AGB-Recht. Martin Schwab
II BGB sei aber die Einbeziehung von AGB durch Bestätigungsschreiben nicht vereinbar[35]. Die Bedeutung dieser Kontroverse dürfte sich seit der Schuldrechtsreform (2002) relativiert haben; denn seither ist die Anwendung des § 305 II BGB durch § 310 I 1 BGB nicht mehr zugunsten von „Kaufleuten“ (§§ 1 ff. HGB), sondern zugunsten von „Unternehmern“ (§ 14 BGB) ausgeschlossen. Unternehmer ist, wer ein Geschäft in Ausübung einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit abschließt. Wer diese Voraussetzung nicht erfüllt, nimmt wohl in den seltensten Fällen „gleich einem Kaufmann“ am Geschäftsverkehr teil.
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Auch im Übrigen ist bei der Einbeziehung von AGB via Bestätigungsschreiben Vorsicht geboten; denn die Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben geben keinen Freibrief, um Vertragsbedingungen zu etablieren, die sich in den vorherigen Verhandlungen nicht haben durchsetzen lassen.
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Beispiel 33
K bestellt bei V, mit dem er schon seit langem in laufender Geschäftsverbindung steht, fernmündlich Fahrgestelle für Steinbrechanlagen. V bestätigt in einem Schreiben an V die Bestellung und verweist auf seine AGB, wonach er sich das Eigentum bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises vorbehält. K erwidert auf dieses Schreiben, er bestelle unter Zugrundelegung seiner AGB, worin ein Eigentumsvorbehalt des Verkäufers nicht anerkannt werde.[36]
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Selbst bei Schweigen des Empfängers auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben werden diejenigen Punkte nicht Vertragsinhalt, mit deren widerspruchsloser Hinnahme der Absender von vornherein nicht rechnen kann[37]. So liegt es im Beispiel 33: Angesichts der dauerhaften Geschäftsbeziehungen waren dem V die AGB des K bekannt. Eine Einigung darüber, wessen AGB gelten sollten, hatten die Parteien nicht erzielt. Angesichts dessen konnte V nicht damit rechnen, dass K die AGB des V nunmehr ohne weiteres akzeptieren werde. Es fehlt daher an einer Einigung zwischen V und K darüber, ob unter Eigentumsvorbehalt geliefert werden soll oder nicht[38]. Allgemeiner ausgedrückt eignet sich ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben dann nicht für die Einbeziehung von AGB, wenn sich der Empfänger dieses Schreibens bei den vorherigen Verhandlungen seinerseits auf seine AGB bezogen hat[39]. (zum Problemfeld kollidierender AGB, insbesondere im Zusammenhang mit Eigentumsvorbehalten, sogleich Rn. 131 ff.).
e) Nachträglicher Hinweis
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Ein Hinweis des Verwenders auf die eigenen AGB führt – ebenso wie im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern – nicht zur Einbeziehung der AGB, wenn er nach Vertragsschluss erfolgt. Namentlich reicht auch gegenüber Kaufleuten ein Hinweis auf die AGB in Rechnungen und Lieferscheinen nicht aus[40]: Rechnungen sind nach ihrer Funktion nicht dazu bestimmt, Angebote auf Änderung eines abgeschlossenen Vertrags aufzunehmen[41], sondern den Vertragspartner zur Erfüllung des ursprünglich geschlossenen Vertrags anzuhalten. Schon gar nicht kann dem Vertragspartner die Obliegenheit angesonnen werden, ohne Hinweis auf die AGB auf der Vorderseite der Rechnung auf deren Rückseite nach AGB zu suchen[42]. Noch weniger reichen Lieferscheine zur Einbeziehung von AGB aus, und zwar weder für den aktuell geschlossenen Vertrag noch für künftige Geschäftsabschlüsse[43]: Der Lieferschein dient dem Verkäufer lediglich als Quittung für die erbrachte Leistung und ermöglicht dem Käufer die Prüfung, ob das Gelieferte mit dem Bestellten übereinstimmt. Man kann nicht einmal davon ausgehen, dass der Lieferschein im Unternehmen des Käufers Personen vorgelegt wird, die zum Abschluss von Verträgen ermächtigt sind[44].
