Soldatengesetz. Stefan Sohm
2. Änderungen der Vorschrift
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§ 8 entspricht materiellrechtl. noch der Erstfassung von 1956. Soweit feststellbar, wurden auch keine inhaltl. Änderungsvorschläge formuliert. Mit der Neubekanntmachung des SG vom 14.2.2001[12] wurde, der neuen Rechtschreibung folgend, das Wort „muß“ durch das Wort „muss“ ersetzt.
3. Bezüge zum Beamtenrecht bzw. zu sonstigen rechtl. Vorschriften; ergänzende Dienstvorschriften und Erlasse
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Zum Verhältnis zu § 37 Abs. 1 Nr. 2 vgl. die dortige Komm. (insbes. Rn. 23 ff.).
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Ein Beamter muss sich durch sein gesamtes Verhalten zu der FdGO i.S.d. GG „bekennen“ und für deren Erhaltung eintreten (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG; § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG). Die beamtenrechtl. Treuepflicht als hergebrachter Grds. des Berufsbeamtentums i.S.v. Art. 33 Abs. 5 GG wird durch § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG konkretisiert.[13]
Für Richter im Bundesdienst gilt dies entspr. (§ 46 DRiG).
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Hinw. zu den sich aus § 8 ableitenden konkreten Maßnahmen des Dienstherrn finden sich verstreut in Dienstvorschriften und Einzelerl.[14] So liegt nach der ZDv A-1130/3 „Militärische Sicherheit/Personeller Geheim- und Sabotageschutz[15] statusunabhängig ein „Sicherheitsrisiko“ vor, wenn u.a. tatsächliche Anhaltspunkte Zweifel am „Bekenntnis“ des Betroffenen zur FdGO begründen.[16] In der ZDv A-2620/1 „Politische Bildung in der Bundeswehr“ werden die FdGO definiert[17] und ihre Inhalte als „Themenkreis 1“[18] in Form von Unterrichtsthemen vorgegeben.
1. Verfassungsrechtlicher Rahmen
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Die politische Treuepflicht von Angehörigen des öffentlichen Dienstes, ihre Inhalte und ihre dienstrechtlichen Konsequenzen bei Pflichtverstößen sind spätestens seit der grundlegenden Entscheidung des BVerfG v. 22.5.1975[19] im Grunde nicht mehr umstritten. Sie verlangt von jedem Staatsdiener – also auch von Soldaten – mehr als eine nur formal korrekte, im Übrigen aber uninteressierte, kühle und innerlich distanzierte Haltung gegenüber Staat und Verfassung. Vielmehr ist die Bereitschaft gefordert, den Staat und die geltende verfassungsrechtliche Ordnung zu bejahen, sie als schützenswert anzuerkennen, i.d.S. sich zu ihnen zu bekennen und aktiv für sie einzutreten. Der Staat ist darauf angewiesen, dass seine Beamten für ihn einstehen und Partei für ihn ergreifen.[20]
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Auch wenn die Treuepflicht für Soldaten nicht unmittelbar aus den hergebrachten Grds. des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG hergeleitet werden kann,[21] spricht nichts dagegen, sie als eine Kern- und Grundpflicht für Soldaten und konkreten Ausfluss des Prinzips der wehrhaften Demokratie zu konstituieren, wie es durch § 8 erfolgt ist.
