AGB-Recht. Martin Schwab
BGH NJW 1982, 1144 f.
LG Trier NJW 1993, 1474, 1475.
OLG Düsseldorf NJW 1994, 2421, 2422.
LG Frankfurt MMR 2013, 645, 647.
1. Die Bedeutung des § 310 I 1 BGB
107
§ 305 II BGB enthält, wie gesehen, zwei gewichtige Grundaussagen: (1) Der Kunde muss niemals von sich aus wissen, dass der Verwender AGB einbeziehen will; deshalb muss der Verwender ausdrücklich oder durch Aushang auf sie hinweisen und kann sich nicht auf den Standpunkt zurückziehen, der Kunde habe mit seinen AGB rechnen müssen. (2) Der Kunde muss niemals von sich aus ermitteln, was Inhalt der AGB ist. Deshalb muss der Verwender dem Kunden unaufgefordert die Möglichkeit verschaffen, vom Text der AGB Kenntnis zu nehmen.
108
Die Anforderungen des § 305 II BGB gelten jedoch nach § 310 I 1 BGB nicht, wenn AGB gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. Gerade die Grundaussagen, welche der Gesetzgeber mit § 305 II BGB verbindet, sollen also hier nicht einschlägig sein. Die Einbeziehung von AGB wird im Geschäftsverkehr mit Unternehmern also wesentlich erleichtert. Der Vertragspartner muss zwar auch hier mit den AGB einverstanden sein. Damit er überhaupt ein solches Einverständnis erklären kann, muss der Verwender abermals auf die Geltung seiner AGB hinweisen und dem Vertragspartner eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme verschaffen: Wo weit und breit nicht von AGB die Rede ist, kann die Vertragsunterschrift nicht als Einverständnis mit AGB gewertet werden. Selbst wenn der unternehmerische Kunde Kenntnis davon hat, dass sein Vertragspartner seine AGB zugrunde zu legen pflegt, genügt das nicht für eine (konkludente) Einbeziehung der AGB[1]. Doch sind die Anforderungen an den Hinweis und die Möglichkeit der Kenntnisnahme deutlich geringer.
2. Der Hinweis des Verwenders auf die AGB
109
Tipp
Ein ausreichender Hinweis des Verwenders gegenüber einem Unternehmer liegt bereits dann vor, wenn dieser mit der Verwendung von AGB nach den Umständen rechnen muss.
a) Entbehrlichkeit eines ausdrücklichen persönlichen Hinweises
110
Während im Anwendungsbereich des § 305 II BGB, also bei Verwendung von AGB gegenüber Verbrauchern, grundsätzlich ein ausdrücklicher persönlicher Hinweis auf die AGB erforderlich ist und ein Hinweis durch Aushang nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen genügt, ist es gegenüber Unternehmern als Vertragspartnern immer zulässig, durch Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf AGB hinzuweisen[2]. Ebenso reicht es aus, wenn der Verwender auf der Rückseite seines Vertragsangebots seine AGB abdruckt, ohne im Text des Angebots nochmals darauf hinzuweisen[3]. Die Gegenansicht, die auch im kaufmännischen Geschäftsverkehr einen Hinweis auf der Vorderseite für erforderlich hält[4], überzeugt nicht. Denn der Abdruck von AGB auf der Rückseite entspricht einer verbreiteten Gepflogenheit im Geschäftsverkehr, so dass der Unternehmer damit rechnen muss, dass sich auf der Rückseite des Vertragsangebots noch weitere Vertragsbestimmungen finden. In gleicher Weise genügt es, wenn der Verwender die AGB kommentarlos dem Vertragsangebot beifügt. Die Einbeziehung scheitert aber, wenn die auf der Rückseite abgedruckten AGB ersichtlich nicht für den Typus des abgeschlossenen Geschäfts bestimmt sind[5]; will der Verwender in einem solchen Fall besagte AGB gleichwohl einbeziehen, so muss hierauf auf der Vorderseite hingewiesen werden. Rückseitig abgedruckte AGB sind ferner dann nicht Vertragsbestandteil, wenn oberhalb der Unterschriftsleiste geschrieben steht: „Vorstehende Vereinbarung wird hiermit anerkannt“ und der Hinweis auf rückseitig abgedruckte AGB erst unterhalb der Unterschriftsleiste folgt[6].
b) Branchentypische AGB
111
Noch weitergehend ist ein Hinweis auf die AGB überhaupt entbehrlich, wenn der Verwender einer bestimmten Branche angehört, in der typischerweise nur unter Verwendung bestimmter AGB kontrahiert wird[7]. Der BGH hat dies namentlich zu einer Zeit angenommen, da man noch davon ausging, AGB komme normativer Charakter zu, und der Kunde unterwerfe sich durch den Vertragsschluss der durch sie gesetzten Ordnung[8]. Da der Gesetzgeber 1977 klargestellt hat, dass AGB „Vertragsbedingungen“ sind, die nur mit dem Einverständnis des Klauselgegners einbezogen werden, hat er der Idee eines normativen Charakters von AGB eine Absage erteilt. Die Anforderungen an die Einbeziehung branchenüblicher AGB haben sich dadurch jedoch nicht verschärft. Vielmehr ist heute – statt nach einem „Unterwerfungswillen“ – nach einem (konkludenten) Einverständnis des Klauselgegners mit branchenüblichen AGB zu fragen. In der Zeit nach 1977 wurde die Einbeziehung von AGB allein kraft ihrer Branchenüblichkeit bejaht für die Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp.; vgl. nachstehendes Beispiel 30)[9] und für die AGB-Banken/Sparkassen[10]. In diesen Fällen ist die Willenserklärung des Verwenders grundsätzlich dahin zu begreifen, dass er zu den branchenüblichen AGB abschließen will. Wenn der Kunde die Einbeziehung nicht wünscht, muss er ihr ausdrücklich widersprechen[11]; unterlässt er dies, so ist der Vertrag unter Einschluss der AGB zustande gekommen. Dies alles gilt freilich nur, wenn der Kunde branchenkundig und das Geschäft branchentypisch ist. Verneint wurde die Einbeziehung kraft Branchenüblichkeit für die Einheitsbedingungen der Deutsche Textilveredelungsindustrie[12].
112
Erst recht reicht Branchenüblichkeit nicht aus, wenn der Verwender gegenüber einer bestimmten Kundengruppe andere AGB verwendet als gegenüber einer anderen Kundengruppe. Dann mögen zwar beide Klauselwerke branchenüblich sein – es hat aber keine, und sei es auch nur konkludente, Verständigung zwischen den Parteien über die Geltung eines bestimmten Klauselwerks stattgefunden. Daher werden nach der beifallswerten Ansicht des BGH AGB von Energieversorgungsunternehmen nicht kraft Branchenüblichkeit Vertragsbestandteil, wenn jene Unternehmen in der Grundversorgung andere AGB verwenden als gegenüber Sonderkunden[13]. Freilich wird im Schrifttum auf die Besonderheiten der Energieversorgung hingewiesen: Der Kunde könne die Energiequelle ohne Zutun des Versorgers nutzen. Oftmals komme daher der Versorgungsvertrag konkludent zustande. Der Versorger wisse zu diesem Zeitpunkt nicht einmal, mit welchem Nutzer er es zu tun habe. Deshalb müssten öffentlich bekanntgemachte AGB der Versorger ohne Weiteres Bestandteil des Versorgungsvertrags werden[14] Indes: Gerade weil die Person des Nutzers für den Versorger zunächst nicht erkennbar ist und der Nutzer umgekehrt kaum einzuschätzen kann, ob er Grundversorgungs- oder Sonderkunde ist, fehlt im Zeitpunkt des Vertragsschlusses beiden Parteien jeglicher Anhaltspunkt für die Beantwortung der Frage, welche AGB einbezogen sein sollen.
113
Beispiel 30
Versandhändler V beauftragt den Spediteur S,