Killerrache: Krimi Koffer 9 Romane. Alfred Bekker
Koffer mit der Waffe und ging dann die Treppe hinauf zu Tinas Wohnung. Ich schloss auf und trat ein.
"Tina?" Ich hatte ein schlechtes Gefühl. In der Wohnung war es völlig still. Ich blickte den Flur entlang und lauschte. Kein Laut. "Tina?"
Schon dieses zweite Tina? war im Grunde überflüssig. Es war mir instinktiv klar, dass hier etwas nicht stimmen konnte. Und dann fiel mein Blick auf die kleine Lampe, die von der Kommode gefallen war und nun auf dem Boden lag. Tina hätte sie sofort aufgehoben. So war sie nun mal. Ich machte ein paar Schritte vorwärts und hatte das untrügliche Gefühl, direkt in eine Art Falle hineinzutappen. Dann kam ich an die Wohnzimmertür. Ich stand halb im Rahmen und sah einen Mann im Drehsessel sitzen und offenbar auf mich warten.
Zu seinen Füßen lag Tina, die mit starren toten Augen ins Nichts blickte.
Blitzartig ließ ich mich zur Seite fallen, während es mehrfach plop! machte. Ein Geräusch wie ein kräftiges Niesen. Ich wusste nur zu gut, dass es durch eine Schalldämpferwaffe verursacht wurde. Der Kerl im Sessel hatte ohne eine Sekunde zu zögern angefangen, wild draufloszufeuern. Ich sah die Projektile die Tapete im Flur zerfetzen und fragte mich, was ich tun konnte, um mein Leben zu retten.
Der Weg aus der Wohnung war abgeschnitten. Ich rannte in die einzige Richtung, die übrig blieb. In die Küche. Den Koffer mit der Pistole ließ ich dabei zurück. Die Waffe konnte mir jetzt ohnehin nichts nützen. Sie war nicht geladen und mein Gegner würde mir sicherlich nicht die Zeit geben, das nachzuholen.
Ich hörte seine Schritte.
Er kam näher, während mein Blick über die glatten, blitzblanken Küchenmöbel glitt.
Das war's dann!, sagte eine Stimme in mir. Ich stand mit leeren Händen da und der Killer, der mir ans Leder wollte hielt eine Pistole in der Rechten.
Ich griff nach einer Schublade, zog sie heraus und sah das große Tranchiermesser. Ich überlegte nicht lange, sondern nahm es in die Rechte.
In der nächsten Sekunde stand er mir gegenüber. Er hatte ein ausdrucksstarkes, kantiges Gesicht und war mindestens zehn Jahre älter als ich. Vielleicht war sein Mordsjob auch derart stressig, dass seine Haare vorzeitig ergraut waren.
Seine Automatik hielt er beidhändig.
Er kniff ein Auge zu beim Zielen. Offenbar wollte er jetzt auf Nummer sicher gehen.
Alles in allem war es nämlich ein mittelgroßes Wunder, dass er mich nicht erwischt hatte.
Ich zögerte nicht den Bruchteil eines Augenblicks, sondern stürzte sofort auf ihn. Schließlich hatte ich nichts mehr zu verlieren.
Mit der Linken umfasste ich sein Handgelenk und bog den Pistolenlauf in Richtung Decke.
Es machte plop! und ein bisschen Putz rieselte herab. In derselben Sekunde schlitzte ich ihn mit dem Tranchiermesser fachgerecht auf.
Ich hatte gelernt, wie man mit einem Messer einigermaßen schnell tötet, ohne sich dabei allzu dreckig zu machen.
Es ging blitzschnell.
Ritsch ratsch und aus.
In seinem gefrorenen Blick stand eine unausgesprochene Frage. Er war offenbar überrascht. Einen Augenblick lang noch schwankte er, dann schlug er der Länge nach auf den Boden. Er war tot.
Ich legte das blutige Tranchiermesser auf den Küchentisch und stieg dann über den Toten, um ins Wohnzimmer zu gelangen, wo ich Tina gesehen hatte. Ich fühlte den Puls bis zum Hals schlagen und fühlte mich scheußlich. Als durch die Tür trat, musste ich schlucken. Ich beugte mich über ihren leblosen Körper und schloss ihr die Augen. Zwei Schüsse hatte der Killer ihr verpasst, einen in den Hals, den anderen ziemlich genau ins Herz.
Ich fluchte irgend etwas vor mich hin.
Man konnte darauf wetten, dass der Killer meinetwegen gekommen war. Wahrscheinlich hing es mit der Sache zusammen, auf die ich mich eingelassen hatte. Ich verwünschte mich dafür, aber es ließ sich nicht rückgängig machen. Noch hatte ich keine Ahnung, wie das alles zusammenhing, aber ich würde es herauskriegen.
Ich stellte mir vor, wie es geschehen war.
Der Killer hatte an der Tür geklingelt, Tina hatte geöffnet. Vielleicht hatte der Kerl gleich kurzen Prozess gemacht und dann Tinas Leiche ins Wohnzimmer geschleift, um dort in Ruhe auf mich zu warten.
Er hatte sie nicht am leben lassen können, das war mir schon klar. Aber dafür war es sein letzter Job gewesen.
Ich nahm Tina in den Arm.
Und weinte.
ZWEITER TEIL
Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging, ehe ich wieder zu mir kam. Alles erschien mir seltsam unwirklich. Wie ein Alptraum, von dem man dumpf ahnt, dass er nicht real ist. Aber dieser Alptraum war real. Leider. So schwer es mir in diesem Moment auch fiel, aber ich musste jetzt meine fünf Sinne beisammenhalten. Für Tina konnte ich nichts mehr tun, aber wenn ich etwas Glück hatte, konnte ich vielleicht noch meine eigene Haut retten.
Ich legte Tina zurück auf den Boden und erhob mich. Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, sie mir nicht noch einmal anzusehen, aber dann tat ich es doch.
Mit ihren geschlossenen Augen wirkte sie fast wie schlafend. Ich konnte noch immer kaum fassen, dass sie nicht mehr aufwachen würde. Nie mehr.
Ich ging hinaus in den Flur. In der Küchentür lag der Killer. Ich sah ihn mir zum ersten Mal wirklich an. Er sah aus, als könnte er immer noch nicht wirklich begreifen, dass er tot war.
Ich beugte mich über ihn und schlug sein Jackett zur Seite und durchsuchte die Innentaschen. Ich fand eine Brieftasche samt Führerschein, ausgestellt auf den Namen Hellmut Deschner. Das Foto stimmte überein, aber trotzdem hatte ich bei dem Führerschein den Verdacht, dass er falsch war.
Ich nahm das Kleingeld aus der Brieftasche und steckte es ein. Dreitausend D-Mark, der größte Teil in Fünfhundertern und Zweihundertern.
Der Leiche, die sich Deschner genannt hatte, konnte es nichts mehr nützen, aber mir ersparte es einen Gang zur Bank. Ich hatte jetzt ein paar Dinge zu tun, die wichtiger waren. Und zwar sehr schnell.
In Deschners Hosentaschen fand ich neben einem benutzten Taschentuch noch einen Wagenschlüssel mit dem BMW-Emblem als Anhänger. Ich würde mir den Wagen noch genau unter die Lupe nehmen, falls ich ihn fand.
Dann ging ich ich und packte meine Sachen. Es war nicht viel. Nicht viel mehr als das, womit ich eingezogen war. Es passte in einen Koffer.
Schade, dachte ich, als ich wieder im Flur stand. Ich hatte mich hier zu Hause gefühlt. Aber es gab