Zeitmanagement und Selbstorganisation in der Wissenschaft. Markus Riedenauer

Zeitmanagement und Selbstorganisation in der Wissenschaft - Markus Riedenauer


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(siehe Kapitel IV.4 „Ziele“), sondern auch Ihre Belastbarkeit und Stressresistenz werden abnehmen, Sie brauchen mehr und regelmäßigere Regenerationszeiten. Dafür wird Ihnen aber die langjährige Erfahrung im System und in den Strukturen der Wissenschaft sowie eine vertiefte Selbsterkenntnis helfen, effizient und effektiv zu arbeiten: Sie werden souveräner die wirklich wichtigen Ziele und Aufgaben priorisieren und diese dann rasch bewältigen. Sie können einen besseren Überblick, ein sichereres Urteilsvermögen, mehr gute Gewohnheiten und Gelassenheit entwickelt haben.

      Von den äußeren Bedingungen her haben Menschen über 40 allerdings oft weniger Alternativen am Arbeitsmarkt und weniger persönliche Flexibilität, um sich umzustellen. Das heißt, eine eventuelle Neuorientierung und ein Umstieg sollten rechtzeitig erfolgen, was wiederum für die Jüngeren die Konsequenz hat, dass es sehr unklug ist, ohne eine langfristige Karriereperspektive die Dinge einfach laufen zu lassen. Eine gute Lebensplanung berücksichtigt die voraussehbaren biologischen und damit zusammenhängenden Parameter.

      Lösungsansätze

      Rollenanalyse:

      Ein praktischer Ansatzpunkt ist die Reflexion auf Ihre gegenwärtigen Rollen im Leben, auch „Lebenshüte“ genannt (siehe oben Kapitel II.1). Eine bewährte Methode dafür ist, ein Mindmap anzulegen, in dessen Mitte Sie einen Kreis um Ihren Namen zeichnen und daran Hauptäste für drei bis maximal sieben Rollen. Hilfreich ist die Frage, für wen Sie in diesen Rollen Verantwortung tragen (zum Beispiel für Studierende, für das Funktionieren Ihres Institutes oder Teams, für Kinder, für andere Familienmitglieder, für enge Freunde und dergleichen).

      Anschließend beantworten Sie die Frage, wofür Sie genau Verantwortung übernommen haben, und fügen die entsprechenden Aufgabenbereiche in kleineren Äste an die Hauptäste an. In einem nächsten Schritt können Sie diese Aufgaben spontan bewerten, indem Sie außen Symbole hinzuzeichnen, die zeigen, wie wichtig sie Ihnen sind, zum Beispiel:

      [53]image

      Wenn Sie möchten, können Sie auch zu jeder Aufgabe noch eine ungefähre Einschätzung notieren, wie viel Ihrer Zeit Sie dafür aufwenden. Aus dieser Ist-Analyse ergeben sich oft schon Anregungen für mögliche Verbesserungen, um Ihrem Lebensideal (dem Soll) ein Stück näher zu kommen. Jedenfalls verhilft der Überblick zu Realismus und bewussterer Lebensbalance und erleichtert Prioritätsentscheidungen.

      Wenn Sie immer wieder, zum Beispiel jährlich, eine solche Übersicht Ihrer jeweils aktuellen Lebensrollen anlegen, können Sie auch Entwicklungen leicht sehen und besser steuern.

      Beispiel einer Rollen-Mindmap:

      [54]image

      Da mit wissenschaftlicher Tätigkeit im Normalfall verschiedene Rollen verbunden sind, die auch unterschiedliche Anforderungen an Ihre Planung und Ihr Zeitmanagement stellen, kann hierfür und auch für die weitere Arbeit (vor allem mithilfe des Kapitels VI zu den wissenschaftlichen Kernaufgaben) die folgende Tabelle helfen.

      Ordnen Sie Ihre wichtigsten Aufgabenbereiche je einer der Hauptrollen zu. Ergänzen Sie einen Satz, der zum Ausdruck bringt, wie wichtig Ihnen jede dieser Rollen ist. In den beiden rechten Spalten fügen Sie Ihre Selbsteinschätzung dessen ein, wie gut Sie jeden dieser Aufgabenbereiche erfüllen und wie lange Sie im Durchschnitt oder in Prozent Ihres gesamten beruflichen Zeitbudgets dafür arbeiten. Auch diese Analyse des Ist-Zustandes erlaubt, Engpässe zu erkennen und erste Konsequenzen zu ziehen.

      Meine Rollen als Hochschullehrer/in:

      [55]image

      Integration aller Lebensbereiche:

      Um eine langfristig lebbare, weil gesunde und Ihren übergeordneten Zielen entsprechende Lebensplanung zu erreichen, empfehlen wir Ihnen, grundsätzlich vier Lebensbereiche zu unterscheiden, die für jeden Menschen auf irgendeine Weise unverzichtbar sind.25 Denn die hergebrachte Zweiteilung in „Beruf” versus „privat” oder „Freizeit” ist zu undifferenziert.