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Selbstverständlich muss die Treuepflicht ihrerseits im Einklang mit grundrechtlichen Freiheiten und anderen verfassungsrechtlichen Grundsätzen stehen. Dies steht aber im Grds. nicht in Frage. Die Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG wird durch § 8 in verfassungsrechtlich zulässiger Weise begrenzt.[22] Das SG ist insoweit ein allgemeines Gesetz i.S.v. Art. 5 Abs. 2 GG.[23] Im Rahmen von Einzelfallentscheidungen eine Abwägung zwischen Treuepflicht und Meinungsfreiheit i.S.d. Herstellung praktischer Konkordanz vorzunehmen, erscheint nur in Ausnahmefällen denkbar. Der Pflicht zur Verfassungstreue kommt ein absoluter Charakter zu; sie kann nur schwerlich durch entgegenstehende Grundrechte aufgeweicht werden.[24] Daher dürfte es missverständlich sein, in konkreten Fällen die Pflicht zur Verfassungstreue gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit abzuwägen.[25] Wertende Betrachtungen werden und müssen sich vielmehr darauf beziehen, ob eine konkrete Verhaltensweise oder Äußerung eines Soldaten inhaltlich im Widerspruch zur FdGO steht oder sich noch in deren Rahmen bewegt. Hierbei spielt das Grundrecht auf Meinungsfreiheit eine entscheidende Rolle. Die rechtsstaatlich-demokratische Verfassungsordnung schützt gerade durch dieses Grundrecht auf unterschiedliche Meinungen, Sichtweisen und Wertvorstellungen, auch wenn sie von Mehrheitspositionen abweichen und selbst dann, wenn sie zugespitzt oder provokativ vorgetragen werden. Entscheidend ist, dass sie sich nicht gegen die Maßstäbe der FdGO[26] richten. Die politische Treuepflicht schließt auch ein politisches Engagement von Soldaten nicht aus („Staatsbürger in Uniform“)[27] und verlangt auch keine Identifikation mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Regierung oder der in den Parlamenten vertretenen Parteien.[28] Ob eine Verhaltensweise wirklich gegen die FdGO gerichtet ist, muss daher gerade in Ansehung der verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit sorgfältig geprüft werden. Steht allerdings die Verfassungsfeindlichkeit (z.B. einer Äußerung oder einer politischen Betätigung) fest, so kann ein Verstoß gegen § 8 nicht mehr mit Hinweis auf die Meinungsfreiheit verneint werden.[29]
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Das Parteienprivileg nach Art. 21 Abs. 2 GG steht einer Verpflichtung von Soldaten zur Verfassungstreue nicht entgegen.[30] Die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Partei kann ein Verstoß gegen die Treupflicht begründen, selbst wenn das BVerfG die Partei nicht verboten hat.[31]
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Auch der EGMR hat anerkannt, dass von Staatsdienern die Treue zu grundlegenden Verfassungsgrds. der jeweiligen Staaten verlangt werden kann.[32]
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Rechtstatsächlich haben sich die Problemstellungen der politischen Treuepflicht in den letzten Jahren zum Teil verschoben. In den siebziger Jahren standen der Ost-West-Konflikt und die Bedrohung bzw. Infiltration durch kommunistische Regime (insbes. der DDR) und damit linksradikale Verhaltensweisen im Vordergrund,[33] obwohl in den Streitkräfte das Phänomen linksradikaler Angehöriger immer weniger ausgeprägt war als in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes. Inzwischen hat sich der Fokus allgemein eher auf die Problematik rechtsextremer Angehöriger verlagert[34] sowie im Zusammenhang damit auf Anhänger der sog. „Reichsbürgerbewegung.“[35] Eine noch relativ neue Entwicklung im Zusammenhang mit der politischen Treuepflicht, stellt der unmittelbar nicht politische, sondern religiöse Extremismus (insbes. Islamismus) dar, der – soweit er die Verfassungsordnung des GG nicht anerkennt – ohne Zweifel zu den verfassungsfeindlichen Strömungen zu rechnen ist.[36]
2. Reichweite
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§ 8 richtet sich seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung im SG nach an alle Soldaten, unabhängig von ihrem Status. Anders als in § 9 hat der Gesetzgeber, zumindest dem Normtext zufolge, keine Differenzierung zwischen BS/SaZ einerseits und WPfl andererseits[37] vorgenommen. Andere Aufschlüsse verschafft auch nicht die Heranziehung von § 23 Abs. 2 Nr. 2. Danach gilt als Dienstvergehen, wenn sich ein Offz oder Uffz nach seinem Ausscheiden aus dem Wehrdienst gegen die FdGO betätigt. Rechtl. unbeachtlich ist dabei, aus welchem Status dieser früh. Soldat entlassen worden und welchem Personenkreis er jetzt zuzuordnen ist, d.h. ob er der Wehrpflicht unterliegt oder nicht.
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