Jugendsprache. Eva Neuland

Jugendsprache - Eva Neuland


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Können Sie noch Deutsch?“ hatte die Tagespresse schon 1979 ihrer Leserschaft das „Disko-DeutschDisko-Deutsch“ präsentiert und zur Erleichterung des Verständnisses eine Version „Normal-Deutsch“ beigefügt. Ein Textauszug lautet:

Disko-DeutschDisko-Deutsch Normal-Deutsch
[…] Ich Chaot hatte keine Matte mit, weil ich meinen Kaftan vergessen hatte, und sagte zu Peter, er solle mal ausklinken. […] Dummerweise hatte ich kein Geld dabei, weil ich mein Jackett vergessen hatte und bat Peter, er möchte für mich zahlen.
In dem Schuppen zogen ein paar People schon eine heiße Show ab. In dem Lokal sorgten einige Leute gehörig für Stimmung.
Wir machten eine kurze Fleischbeschauung und Peter machte sich sofort daran, eine riesige Tussi anzugraben. Wir sahen uns etwas um, und Peter begann sofort mit einem hübschen Mädchen zu flirten.
Die war echt einsam, aber ich hatte einfach keinen Schlag bei ihr. […] Sie war wirklich ausnehmend schön, aber ich hatte keine Chance bei ihr. […]

      2.1 VerständigungsproblemeVerständigungsprobleme zwischen den Generationen?

      Bekannt wurde Elke Heidenreichs Hörfunk-Sketch in der NDR II-Sendung „Espresso“ von Dezember 1983 über eine briefliche Verabredung zwischen dem Enkel Harry und seiner Oma zum bevorstehenden Weihnachtsfest, von der ein Auszug vorgestellt sei:

      Liebe Oma, Stollen, Baum, Gänsebraten (würg!), die ganze alte Bürgerscheiße, Du bist doch total out, bei Dir läuft der falsche Film, Oma! Aber gut, komme also am vierundzwanzigsten, und bringe Pinky, Zomby, Schleimi und Fuzzy mit, haben alle Schlafsäcke, mach also null Extra-action! Die Fete ist dann zwar übermackert, aber vielleicht reißen wir irgendwo noch Bräute auf – sonst bist Du ja da – Oma, du bist echt geil! Wir werden Weihnachten tierisch abheben. […]

      (Heidenreich 1983)

      VerständigungsproblemeVerständigungsprobleme zwischen den Generationen konstruierte auch der Karikaturist Fritz Wolf in seinen damaligen in der Illustrierten „SternStern, Clara u. William“ abgedruckten Comics. Dieses Argument, hier noch karikiert, lebt seitdem in den Medien immer wieder einmal auf. Ein jüngstes Beispiel liefern Berliner Kurier und Berliner Morgenpost vom 13. 7. 2008.

      Unter dem Titel „Verstehen Sie Ihre Kinder noch?“ präsentierte die BILD-Zeitung vom 2. Mai 2000 das „Szene-Deutsch für Anfänger“ als „Thema des Tages“. Einem „Kiddie-Text“ wird eine ÜbersetzungÜbersetzung in „normales Deutsch“ gegenübergestellt, wie es das folgende Beispiel des Textanfangs demonstriert:

Verstehen Sie Ihre Kinder noch? Szene-Deutsch für Anfänger Kiddie-Text – die ÜbersetzungÜbersetzung
Mark ist immer auf dem Sprung. Mark ist viel unterwegs.
Nach der Schule cruised er mit dem Board zum nächsten Hangout, wo die Locals in der Halfpipe ihre Jumps durchziehen. Nach der Schule fährt er mit seinem Skateboard an den nächsten Treffpunkt, wo seine Freunde aus der Nachbarschaft an einer Schanze ihre Tricks üben.
Wer sich beim Grinden mault, gilt bei den Cracks als Looser und wird zum DissenDissen freigegeben. […] Wer bei den Übungen hinfällt, gilt unter den Könnern als Verlierer und wird zum Spott freigegeben. […]

      Durch die mediale Entdeckung der Jugendsprache in den frühen 80er Jahren wird das Phänomen zugleich selbst medial gestaltet und stilisiert1Neuland, EvaDoing Youth und zum Aufbau und zur Steuerung verschiedener gesellschaftlicher Diskurse genutzt.

      Je nach Verwendungszweck gibt „Jugendsprache“:

       als Sprachnormverstoß Anlass zur Kritik, Klage und Empörung,

       als Sprachverfremdung Anlass zur pädagogischen Besorgnis,

       als Sprachkarikatur Anlass zu Belustigung und Amüsement.2

      Die angeführten Beispiele aus den 80er Jahren folgen dieser Entwicklungstendenz von der Empörung zur Belustigung und zum Amüsement.

      2.2 Jugendsprache als Konsumgut

      Schneller, als es die sich gerade erst entwickelnde linguistische Jugendsprachforschung ermöglichte, befriedigten populärwissenschaftliche Veröffentlichungen das öffentliche Informationsbedürfnis. Dies bestätigt ein Blick auf den sprunghaft expandierenden Markt der WörterbücherWörterbücher, die gleichsam als „Schlüssel für die Szene“ fungierten. Die hohen Verkaufszahlen sprechen dafür, dass hier eine Nachfrage erkannt, durch die attraktiv aufgemachten Angebote aber zweifellos auch verstärkt wurde.

      Die 1983 erschienenen „Sprache und Sprüche der Jugendszene“: „Laß uns mal ’ne Schnecke angraben“ des Psychotherapeuten Claus Peter Müller-Thurau standen monatelang auf Platz 1 der Beststeller-Liste. Laut Klappentext können Eltern lernen:

      Was bedeutet „knacken“, „ömmeln“, „abschnallen“ oder „Bock haben“? Was ist mit „Haste Bock auf ’ne Mafia-Torte?“ oder mit „Die Tussi törnt mich mächtig an“ gemeint“?

      1985 folgte sein „Lexikon zur Jugendsprache“:

      Abb. I.2.1:

      Titelbild Lexikon

      „In diesem endgültigen, umfassendsten, witzigsten und aktuellsten Buch zur Sprache der Jugend finden Eltern, Erzieher und Ausbilder alles, was sie wissen müssen, um ihre heranwachsenden Chippies, Fuzzies, Grünis, Mufties, Müslis, Muttis, Popper, Prolos, Punks, Sahneschnitten, Schlaffies, Schnecken, Skinheads, Spontis, Teds und Teenie-Bopper zu verstehen“.

      (Klappentext Müller-Thurau 1985)

      Diese Lektionen lernten anscheinend Journalisten und Karikaturisten besonders schnell. Das KonstruktionsprinzipKonstruktionsprinzip der „jugendsprachlichen Textversionen“ und der „VerständigungsproblemeVerständigungsprobleme zwischen den Generationen“ ist leicht durchschaubar: die WörterbücherWörterbücher der Jugendsprache haben bei diesen ÜbersetzungenÜbersetzung ausgeholfen.

      Weitere Wörterbücher der 80er Jahre haben sich auf Ausschnitte der Jugendsprache konzentriert wie WandsprücheWandsprüche, Schüler- und SzeneSzene-Sprache, oft mit dem Zusatz „das Letzte aus der Szene“ und stets „die neuen Sprüche“.

       Was an deutschen Wänden steht (Gamber 1983)

       Do you speak Sponti – das Letzte aus der Scene (Gamber u.a. 1984)

       Von Anmache bis Zoff. Ein Wörterbuch der Szene-Sprache (HoppeHoppe, Almut u.a. 1984)

       Angesagt: Scene-Deutsch. Ein WörterbuchWörterbücher (Rittendorf u.a. 1984). In den 90er Jahren folgen u.a.:

       Affengeil. Ein Lexikon der Jugendsprache (EhmannEhmann, Hermann 1992)

       Oberaffengeil. Neues Lexikon der Jugendsprache (EhmannEhmann, Hermann 1996)

       Duden. Wörterbuch der Szenensprache (2000)

       Voll konkret. Das neueste Lexikon der Jugendsprache (EhmannEhmann, Hermann 2001)

       Leet & leiwand: das Lexikon der Jugendsprache (Sedlaczek 2006).

      Bei diesem Markt der WörterbücherWörterbücher handelt es sich um Publikationen ohne wissenschaftlichen Anspruch, aber


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