Die Akzessorietät des Wirtschaftsstrafrechts. Markus Wagner
Strafrecht[11] erweist sich als Seismograph der gesamten Strafrechtsordnung.[12] Dies gilt umso mehr, als die Entwicklungen des Wirtschaftsstrafrechts teilweise auf die Dogmatik des allgemeinen Strafrechts zurückwirken.[13]
Anmerkungen
Die Literatur zu diesem Thema ist mittlerweile unüberschaubar. Vgl. nur exemplarisch Winkelbauer Verwaltungsakzessorietät, passim; Schmitz Verwaltungshandeln und Strafrecht, passim; Frisch Verwaltungsakzessorietät, passim; Sparwasser/R. Engel/Voßkuhle Umweltrecht, Rn. 26; Schünemann in: GS Meurer, S. 37 (61 f.); Rogall GA 1995, S. 299; Schwarz GA 1993, S. 318; vgl. auch die zahlreichen Beispiele bei Heghmanns Grundzüge einer Dogmatik, S. 35 f. in Fn. 39, sowie die Literaturnachweise der gängigen Kommentierungen vor §§ 324 ff. StGB.
Hoffmann Untreue, S. 19, 22, 28, 31 ff. 152 ff., 234 ff. und passim; Michalke in: Brauchen wir ein neues Strafrecht?, S. 91 (103); Radtke/Hoffmann GA 2008, S. 535.
Exemplarisch Tag Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen, S. 94 ff.; Ischebeck Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen, S. 143 ff.
Etwa Rönnau ZGR 2005, S. 832 (852); Dannecker/Knierim/Hagemeier-Dannecker/Hagemeier Rn. 87 ff. (einschränkend); Hinderer Insolvenzstrafrecht, S. 51 ff.; Stockburger Unternehmenskrise und Organstrafbarkeit, S. 53 ff.; SK/StGB-Hoyer § 283 Rn. 8 ff. (138. Lfg., Stand: Mai 2013).
Etwa Waßmer ZWH 2012, S. 306 (307).
Etwa Heuking BB 2013, S. 1155; vgl. auch Wunderlich Akzessorietät, passim; Rotsch ZIS 2014, S. 579.
Dass die Akzessorietäts-Thematik nur von einem rechtstheoretischen Ausgangspunkt her erforscht werden kann, deutet auch Tiedemann in seiner Rezension der Habilitationsschrift Schusters an, die sich ebenfalls mit der Akzessorietät des Wirtschaftsstrafrechts beschäftigt, ohne allerdings diesen Begriff im Titel zu verwenden (JZ 2013, S. 733).
Vgl. etwa Teubner/Willke ZfRSoz 6 (1984), S. 4 (9).
Exemplarisch Kölbel GA 2002, S. 403 (415 in Fn. 54 m.w.N.). Zur Divisionalisierung speziell des Strafrechts Rotsch ZIS 2007, S. 260 (265); ders. ZIS 2008, S. 1 (3); ders. in: FS Samson, S. 141 (147, 148 ff.); Momsen/Grützner-ders. Kap. 1 B. Rn. 74; Prittwitz ZIS 2012, S. 217 (219 f.); dagegen mit systemtheoretischen (dazu unten Rn. 21 ff.) Argumenten Fateh-Moghadam in: Wirtschaftsstrafrecht des StGB, S. 25 (31: „naiv“).
Vgl. Hassemer in: Handlungsfreiheit des Unternehmers, S. 29 (32 ff.).
Begriff etwa bei Rotsch ZIS 2007, S. 260.
In diesem Sinne auch Lüderssen in: FS Eser, S. 163 (180).
Vgl. etwa Momsen/Grützner-Rotsch Kap. 1 B. Rn. 33 m.w.N.
Teil 1 Rechtstheoretische Grundlagen › A. Der Begriff der Akzessorietät
A. Der Begriff der Akzessorietät
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Der Begriff der Akzessorietät leitet sich von dem lateinischen Verb „accedere“ ab, welches mit „hinzutreten“ oder „dazukommen“ zu übersetzen ist.[1] Er ist so zu verstehen, dass der akzessorische Gegenstand immer nur neben einen anderen treten kann, von dessen Bestehen abhängig ist und ihn folglich als notwendig voraussetzt.[2] Die Bezugsrichtung ist damit regelmäßig einseitig.
Vor diesem Hintergrund ist die Ableitung des Begriffs aus dem passivischen Partizip Perfekt des lateinischen Begriffs zumindest missverständlich, weil das ebenso nahe legen könnte, dass der akzessorische Gegenstand derjenige ist, der vorausgesetzt wird und die Bezugsrichtung folglich umgekehrt gerichtet ist.[3] Insofern wäre der Begriff der „Akzedanz“ treffender, der das abhängige Objekt als „hinzutretendes“ kennzeichnet. Nichtsdestotrotz ist es üblich, aus dem Lateinischen abgeleitete Fremdwörter aus dem Partizip Perfekt Passiv eines Verbs zu entwickeln, weshalb im Laufe der Untersuchung an dem eingebürgerten Begriff der Akzessorietät festgehalten wird.
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Auf dem Gebiet des Allgemeinen Teils des Strafrechts findet der Begriff sich insbesondere auch in der Beteiligungslehre: Man spricht von der (limitierten) „Akzessorietät der Teilnahme“, weil die Teilnahmeformen Anstiftung (§ 26 StGB) und Beihilfe (§ 27 StGB) jeweils eine (nur) vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat voraussetzen, also niemals unabhängig von einer solchen existieren können.
Um dieses Akzessorietätsphänomen soll es jedoch in der vorliegenden Untersuchung nicht gehen. Behandelt werden sollen Konstellationen, in denen das Wirtschaftsstrafrecht von außerstrafrechtlichen Maßstäben abhängig ist.
Anmerkungen
Vgl. etwa Menge in: Langenscheidts Großwörterbuch Latein, Stichwort: accedo.
Nur in Bezug auf Akzessorietät zu einem (Haupt-)Recht siehe Bräutigam-Ernst Verwaltungsvorschriften, S. 325; Heghmanns Grundzüge einer Dogmatik, S. 36; Rogall GA 1995, S. 299 (300); Köbler Juristisches Wörterbuch, Stichwort: Akzessorietät (S. 11 f.).
In diese Richtung gehen auch die Bedenken von Murr in Bezug auf den Begriff der „Verwaltungsakzessorietät“; vgl. dies. Akzessorietät, S. 19 in dortiger Fn. 84.
Teil 1 Rechtstheoretische Grundlagen › B. Zielsetzung und Gang der Untersuchung
B. Zielsetzung und Gang der Untersuchung
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Eine Anbindung des Wirtschaftsstrafrechts an außerstrafrechtliche Sätze – nicht-strafrechtliche