Soldatengesetz. Stefan Sohm
ohne weitere Begr. oder Differenzierung – die Entsch. des BVerfG zum sog. Radikalenerl.[39] für den Bereich der Soldaten übernommen und damit Beamte und Soldaten im Wesentlichen ders. polit. Treuepflicht unterworfen. In einem zweiten Schritt hat der 2. WDS anschließend[40] diese Treuepflicht als solche definiert, „sich mit der Idee der freiheitlichen demokratischen(...) Ordnung der Bundesrepublik Deutschland(...) zu identifizieren(...) Identifizieren bedeutet dabei nicht nur, die Grundordnung dieses Staates anzuerkennen, sondern verlangt ein Mehr an staatsbürgerlicher Verpflichtung, das dem Soldaten, wie auch dem Richter und Beamten, auferlegt ist. Die politische Treuepflicht nach § 8, die von jedem Soldaten die Bereitschaft verlangt, sich zu der Idee des Staates, dem er dient, zu bekennen und aktiv für ihn einzutreten, gehört zu den elementarsten soldatischen Pflichten (...)“. Nahezu formelhaft finden sich diese Ausführungen in allen einschlägigen Entsch. des 2. WDS bis heute wieder.[41] Der Wortlaut von § 8 tritt dabei völlig in den Hintergrund; selbst eine nach Statusgruppen abgestufte Treueverpflichtung wird nicht mehr erkennbar.
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Diese Rspr. ist von der Lit. mit Blick auf SaZ und BS im Wesentlichen ohne Einschränkungen übernommen worden: Cuntz[42] setzt sich zwar zunächst krit. mit dem seinerzeitigen Meinungsbild auseinander und beklagt das „Abweichen“ vom „Anerkennen“ des Gesetzestextes zum „Bekennen“, ohne dass dies begründet werde. Unter Berufung auf die Entstehungsgeschichte der Norm votiert er jedoch für eine Gleichsetzung von BS und SaZ mit Beamten und eine „eingeschränkte“ Verfassungstreuepflicht für wpfl Soldaten. Pieroth[43] verweist darauf, dass die polit. Treuepflicht „auch von Soldaten einschließlich Zeitsoldaten verlangt“ werde. Eine am Wortlaut orientierte Auslegung von § 8 findet in der Lit. i.d.R.[44] nicht statt.
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Gegen die insbes. vom 2. WDS aufgestellten Grds. könnte angeführt werden, dass der Wortlaut von § 8 eindeutig ist. „Soldat“ meint alle Soldaten gleichermaßen; eine rechtl. unterschiedliche Einstufung der Statusgruppen hätte analog § 9 der Gesetzgeber vornehmen müssen. Die vom VertA und Rechtsausschuss des BT – anders als vom Beamtenrechtsausschuss – während der Beratungen des Gesetzentw. angestellten Überlegungen haben sich im Wortlaut des SG nicht niedergeschlagen. „Anerkennen“ ist gegenüber „bekennen“ ein Minus. Die Soldaten müssen die FdGO als verbindlich ansehen.[45]
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Dem gegenüber argumentiert das BVerfG in mehreren Entsch.[46] mit dem Zusammenhang zwischen der „streitbaren“ oder „wehrhaften“ Demokratie und der „inneren Ordnung“ der Bw. Die Bundesrepublik Deutschland sei eine Demokratie, deren Verfassung von ihren Bürgern eine Verteidigung der demokratischen Ordnung erwarte. Dies gelte in besonderem Maße für diejenigen Bürger, die in einem Dienst- und Treueverhältnis zum Staat stünden, also Beamte, Richter und Soldaten. § 8 trage diesem Gedanken deutlich Rechnung. Es sei eine „Grundpflicht“ der Soldaten, durch ihr gesamtes Verhalten für die Erhaltung der FdGO einzutreten. Folgt man diesen Überlegungen, steht nur fest, dass sich die polit. Treuepflicht des Soldaten (irgendwie) aus dem GG ergibt. Sie wird durch § 8 auf einfachgesetzl. Grundlage konkretisiert.[47] Für die Auslegung von § 8 ist dieser Ansatz aber zumindest insoweit hilfreich, als es nicht völlig fernliegend erscheint, bei Angehörigen des öff. Dienstes die Pflichtenbindung danach zu differenzieren, ob sie auf freiwilliger Grundlage oder kraft gesetzl. Verpflichtung ihren jew. Status erlangt haben.
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Angesichts der Aussetzung des Grundwehrdienstes hat die Frage der Differenzierung der politischen Treuepflicht zwischen freiwillig dienenden und auf Grund der Wehrpflicht dienenden Soldaten an praktischer Relevanz verloren. Dies ändert freilich nichts daran, dass eine gesetzl. Klarstellung in Anlehnung an das Beamtenrecht hilfreich wäre.
3. Freiheitliche demokratische Grundordnung
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Im SRP-Urt.[48] hat das BVerfG die FDGO definiert als ein Prinzip, das „unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt“. Als wesentliche Elemente dieser Ordnung nennt das BVerfG die Achtung vor den im GG konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit aller polit. Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition. Zusammengefasst sind unter FDGO die in Art. 1 und 20 GG enthaltenen Grundsätze, die gem. Art. 79 Abs. 3 GG einer Verfassungsänderung entzogen sind, zu verstehen.
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Diese Definition der FdGO gilt unangefochten bis heute.[49] Sie findet sich einfach gesetzlich so auch in § 4 Abs. 2 des BVerfSchG.
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Zu weiteren Einzelheiten, Problemstellungen und Verfahrensfragen s. die Komm. zu § 37 Rn. 23 ff.
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Die SK sind gem. Art. 12a, 87a GG Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung. Sie gehören nicht zu den Institutionen, welche die FdGO konstituieren.[50]
4. Die Pflicht zur Anerkennung und zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung
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In der Literatur (auch in der 3. Aufl. dieses Kommentars) wird z.T. zwischen der Pflicht zur Anerkennung der FdGO und der Pflicht, für ihre Erhaltung einzutreten differenziert. Die Anerkennung sei ein rein innerer Vorgang,[51] während das Eintreten das nach außen tretende Handeln oder Unterlassen sei, durch die ggf. die innere Einstellung dokumentiert würde. So argumentiert auch der 2. WDS in einer aktuellen Entscheidung (BVerwG 2 WD 17. 19), in der er ausdrücklich zwischen den beiden Alternativen des § 8 (Anerkennen und Eintreten) unterscheidet. Bei diesem Verständnis stellt § 8 zwei unterschiedliche Dienstpflichten auf.
Richtig ist, dass bei der politischen Treuepflicht regelmäßig zwei Ebenen berührt sein können: die innere Einstellung oder Überzeugung des Soldaten und sein Agieren nach außen. Dabei ist allgemein anerkannt, dass ein rein innerer Vorgang nicht ausreicht, um eine Dienstpflichtverletzung eines Soldaten zu begründen. Ein Verstoß gegen § 8 liegt erst dann vor, wenn der Soldat nach außen hin zu erkennen gibt, dass er sich nicht mit der FDGO identifiziert.[52]
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Rspr. und Lit. wiederholen in diesem Zusammenhang immer wieder die Aussage, dass „das bloße Haben einer Überzeugung und die bloße Mitteilung, dass man diese habe,“ für die Annahme einer Verletzung der Treuepflicht nicht ausreiche, sondern ein Dienstvergehen erst vorliege, wenn aus der Überzeugung Folgerungen für die Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen