Zeitmanagement und Selbstorganisation in der Wissenschaft. Markus Riedenauer

Zeitmanagement und Selbstorganisation in der Wissenschaft - Markus Riedenauer


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zu wachsender Unzufriedenheit mit sich selbst. Die Freiheit im rechten Maß nützen zu können, ist eine Kunst, die es oft erst zu erlernen gilt.

      Vergleichen Sie bei beruflichen Entscheidungen Ihre Werte und jene der Organisation. Rechnen Sie aber auch damit, dass es hier zu Änderungen kommen kann. Versuchen Sie gegebenenfalls, mit den veränderten Bedingungen produktiv umzugehen anstatt gegen nicht Veränderbares ständig anzukämpfen.

      Jede Sache hat – mindestens – zwei Seiten. Wenn Sie vermehrt mit administrativen Belangen betraut werden, so kostet dies Zeit, aber Sie lernen auch eine Menge dazu (z.B. Projekt- und Personalorganisation, Rechnungswesen[29] etc.), was Ihnen später in einer Leitungsfunktion zugute kommen kann.

      Sehen Sie Ihre Situation fallweise mit distanziertem Blick, so als ob jemand anderer betroffen wäre.

      Lernen Sie, mit Konkurrenzsituationen umzugehen, Angriffe nicht zu ernst und auch nicht (zu) persönlich zu nehmen. Distanz erweitert Ihr persönliches Handlungsrepertoire und damit Ihre Souveränität.

      Bedenken Sie, dass Freiheit und Selbstbestimmung einen Preis haben. Ohne eine gute Planung, materielle Bescheidenheit und Selbstdisziplin werden Sie Ihre Ziele nur schwer erreichen.

      Werteprofil

      Werte sind lebensbegleitend und identitätsstiftend. Trotzdem können sich Ihre Werte im Lebensablauf und von Rolle zu Rolle verschieben. Was privat an erster Stelle steht, ist möglicherweise beruflich weniger wichtig oder kann hier vielleicht im Moment nicht gelebt werden. Auch innerhalb der beruflichen Rollen wird es immer wieder zu Verschiebungen kommen, meist ausgelöst durch persönliche Erfahrungen oder existenzielle Notwendigkeiten. Wenn Sie eine Familie erhalten müssen, werden Sie sich vermutlich weniger für rein ideelle Tätigkeiten und eher für lukrative Aufgaben (bezahlte Gutachten, Projekte mit der Wirtschaft u.Ä.) entscheiden.

      Wenn Sie sich hier immer wieder Klarheit über das Verhältnis zwischen Ihren Wünschen und der momentanen Lebens- bzw. Berufsrealität verschaffen, wird das Ihrem Wohlbefinden und Energiehaushalt, Ihrer Zielgerichtetheit und Leistungsfähigkeit gut tun.

      Eine Priorisierung Ihrer Werte als Mensch, bei der Arbeit und in unterschiedlichen Rollen verhilft Ihnen zu mehr Klarheit bei Entscheidungen und im Umgang mit Zeit: Vielleicht ist es Ihnen wichtig, bei der Benotung von Prüfungsarbeiten besondere Fairness walten zu lassen. Das bedeutet eine zeitliche Investition in die Erarbeitung von Bewertungskriterien, die klar nachvollziehbar sind. Wenn Ihnen viel an einem guten Klima im Team liegt, dann werden Sie wahrscheinlich Zeit für konstruktive Gespräche reservieren. Vielleicht können Sie Ihre Arbeit erst dann zur Seite legen und mit einem guten Gefühl nach Hause gehen, wenn Sie Ordnung und Struktur in Ihren Unterlagen oder auf Ihrem Schreibtisch geschaffen haben. Dann sollten Sie dies für Ihre eigene Zufriedenheit tun, ohne aber auf allen Gebieten möglichen perfektionistischen Ansprüchen nachzugeben.

      Sie brauchen ein persönliches Qualitätsmanagement, sodass Ihre Arbeitsweise möglichst gut Ihrem Werteprofil entspricht. Eine Schwierigkeit dabei ist, dass manche Werte polar zueinander und damit nicht gleichzeitig verwirklichbar sind. Sie kontrastieren, ohne einen ausschließenden Gegensatz zu bilden, der eine Entweder-oder-Entscheidung erforderte. Genauigkeit und Schnelligkeit des Arbeitens etwa sind beides positive Werte (gegensätzliche Unwerte wären Schlamperei und Trödelei), oder Sie müssen bei einer gegebenen Aufgabe entscheiden, auf wie viel Geschwindigkeit Sie verzichten, um hinreichend genau zu arbeiten und wie Sie Ihren Perfektionismus zähmen, um schnell genug zu sein.