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Abweichend hiervon nimmt der BGH an, dass AGB, auf die eine Vertragspartei im Rahmen einer dauernden Geschäftsbeziehung auf den von ihr erteilten Rechnungen immer wieder hinweist, dadurch in künftige Vertragsabschlüsse einbezogen werden können, wenn die Gegenseite diesen AGB nicht vorher widersprochen hat[45]. Für AGB auf Lieferscheinen soll dagegen Vergleichbares nicht gelten[46]. Aber auch für Hinweise auf Rechnungen überzeugt die Ansicht des BGH nicht[47]. Für sie spricht namentlich nicht die Überlegung, der Klauselgegner habe dafür zu sorgen, dass seine für die Bearbeitung des Zahlungsverkehrs zuständige Abteilung die Rechnungen mitsamt den auf ihr abgedruckten AGB der für die Vertragsabschlüsse zuständigen Abteilung weiterleite. Vielmehr obliegt es demjenigen, der (bislang nicht einbezogene) AGB zum Bestandteil künftiger Vertragsabschlüsse machen möchte, sich gegenüber seinem Vertragspartner klar und unmissverständlich in diesem Sinne zu äußern[48]. Dazu gehört auch, dass der Verwender einen für die Gegenseite zumutbaren Weg wählt, um auf seinen Wunsch nach Einbeziehung der AGB hinzuweisen.
3. Die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme von AGB
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Während der Verwender von AGB im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern gehalten ist, diese aus eigenem Antrieb dem Kunden zur Kenntnis zu bringen, wird von einem gewerblichen Kunden erwartet, dass er sich ihm unbekannte AGB aus eigenem Antrieb verschafft, wenn er sie vor Vertragsschluss prüfen will[49]. Namentlich muss der Verwender, anders als im Geschäftsverkehr mit Verbrauchern (dazu oben Rn. 53), bei schriftlichem Vertragsschluss mit einem Kaufmann ohne Anwesenheit beider Parteien nicht etwa die AGB von sich aus dem Kunden zusenden[50]. Fordert der andere Vertragsteil freilich die AGB des Verwenders an und versäumt es dieser, jene AGB zuzusenden, fehlt es an einer zumutbaren Möglichkeit der Kenntnisnahme; die AGB werden dann nicht Vertragsbestandteil[51].
Anmerkungen
Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack AGB-Recht, § 305 Rn. 170a.
Erman/Roloff § 305 Rn. 47; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack AGB-Recht, § 305 Rn. 170. Beispiel aus der Rechtsprechung BGH NJW 1968, 1718, 1719: „AGB des Betreibers eines bewachten Parkplatzes, die wie üblich auf einem Hinweisschild an der Einfahrt angebracht sind, werden Vertragsbestandteil.“
Erman/Roloff § 305 Rn. 47; Soergel/Stein BGB, § 2 AGBG Rn. 34; Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack AGB-Recht, § 305 Rn. 170; Wolf/Lindacher/Pfeiffer AGB-Recht, § 305 Rn. 125; Schmidt NJW 2011, 3329, 3331 f.
OLG Düsseldorf NJW 1965, 761, 762; OLG Hamburg ZIP 1984, 1241, 1242; Mann BB 2017, 2178, 2180; Schmidt-Salzer BB 1980, 1, 2; Staudinger/Schlosser § 305 Rn. 127.
BGH ZIP 1981, 1220, 1222.
BGH NJW 1981, 1220, 1222.
So die h.M., vgl. BGH (wie folgende Fn.); Ulmer/Brandner/Hensen/Ulmer/Habersack AGB-Recht, § 305 Rn. 173; Meyer WM 2014, 980, 981; a.A. Schmidt-Salzer