Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane. Alfred Bekker
Sie, ich sage Ihnen die Wahrheit."
"Hier geht es um eine große Sache, wenn Sie die vermasseln, dann bekommen Sie Ärger." Ich machte eine bedeutungsvolle Pause und deutete dann mit der Linken zum Lift. "Sehen Sie die Frau da vorne?"
"Die..."
"Ja, die mit kurzen Rock. Die ist auch von uns."
"Hätte ich nicht gedacht!"
Er schien sehr beeindruckt und schwitzte jetzt noch mehr.
Ich hatte Mitleid mit ihm.
"Also gut", murmelte ich und wandte mich um. Und traf es mich wie ein Fausthieb in die Magengrube. Ich sah den Grauen aus einem der Flure kommen.
Er war nicht allein. Neben ihm ging ein hochgewachsener Mann mit schütterem blonden Haar. Er war vielleicht Mitte vierzig und recht hager.
Ich ließ augenblicklich das Hoteljournal hochschnellen.
Sie kamen näher und gingen an mir vorbei in Richtung Ausgang, wo sie einen Augenblick stehenblieben und ein paar erregte Worte miteinander wechselten. Ich sah nur, wie ihre Münder sich öffneten und wieder schlossen und wandte mich wieder an den Portier.
"Sehen Sie sich den Grauhaarigen am Ausgang mal an, mein Guter!"
Er sah ziemlich belämmert aus und beugte sich dann zu mir herüber. "Das ist kein Gast", versicherte er mir.
Ich verzog das Gesicht.
"Ach, nein?"
"Wirklich nicht! Glauben Sie mir, ich habe einen Blick für Gesichter."
"Und das Gesicht hätten Sie behalten?"
"Mit Sicherheit."
"Und der Mann daneben?"
"Der wohnt hier."
Der Graue und sein Begleiter gingen jetzt hinaus ins Freie. "Wie heißt er?" fragte ich.
"Also..."
"Nun schauen Sie schon in Ihrem verdammten Gästebuch nach!"
Er schaute nach. Der Blonde nannte sich Bo Erikson und war Schwede. Und das Beste: Er hatte sogar die Nummer seines Reisepasses hinterlassen. Ich notierte sie mir.
"Wie lange bleibt er?"
"Darüber hat er nichts gesagt."
"Welche Zimmernummer hat er?"
"Vierunddreißig."
"Sagen Sie ihm nichts von mir."
"Natürlich nicht."
Ich bewegte mich jetzt auch auf den Ausgang zu. Mir war klar, dass ich vorsichtig sein musste. Ich ließ den Blick ein wenig schweifen und dann sah ich die beiden in einem schwarzen Mazda sitzen.
Sie schienen sich zu unterhalten.
Ein Königreich für eine Wanze!, dachte ich. Dann stieg der blonde Erikson aus und schlug die Tür hinter sich zu. Der Mazda brauste augenblicklich davon und fädelte sich auf ziemlich brutale Weise in den Verkehr ein. Irgendjemand hupte und ich schätzte die Anzahl der Vögel, die in dieser Sekunde gezeigt wurden, auf ein halbes Dutzend.
Ich konnte mir gerade noch die Wagennummer merken, sah aber auch das Emblem einer bekannten Leihwagenfirma und konnte mir daher ausrechnen, dass auch diese Spur nicht sonderlich weit führen würde.
Erikson kam indessen direkt auf mich zu.
Er kannte mich nicht. Jedenfalls nahm ich das an. Als er mich erreicht hatte, hob er kurz den Blick und musterte mich für eine volle Sekunde mit seinen leuchtend blauen Augen, bevor er an mir vorbeiging.
Ich sah mich nicht um und überlegte, welche Rolle der Schwede in dieser ganzen Sache spielte.
Was mochte hinter diesem ganzen Theater stecken?
Ich atmete tief durch.
Spielt das denn wirklich eine Rolle?
Eine unbequeme Frage, vor deren Beantwortung ich mich bisher ein bisschen gedrückt hatte.
Nein, es spielte keine Rolle. Nicht die geringste. Ich wollte die halbe Million und wenn der Kerl, den ich dafür erledigen sollte ein Schweinehund war, um so besser.
4
"Was würdest du davon halten, in Rio zu leben?"
"Häh?"
"Rio. Rio de Janeiro, Brasilien."
"Was spricht man denn da?"
"Portugiesisch."
"Kannst du Portugiesisch?"
Ich grinste.
"Muito bem."
Tina lachte. Ihre Zähne blitzten dabei. "Na, dann kann ja nichts passieren!"
Ich langte über den Tisch und nahm ihr Handgelenk. Sie war am Essen und hatte eine Gabel zwischen den Fingern. Ich sah ihr in die Augen.
"Was ist?"
"Ich meine es ernst", sagte ich.
"Wenn ich genug Geld hätte, dann... Warum nicht? Dann kann man überall leben, oder?"
Ich nickte.
"So sehe ich das auch."
"Ich wollte immer schon mal nach Afrika."
"So?"
"Zum Kilimandscharo. Muss toll sein." Sie zuckte mit den Schultern. "Leider ist das nötige Kleingeld nicht vorhanden."
"Nimm mal an, wir hätten genug."
"Ach, hör auf!"
"Warum? Stell's dir doch mal vor!"
Sie seufzte und lehnte sich zurück. Ich ließ ihr Handgelenk los. "Das ist doch bestimmt wieder irgend so eine Spinnerei von dir! Ich kann dir nur sagen, lass die Finger davon!"
Ich zuckte die Schultern.
"Ich glaube, du hast mich missverstanden."
"Nein, das glaube ich nicht."
Das ist einer der Nachteile einer längeren Beziehungskiste. Man kennt sich einfach zu gut.
"Ich muss nachher noch weg", sagte ich ihr.
"Wohin denn?"
"Weg."
"Du warst schon mal auskunftsfreudiger!"
"Ich sag's dir ja auch bloß."