AGB-Recht. Martin Schwab
nur bei einem durch konkrete Tatsachen belegten Verdacht einer rechtswidrigen Handlung zulässig seien. Zwar habe V ein berechtigtes Interesse, sich vor Diebstählen zu schützen; außerdem liege ein solcher Schutz im Interesse der Allgemeinheit der Kunden, weil eine Häufung von Diebstählen sonst auf die Warenpreise umgelegt werden müsse. Das Interesse des einzelnen Kunden an der Respektierung seines Persönlichkeitsrechts wiege aber schwerer. Die Klausel in Beispiel 4 c) ist nach § 309 Nr. 7 a und Nr. 7 b BGB unwirksam, weil sie die Haftung auch für Körperschäden und auch für grobes Verschulden ausschließt[10].
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Tipp
Hinweisschilder in Ladengeschäften sind unproblematisch AGB, wenn sie den Inhalt von Verträgen des Inhabers mit seinen Kunden mitbestimmen sollen.
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So sind AGB namentlich anzunehmen, wenn sich der Inhaber durch Aufkleber auf dem Schaufenster oder durch Aushang im Ladenlokal von der Haftung für Nichtleistung oder Mängel freizeichnet[11]. Der „deutlich sichtbare Aushang“ ist sogar nach § 305 II Nr. 1 BGB ein geeignetes Mittel, um auf die Geltung von AGB hinzuweisen und so die Einbeziehung in den Vertrag zu bewirken.
3. Erklärungen im Grundbuchverfahren
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Schließlich fehlt es an einer „Vertragsbedingung“, wenn die fragliche Klausel in einer Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt enthalten ist. Bedeutung erlangt dies namentlich im Anwendungsbereich des Wohnungseigentumsgesetzes: Wenn der Grundeigentümer eine Immobilie in Eigentumswohnungen aufteilt, bedarf dies der Eintragung in das Grundbuch, die auf eine Eintragungsbewilligung des Eigentümers hin vollzogen wird. Bestandteil der Eintragungsbewilligung ist die sog. Gemeinschaftsordnung, in der Rechte und Pflichten der einzelnen Wohnungseigentümer untereinander geregelt werden. Diese Gemeinschaftsordnung ist keine Vertragsbedingung und unterliegt daher nicht den §§ 305 ff. BGB[12]; denn ihre Grundlage ist kein Vertrag, sondern die Eintragungsbewilligung als einseitige Verfahrenshandlung vor dem Grundbuchamt[13]. Die §§ 305 ff. BGB sind auch nicht analog anwendbar[14]; die inhaltliche Angemessenheit der Regelung ist vielmehr am Maßstab des § 242 BGB zu überprüfen[15].
4. Rundschreiben des Verwenders an seine Kunden
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Keine AGB liegen vor, wenn der Verwender in einem Informationsschreiben an seine Kunden einseitige Erklärungen abgibt. Freilich kann hier das Umgehungsverbot des § 306a BGB zum Tragen kommen. So lag es in einem Fall, in dem eine Bank die Girokonten in Tarifgruppen unterteilte, dabei Pfändungsschutzkonten in die teuerste Gruppe einsortierte und davon in einem Rundschreiben ihre Kunden informierte: Zwar lag hier keine „Vertragsbedingung“ vor, weil die Bank nicht einmal im Ansatz nach der Zustimmung ihrer Kunden fragte. Doch lief die gesamte Konstruktion auf eine Umgehung der §§ 305 ff. BGB hinaus[16]. Denn die Kunden mussten das Rundschreiben als eine Art „Anordnung“ verstehen, die den Anschein der Rechtsverbindlichkeit erweckte. Die Bank hatte im gegebenen Fall versucht, erhöhte Gebühren für das Führen von Pfändungsschutzkonten durchzusetzen, obwohl ihr dies in AGB untersagt ist (näher dazu Teil 3 Rn. 226).
5. Wissenserklärungen
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Das Merkmal „Vertragsbedingungen“ spielt außerdem eine Rolle, wenn der Verwender in einem vorformulierten Text Informationen über den vertraglichen Leistungsgegenstand festhält. So hatte der BGH über einen Fall zu befinden, in dem der Verkäufer auf einem „verbindlichen Bestellformular“, das er den von ihm geschlossenen Kaufverträgen regelmäßig zugrunde legte und das er von seinen Kunden unterzeichnen ließ, die Angabe vordruckte „Erstzulassung laut Kfz-Brief“. Der BGH stufte dies als reine Wissenserklärung ein mit der Konsequenz, dass das Datum der Erstzulassung nicht – wie es der Käufer gerne gehabt hätte – zur vereinbarten Beschaffenheit i.S.d. § 434 I 1 BGB aufstieg[17]. Es fehlte in der Logik dieser Argumentation insoweit bereits an einer „Vertragsbedingung“[18].
Anmerkungen
Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack AGB-Recht, § 305 Rn. 18.
Im Ergebnis ebenso OLG Karlsruhe NJW 1991, 112. Das OLG hielt eine solche vorformulierte Anerkenntnis- und Verzichtserklärung mit Recht für unwirksam nach § 307 I BGB.
Vgl. dazu BGH NJW 1982, 1144 f. Der BGH hat dort das Vorliegen von AGB nicht weiter problematisiert, sondern erörtert, ob die Badegäste sich mit dem unwidersprochenen Besuch der Anlage mit der Haftungsfreizeichnung einverstanden erklären. Vgl. dazu unten Teil 2 Rn. 101 ff.
So in der Tat noch BGHZ 124, 39, 44 f.
BGH NJW 1996, 2574, 2575; ebenso Heinrichs NJW 1997, 1407 f.; Graf von Westphalen NJW 1994, 367.
So aber Hensen JR 1997, 239; Stoffels AGB-Recht, Rn. 111; Graf von Westphalen NJW 1994, 367.
Vgl. Schwab/Witt/Schwab Examenswissen zum neuen Schuldrecht, 2. Aufl. 2003, S. 121, 137 mit Fn. 78, dort auch weitere Nachweise.
BGH VersR 2011, 360 Rn. 24.
BGH NJW 1996, 2574, 2576; ebenso Graf von Westphalen NJW 1994, 367.
BGH VersR 2011, 360 Rn. 25 ff.
Vgl. etwa BGH NJW-RR 1997, 1147: „Sonderangebot! Verkauf unter Ausschluß jeglicher Gewährleistung“ auf den Preisschildern eines Möbelhändlers.
Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack AGB-Recht, § 305 Rn. 12; dazu neigend auch BGH NJW 2002, 3240, 3244; anders aber MK/Basedow BGB, § 305 Rn. 10.
BayObLG NJW-RR 1992, 83, 84; OLG Frankfurt NJW-RR 1998, 1708, 1709; OLG Hamburg FGPrax 1996, 132, 133.
So aber Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack