AGB-Recht. Martin Schwab
ist die Haftung für Pflichtverletzungen auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Die AGB des Bestellers enthalten keine Aussage zum Haftungsmaßstab.
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In allen Beispielsfällen könnte man argumentieren, der jeweilige Klauselgegner habe den betreffenden Punkt nicht für regelungsbedürftig gehalten; seine AGB könnten daher auch nicht mit denen des Verwenders kollidieren, so dass die AGB des Verwenders insoweit Vertragsbestandteil würden. Indes – so einfach liegen die Dinge nicht. Vielmehr ist anhand der Umstände des Einzelfalles zu ermitteln, ob die Tatsache, dass eine Partei den betreffenden Punkt in ihren AGB nicht aufgeführt hat, als stillschweigendes Einverständnis mit den fremden AGB anzusehen ist[15]. Das hat der BGH bisher grundsätzlich verneint: Wenn die AGB der einen Seite zusätzliche Regelungen enthielten, die in den AGB der anderen Seite keine Entsprechung fänden, so fehle es grundsätzlich an einer Einigung über jene zusätzlichen Regelungen[16]. Eine allgemein gehaltene Abwehrklausel schließe alle, folglich auch diejenigen AGB der Gegenseite aus, welche die eigenen AGB lediglich ergänzten[17]. In den bisherigen Entscheidungen waren – wie üblich – die fremden AGB dem Verwender der Abwehrklausel nachteilig, die Verneinung eines stillschweigenden Einverständnisses daher folgerichtig. Wenn die ergänzende Regelung der einen Seite die Gegenseite begünstigt, wird man dagegen deren Einverständnis anzunehmen haben[18]. Insgesamt wird man also die folgende Faustformel aufstellen können:
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Tipp
Wenn eine Vertragspartei ein Problemfeld in ihren AGB nicht regelt, geht sie grundsätzlich davon aus, dass die Regelung des betreffenden Punktes durch das dispositive Gesetzesrecht angemessen ist. Mit Klauseln, welche zu ihrem Vorteil von jenem Recht abweichen, ist sie im Zweifel einverstanden, mit Klauseln, welche zu ihrem Nachteil abweichen, dagegen nicht.
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Ob ein stillschweigendes Einverständnis mit branchenüblichen Klauseln angenommen werden kann, ist streitig[19], nach hier vertretener Ansicht aber zu bejahen, soweit das Geschäft branchentypisch ist und der Klauselgegner der entsprechenden Branche angehört: Wenn solche AGB in einzelnen Fällen schon ohne jeden Hinweis Vertragsbestandteil werden können (oben Rn. 111), muss der Klauselgegner sich erst recht dort, wo tatsächlich auf die AGB hingewiesen wird, gegen sie mit einer ausdrücklichen Abwehrklausel wappnen. Dies alles bedeutet für die Lösung der Beispielsfälle:
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1.) | Im Beispiel 36 a) ist die Haftungsbegrenzung des Unternehmers (ungeachtet dessen, ob sie einer Inhaltskontrolle nach § 307 II Nr. 1 BGB standhalten würde) bereits nicht Vertragsbestandteil geworden: Das Schweigen in den AGB des Bestellers ist dahin zu deuten, dass er es bei der Haftung des Unternehmers auch für einfache Fahrlässigkeit belassen will. Es liegt also eine Kollision von AGB vor; Folge ist die Anwendung des dispositiven Gesetzesrechts, so dass der Unternehmer gemäß § 276 I 1 BGB für jede Fahrlässigkeit haftet. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob der Besteller sich mit Hilfe einer Abwehrklausel gegen die AGB des Unternehmers verwahrt hat oder nicht. |
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2.) | Im Beispiel 36 b) enthält die Klausel des Verkäufers eine Regelung zur Fälligkeit, die zum Vorteil des Käufers von § 271 I BGB abweicht: Der Kaufpreis wird nicht sofort fällig, sondern binnen 30 Tagen. Man kann davon ausgehen, dass der Käufer mit dieser Regelung einverstanden ist; sie wird daher Vertragsbestandteil. |
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1.) | Im Beispiel 36 c) ist der Eigentumsvorbehalt als branchenüblich anzusehen. Man darf daher davon ausgehen, dass der Käufer stillschweigend mit der Klausel einverstanden ist, wonach der Verkäufer lediglich zur Lieferung unter Eigentumsvorbehalt verpflichtet ist[20]. Freilich lehnt der BGH dies Ergebnis ab, soweit der Käufer in seinen AGB eine Abwehrklausel gegen die gesamten AGB des Verkäufers niedergelegt hat[21]. Indes wird zu zeigen sein, dass eine Abwehrklausel in AGB des Käufers, die einen einfachen Eigentumsvorbehalt des Verkäufers ausschließen soll, unwirksam ist und deshalb auch keine Kollision von AGB hervorrufen kann (sogleich Rn. 155 sowie unten Rn. 159 ff.). |
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2.) | Im Beispiel 36 d) ist die Frage der Bedingungen des Eigentumsübergangs an sich in beiden AGB geregelt. Gleichwohl handelt es sich deshalb um „einseitig“ geregelte AGB, weil die AGB des Käufers auch einen einfachen Eigentumsvorbehalt ausschließen und dies nach richtiger Ansicht (unten Rn. 159 ff.) nach § 307 II Nr. 1 BGB unwirksam ist. Gleichwohl bedeutet dies nunmehr nicht, dass nunmehr ausschließlich die AGB des Verkäufers gelten; denn der Käufer hat sich mit ihnen nicht ausdrücklich einverstanden erklärt. Ein stillschweigendes Einverständnis ist, da der Kontokorrentvorbehalt den Käufer benachteiligt, nicht anzunehmen. Es gilt also das dispositive Gesetzesrecht, nämlich § 320 I BGB: Der Verkäufer darf die Lieferung als Ganzes von der gleichzeitigen Kaufpreiszahlung abhängig machen. Er darf erst recht die Übergabe vorher bewirken und lediglich die Übereignung an die gleichzeitige Zahlung binden. Er darf aber nicht die Übereignung mit Rücksicht auf Forderungen verweigern, die nicht gerade die konkret gelieferte Kaufsache betreffen. Er darf mithin unter einfachem, nicht aber unter erweitertem Eigentumsvorbehalt liefern. |
d) In Sonderheit: Meinungsverschiedenheiten über die Einbeziehung eines einfachen Eigentumsvorbehalts
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Abweichendes von der soeben Rn. 154 gefundenen Lösung soll im Beispiel