AGB-Recht. Martin Schwab
Wer (wie im Beispiel 30 V) Waren im Versandhandel betreibt, ist häufig auf die Leistung von Spediteuren angewiesen und daher mit den Verhältnissen der Güterverkehrsbranche vertraut. Beauftragt der Versandhändler unter diesen Umständen einen Spediteur mit dem Transport von Waren, so muss er davon ausgehen, dass dieser generell nur zu den verkehrsüblichen Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) kontrahiert. Ohne besondere Vereinbarung wird daher auch der Vertrag zwischen V und S im Beispiel 30 unter Einbeziehung der ADSp geschlossen[15]. Das gilt nach vorzugswürdiger Ansicht unabhängig davon, ob das Vertragsangebot vom Verwender ausging oder vom Kunden[16]: Das Angebot des Verwenders kann nur dahin verstanden werden, dass er zu den üblichen AGB kontrahieren will; und das Angebot des mit der Branche vertrauten Kunden, in dem den AGB nicht widersprochen wird, kann ebenfalls nur dahin verstanden werden, dass die Leistung des Verwenders zu den üblichen Bedingungen in Anspruch genommen werden soll. Erst recht sind die ADSp einbezogen, wenn der Spediteur in seiner Korrespondenz darauf hinweist, dass er sich als Angehöriger dieses Gewerbezweigs versteht und nur zu den ADSp kontrahieren will, und der Auftraggeber deren Einbeziehung nicht widerspricht[17].
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Dagegen reicht allein die Branchenüblichkeit von AGB nicht für deren Einbeziehung aus, wenn der Kunde nicht branchenkundig[18] oder das Geschäft nicht branchentypisch ist.[19]
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Beispiel 31
Bauunternehmer B will einen von ihm errichteten Turmdrehkran demontieren und beauftragt zu diesem Zweck den Spediteur S, der auf Schwertransporte spezialisiert ist. S schickt einen Autokran, mit dessen Hilfe die Demontage durchgeführt werden soll. Dieser Kran kippt um, fällt auf den Turmdrehkran und beschädigt ihn. Gegenüber der Schadensersatzforderung des B beruft sich S auf eine Haftungsfreizeichnung in den ADSp. Der BGH hat die Geltung der ADSp verneint, weil der Vertrag keine typische Speditionstätigkeit zum Gegenstand gehabt habe: S sei nicht mit dem Transport von Sachen beauftragt worden, sondern habe lediglich ein bestimmtes Gerät aus seinen Beständen zur Verfügung stellen sollen[20].
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Ebenso wenig sind branchentypische AGB wie im Beispiel 31 einbezogen, wenn der Verwender ausdrücklich auf andere AGB hinweist[21] oder der Kunde in seinem Vertragsangebot ein umfassendes Vertragswerk vorliegt, das von den AGB abweicht: Nimmt der Verwender es widerspruchslos ohne Hinweis auf seine branchenüblichen AGB an, so gelten die im Kundenangebot niedergelegten Bedingungen[22]; nimmt er es unter Hinweis auf seine AGB an, so liegt hierin gemäß § 150 II BGB eine Ablehnung des Kundenangebots in Verbindung mit einem neuen Vertragsangebot.
c) Laufende Geschäftsverbindung
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Ebenso ist ein Hinweis des Verwenders auf AGB entbehrlich, sofern er mit dem Kunden dauerhaft in einer laufenden Geschäftsverbindung steht und dieser daher weiß, dass der Verwender nur zu diesen Bedingungen kontrahiert[23].
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Beispiel 32
Hersteller H beliefert den Großhändler G in laufender Rechnung mit Waren. Bereits zu Beginn der Geschäftsbeziehung hat H auf seine AGB hingewiesen, wonach er sich bis zur vollständigen Zahlung des Kaufpreises das Eigentum an der gelieferten Ware vorbehält.