      In Bezug auf Benotungen wären Gerechtigkeit und Nachsicht (oder Rücksicht z.B. auf sprachliche Schwierigkeiten bei ausländischen Studierenden) ein ähnliches polares Wertepaar. Zwischen einer Haltung, die mit der Maxime „fiat iustitia, pereat mundus“ charakterisiert wird, und dem Unwert der Ungerechtigkeit gibt es ein Spannungsfeld zwischen wertvoller Gerechtigkeit und ebenso wertvoller Milde oder Billigkeit. In Anbetracht einer Herausforderung oder Gefahr geht es beispielsweise nicht nur um den Gegensatz von Mut und Feigheit, sondern auch um die Kontraste von Mut und Vorsicht zwischen den Untugenden und Unwerten des Übermuts und der Feigheit.11

      [30]

      Wenn wir kritisiert werden, neigen wir oft dazu, unser Verhalten vom entgegengesetzten Unwert abzuheben („Ich kann doch nicht ewig dieses Kapitel verbessern“ oder „Ich kann doch keinen schlampigen Beitrag einreichen“). Doch die Kunst besteht darin, die rechte Mitte zu verwirklichen, die sowohl sachangemessen wie auch mit den eigenen Werten kompatibel ist.

      Es gibt Werte, die Sie um Ihrer selbst willen auf jeden Fall einlösen müssen, und solche, auf die Sie fallweise verzichten können. Werden Sie sich [31]der Beweggründe und Motive Ihres Handelns bewusst und erstellen Sie einen nach Rollen gegliederten Wertekatalog. Bewusstheit schafft Handlungskompetenz und befreit Sie aus einer Opferrolle.

       In welchen oder zwischen welchen Bereichen meines Lebens kommt es (immer wieder) zu Wertekonflikten? Wie ging ich bisher bzw. wie gehe ich derzeit damit um?

       Wie löse ich externe Wertkonflikte, wenn ich etwa Beruf und Familie den gleichen Stellenwert gebe, meine Umgebung dafür aber wenig Verständnis zeigt?

      Persönliche Werte-Hierarchie

      Werte sind in aller Munde und auch in Soziologie und Philosophie wieder viel diskutiert. Dennoch gibt es keine allgemein akzeptierte Definition von Werten (etwa im Unterschied zu Tugenden oder Fähigkeiten) und keinen Konsens, wie verschiedene Arten von Werten zu klassifizieren sind.12 Diese Fragen und auch die alten Debatten um die Subjektivität oder Objektivität von Werten, um deskriptive oder präskriptive, substantielle oder attributive Verwendungsweisen des Begriffs müssen hier ausgeklammert bleiben. Der Zweck der folgenden, keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebenden Tabelle ist ausschließlich praktischer Natur: Sie soll zu etwas mehr Klarheit bei der Selbsterkenntnis und -bestimmung verhelfen.

      Dafür wurde hier eine einfache Einteilung in drei Kategorien vorgenommen. Manche Wertbegriffe sind genereller oder prinzipieller Natur (wie etwa Dankbarkeit, die hier gar nicht zugeordnet wurde), andere spezieller. Der Phänomenreichtum ist wichtiger als eine strikte Klassifikation. Einteilungskriterium gemäß der linken Spalte ist, ob ein Wert am meisten auf einen selbst, auf andere oder auf Sachen bezogen ist, aber natürlich betreffen viele auch die beiden anderen Bereiche. Eine hohe Trennschärfe zu erwarten, ist hier fehl am Platz.13

      Sie können in den rechten Spalten jedem Wert 1 bis 5 Punkte geben, um abzuschätzen, wie wichtig er Ihnen ist. Suchen Sie dann Ihre zehn wichtigsten Werte und schreiben Sie diese unten heraus, um sie abschließend nochmals in eine Reihenfolge zu bringen.

      [32]

      [33]

      [34]

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Selbsterkenntnis: Individueller Verhaltensstil

      Worum es geht:

      So unterschiedlich wie die spezifischen Herausforderungen an wissenschaftlich Tätige aufgrund ihres Faches, ihrer Stelle und Position, so verschieden wie ihre Lebenssituationen, Ziele und Werte sind auch ihre persönlichen Charakterzüge, Verhaltensstile und Arbeitsweisen mitsamt individuellen Stärken und Schwächen. Darauf ist einzugehen, damit Sie diejenigen Methoden auswählen und umsetzen können, die eine nachhaltige Verbesserung der Selbstorganisation bewirken. Denn die persönlichen Verhaltenspräferenzen haben erheblichen Einfluss auf das Zeitmanagement.

      Individualität und Zeitgestaltung

      Jeder Mensch ist einzigartig, ist ein Individuum im emphatischen Sinn. Das betrifft alle Ebenen: die biologische (vgl. Fingerabdruck oder genetische Ausstattung), die kognitive (Intelligenzprofil14),


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