Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane. Alfred Bekker

Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane - Alfred Bekker


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      "Haben Sie schon mal jemanden getötet?"

      Ich hatte seine Frage noch gut im Ohr. Und ich hätte in jenem Augenblick nicht im Traum daran gedacht, dass ich ein paar Wochen später ungeduldig darauf warten würde, dass er mich anrief.

      Die fünftausend, die er mir fürs Nachdenken gegeben hatte, waren schon so gut wie aufgebraucht. Anfangs hatte ich ihn für einen Spinner gehalten. Jetzt war mir klar, dass er genau gewusst hatte, was er tat. Verdammt genau. Ich wollte jetzt auch die halbe Million. Und es war mir fast schon egal, was ich dafür zu tun hatte. Ich war tief gesunken und wartete noch immer vergebens darauf, dass es anfing mich zu stören.

      Als der graue Mann anrief, war es kurz nach drei am Nachmittag. Ich nahm den Hörer ab.

      "Ja?"

      Er sagte keinen Namen und keine Begrüßung, sondern kam unmittelbar zur Sache. Aber ich erkannte seine Stimme sofort und wusste, mit wem ich sprach. Mit ihm.

      "Haben Sie es sich überlegt?"

      "Ja."

      "Interessiert?"

      "Ja."

      "Gut."

      Er legte auf.

      Ich saß da wie bestellt und nicht abgeholt. Ich hatte keine Ahnung, wen ich ins Jenseits befördern sollte, wo ich ihn finden konnte und so weiter. Ich hatte nicht einmal eine Waffe. Aber der graue Mann war keiner, der irgend etwas dem Zufall überließ, so gut glaubte ich ihn inzwischen schon zu kennen. Er würde schon dafür sorgen, dass alles über die Bühne ging.

      Ich ging zum Fenster und blickte hinaus. Es war regnerisch heute. Ein trüber Tag, den man am besten aus dem Kalender strich. Erst nach und nach wurde mir klar, was ich vor wenigen Sekunden getan hatte. Ich hatte den Auftrag angenommen und ich wusste nur zu gut, dass es jetzt kein Zurück mehr gab auf diesem Weg, an dessen Ende ich ein Mörder sein würde. Es war jetzt keine reine Gedankenspielerei mehr, sondern tödlicher Ernst. Ich dachte an die halbe Million.

      15

      Jeden zweiten Tag rief ich in Zürich an, um mich nach meinem Kontostand zu erkundigen. Tina würde sich über die Telefonrechnung freuen. Ende der Woche kam dann die Überweisung. Hunderttausend Franken. Das war mehr Geld, als ich je besessen hatte. Ein merkwürdiger Schauer überlief mich, als mir die Stimme auf der anderen Seite der Strippe bestätigte, dass das Geld tatsächlich eingezahlt worden sei. Der graue Mann hatte Wort gehalten. Und ich würde es auch tun.

      Vermutlich blieb mir auch gar nichts anderes übrig, wenn ich noch eine Weile leben wollte. Und auf einmal bekam die ganze Sache einen üblen Beigeschmack. Man hat dich gekauft, sagte irgend etwas in mir.

      Der graue Mann rief nicht mehr an. Mit wachsender Ungeduld schaute ich jeden Tag in den Briefkasten. Konnte ja sein, dass man mir das Material zuschickte. Die Waffe, ein Foto des armen Schweinehunds, den ich allemachen sollte und so weiter. Aber noch war nichts gekommen.

      "Was ist eigentlich los mit dir?", fragte mich Tina irgendwann mal während dieser Zeit.

      "Was soll denn los sein?", grunzte ich zurück.

      "Du bist so... in dich gekehrt."

      "Ich bin eben ein introvertierter Mensch. Vielleicht wäre ich unter anderen Umständen Mönch in einem buddhistischen Bergkloster geworden."

      Es sollte witzig klingen.

      Es klang aber nur irgendwie bescheuert.

      "Du willst mich verarschen!", stellte Tina zielsicher fest.

      "Würde ich nie tun!"

      "Tust du dauernd."

      "Ach, komm!"

      "Na, ist doch wahr!"

      Am nächsten Tag bekam ich Post. Ein weißer Umschlag, mit einem Computer-Etikett beklebt, auf das mein Name und Tinas Adresse aufgedruckt waren. Ich machte auf und schaute mir den Inhalt an. Es war ein Schlüssel. Ich kannte diese Art von Schlüssel. Sie gehörte zu den Gepäckfächern im Bahnhof.

      Dabei war ein Zettel. Auf dem Stand: Bis 18 Uhr. Ich fuhr erst hin, als Tina nicht mehr in der Wohnung war. Vor dem Bahnhof stellte ich den Volvo im Parkverbot ab und hoffte, dass die alte Kiste noch da war, wenn ich zurückkam. Aber ich hatte keine Wahl. Alle regulären Plätze waren belegt.

      Als ich die Bahnhofshalle betrat, hatte ich ein flaues Gefühl in der Magengegend. Ich konnte noch nicht einmal genau sagen, warum eigentlich. Ich konnte mich nicht erinnern, ein solches Gefühl gehabt zu haben, als man uns in den Tschad geflogen hat.

      Und damals war ich in Gefahr gewesen.

      Jetzt war es jemand anderes.

      Und wenn man dem glauben konnte, was der graue Mann mir erzählt hatte, dann waren wir alle in Gefahr und ich trug ein bisschen dazu bei, sie zu verringern. Wie auch immer.

      Wahrscheinlich war es nur die halbe Wahrheit.

      Ich ging zu den Gepäckfächern und öffnete schließlich dasjenige, dessen Nummer mit der auf meinem Schlüssel übereinstimmte.

      Im Innern war ein kleines Diplomatenköfferchen. Ich nahm es an mich, drehte mich ein wenig zur Seite und ging dann mit schnellen Schritten davon.

      Dabei fragte ich mich, ob sie mich wohl beobachteten. Ich hatte zwar nichts bemerkt, aber da ich es mit Profis zu tun hatte, musste das nichts heißen.

      Als ich wieder hinter dem Steuer des Volvos saß, fühlte ich mich schon bedeutend wohler. An der Scheibe klebte ein Zettel. Glück gehabt!, dachte ich. Ein paar Mark fürs Falschparken waren nicht so unangenehm, als wenn einem die Karre abgeschleppt wurde.

      Ich startete.

      Und aus den Augenwinkeln sah ich den Koffer neben mir auf dem Beifahrersitz liegen. Ich öffnete ihn erst zu Hause.

      Tina war bei der Arbeit. Ich konnte das in aller Ruhe machen, ohne dumme Fragen gestellt zu bekommen.

      Da war einmal ein Futteral, das aussah wie die Umhüllung meines Rasierapparats.

      Aber ich wusste nur zu gut, was darin war.

      Ich öffnete und sah eine automatische Pistole samt Munition und Schalldämpfer. Ich nahm die Waffe heraus und lud sie durch. Dann nahm ich sie etwas genauer unter die Lupe. Die Seriennummer war abgefeilt. Die Leute, in deren Auftrag ich den Todesengel spielen sollte, hatten auch wirklich an alles gedacht.

      Ich packte die Waffe wieder bei Seite und nahm dann den braunen Umschlag, Format Din A5. Als ich ihn öffnete, mit den Fingern hineinlangte und das Fotopapier spürte, hatte ich wieder das flaue Gefühl.


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