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Wenn sodann die einzelnen Lieferverträge regelmäßig unter Verwendung dieser AGB geschlossen werden, wird beim (gewerblichen) Kunden ein „Gewöhnungseffekt“ eintreten: Er wird für künftige Lieferverträge wissen, dass der Lieferant abermals seine AGB zugrunde legt. In einem solchen Fall sind daher die AGB des Lieferanten (im Beispiel 32 der Eigentumsvorbehalt des Herstellers H) auch ohne nochmaligen Hinweis einbezogen[24]. Die Einbeziehung von AGB auf diesem Wege setzt freilich voraus, dass die Geschäftsbeziehung bereits geraume Zeit besteht und regelmäßig gepflegt wird: Die Verwendung von AGB in drei Kaufverträgen innerhalb einer Geschäftsbeziehung, die erst seit acht Tagen besteht, genügt ebenso wenig[25] wie der Abschluss von acht Kaufverträgen in drei Jahren[26].
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Wenn keine laufende Geschäftsverbindung vorliegt, reicht selbst im unternehmerischen Geschäftsverkehr ein Hinweis auf AGB in früheren Verträgen nicht aus, um sie auch für künftige Verträge einzubeziehen[27]. Denn abermals greift hier das Argument aus § 305 III BGB durch (oben Rn. 25): Wer AGB mit Hilfe eines einmaligen Hinweises für eine Vielzahl künftiger Verträge einbeziehen will, muss auf den Abschluss einer entsprechenden Rahmenvereinbarung dringen und diese beim Vertragspartner durchsetzen. Daher genügt es für die Einbeziehung von AGB auch nicht, dass die Person, welche den Vertrag als Vertreter des Kunden schließt, die AGB aus ihrer früheren Tätigkeit im Unternehmen des Verwenders kennt[28].
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Ebenso begegnet die Ansicht[29] Bedenken, wonach im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses zwischen Unternehmern die AGB des einen Teils im Wege der dynamischen Verweisung in ihrer jeweils geltenden Fassung Vertragsbestandteil werden können. Auch im unternehmerischen Geschäftsverkehr gilt vielmehr der Grundsatz pacta sunt servanda. Wer überarbeitete AGB durchsetzen will, muss sich erneut um das Einverständnis des anderen Vertragsteils bemühen.
aa) Auftragsbestätigung (Annahme des Vertragsangebots)
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Sofern der Verwender nach alledem noch auf seine AGB hinweisen und dem Vertragspartner die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschaffen muss, bleibt es freilich dabei, dass diese Obliegenheiten erfüllt sein müssen, bevor der Vertragspartner eine bindende Willenserklärung abgibt. Geht das Vertragsangebot vom Kunden aus und wird erstmals in der Annahmeerklärung (sog. Auftragsbestätigung) des Verwenders auf AGB hingewiesen, so bedeutet dies die Ablehnung des Vertragsangebots, verbunden mit einem neuen Antrag (§ 150 II BGB)[30]. Dieser neue Antrag des Verwenders ist nicht schon durch Schweigen des Kunden angenommen; denn die Grundsätze über das kaufmännische Bestätigungsschreiben finden keine Anwendung, wenn die „Bestätigung“ in Wahrheit erstmals die (modifizierte) Annahme des Vertragsangebots enthält[31]. Vielmehr muss aus der Perspektive eines redlichen Absenders eines solchen Bestätigungsschreibens ein Vertrag bereits rechtswirksam zustande gekommen sein, dessen Inhalt lediglich nochmals fixiert wird[32].
bb) Bestätigungsschreiben
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Wenn freilich Verhandlungen tatsächlich schon stattgefunden haben und nunmehr das Verhandlungsergebnis (d.h. der Vertragsinhalt) in einem kaufmännischen Bestätigungsschreiben fixiert wird, wenn also die Grundsätze anwendbar sind, welche die Rechtsprechung zu einem solchen Schreiben aufgestellt hat, so können im Rahmen eines solchen Schreibens auch (erstmals) AGB einbezogen werden. Schweigt der Empfänger auf ein solches Bestätigungsschreiben, so ist der Vertrag unter Einschluss der AGB zustande gekommen; dies freilich nur, wenn im Text des Bestätigungsschreibens selbst auf die AGB hingewiesen wird: Die bloße Beifügung des AGB-Textes genügt nicht[33]. Diese Grundsätze wendet die Rechtsprechung auch auf bestimmte Nichtkaufleute entsprechend an, wenn sie ähnlich wie Kaufleute am Geschäftsverkehr teilnehmen[34]. Gegen diese Rechtsprechung ist im Schrifttum Kritik vorgetragen worden: Wo