Sowjetunion an der Entwicklung von Trägersystemen für Nuklearsprengköpfe gearbeitet hatte, hielt sich zu einem Privatbesuch in der Schweiz auf.
10
Auf der ganzen Fahrt nach Wien ging mir der verdammte Russe nicht aus dem Kopf. War dieser Snegow wirklich an einem Unfall gestorben? Es sah so aus. Es konnte aber auch etwas ganz anderes dahinterstecken. Schließlich war es ja auch möglich, dass die Leute, in deren Auftrag der graue Mann mich angeworben hatte, noch eine ganze Reihe weiterer Geheimnisträger der ehemaligen UdSSR auf ihrer Todesliste hatten, um zu verhindern, dass Libyen, der Iran oder wer auch immer eine Art Ex-Sowjet Brain Trust zusammenstellten. Die Gelegenheit war ja schließlich auch ziemlich einmalig. Preise wie im Ausverkauf auf dem Grabbeltisch.
Später, als wir in Wien waren, versuchte ich, etwas über diesen Snegow in anderen Zeitungen zu finden. Tina war schon ganz kribbelig, weil ich einen Stapel Papier am Bahnhof kaufte und dann mit ins Hotel nahm.
"Was willst du damit?"
"Lesen."
"Steht doch überall dasselbe drin!"
"Manchmal nicht."