      [56]Beruf/Leistung: Hierunter fällt alles, was mit Ihrer Erwerbsarbeit zu tun hat. Mögliche Rollen: Forscher/in, Lehrende/r, Controller/in, Projektbetreuer/in, Krisenmanager/in, etc.

      Familie und tragende Beziehungen: Mögliche Rollen: Mutter/Vater, Schwester/Bruder, (Ehe-)Partner/in, Freund/in etc.

      Sinn/Engagement: Die Sorge für den Sinn Ihres Lebens hat eine theoretische und spirituelle Seite sowie eine praktische: wofür Sie sich außerhalb von Beruf und tragenden Beziehungen einsetzen, wo Sie sich ehrenamtlich engagieren, weil Sie so Ihre Werte verwirklichen.

      Mögliche Rollen: Nachbarschaftshelfer/in, praktizierte Religion, Meditierende/r, Engagement beim Menschenrechts- oder Tierschutz etc.

      Selbstsorge: Was Sie nicht für andere tun, sondern unmittelbar für sich selbst, Ihre Gesundheit, Rekreation, Balance. Mögliche Rollen: Läufer/in, Yogi, Leser/in, Faulenzer/in, Gourmet u.Ä.

      Anhand dieser Einteilung sollten Sie zunächst Ihr Leben reflektieren und sich fragen, welche Vision und welche Ziele Sie als Wissenschaftler/in, als Familienmitglied o.Ä., als Sinnsuchende oder einfach für sich selbst haben.

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      Spielplan:

      Auf der Ebene der Jahres- oder Semesterplanung können Sie die Vierteilung der Lebensbereiche in Form eines sogenannten Masterplans gut anwenden.26 Dafür das Wort „Spielplan” zu verwenden, bringt zum Ausdruck, dass Planung Arbeit an konkreten Zielformulierungen ist, dass dies aber [57]mit der nötigen Flexibilität und einer spielerischen Einstellung einhergehen muss, die unverhofft sich auftuende Chancen wahrnehmen kann. Wenn diese Kombination aus Zielstrebigkeit und Entschiedenheit einerseits, Offenheit und Lebenslust andererseits fehlt, besteht die Gefahr, dass entweder die Illusion erzeugt wird, alles sei steuerbar, oder dass aus Angst vor Spontaneitätsverlust und Überplanung wichtige Lebensbereiche gar nicht berücksichtigt werden. Diese würden so nur nach dem Zufallsprinzip zum Zug kommen. Da berufliche Ziele meist sowieso geplant werden (müssen), heißt das im Normalfall, dass die privaten Ziele zu geringe Verwirklichungschancen erhalten.

      Eine andere zu vermeidende Einseitigkeit ist, dass nur Aktivitäten geplant werden, die sich leicht in Form von Projektzielen formulieren lassen, weil diese naheliegende Teilschritte und ein planbares Enddatum haben. Die Herausforderung besteht darin, auch persönliche Weiterentwicklung zu planen und zu operationalisieren, also Dinge, die zu lernen sind, oder neue Gewohnheiten. Denn hier ist es schwierig, Zwischenziele und Endzustände zu definieren. Wann hätten Sie z.B. das Ziel, eine neue Sprache oder ein Musikinstrument zu erlernen, erreicht? Sie müssen selbst ein Kriterium entwickeln, das solch ein Ziel messbar macht, und auf dem Weg dorthin regelmäßig Zeit zum schrittweisen Lernen und Üben einplanen. Oder wann hätten Sie die neue Gewohnheit entwickelt, täglich um acht Uhr mit Ihrer Arbeit zu beginnen? Eigentlich dann, wenn Sie nicht mehr daran denken müssen, weil Sie es „automatisch” tun – bis dahin müssen Sie sich aber genügend Zeit zum Verfestigen des neuen Verhaltens nehmen und sich regelmäßig fragen, inwieweit Sie diesem Ziel schon näher gekommen sind.

      Planen Sie nicht nur Projektziele, sondern auch Lern- und Gewohnheitsziele. Wenn Sie diese drei Zielkategorien mit den vier wichtigsten Lebensbereichen schneiden, haben Sie das Grundmuster eines umfassenden Spielplans, der eine balancierte Zeitgestaltung und Selbstorganisation ermöglicht.

      Verbinden Sie das mit Ihrer Jahres- oder Semesterplanung (siehe Kapitel IV.5 unter „Mittelfristige Planung“), indem Sie selbst eine solche Matrix in Ihrem Computer erstellen und diese dann regelmäßig ausfüllen und aktualisieren.

      Der folgende Muster-Spielplan zeigt die Grundstruktur und anhand kreativer Beispiele, dass es möglich ist, für


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