Soldatengesetz. Stefan Sohm
hat das BMVg den Rotationserlass (allerdings erst mit Wirkung vom 1.3.2015[98]) aufgehoben.
Zur Berücksichtigung von Dienstzeiten im Rahmen der Bestenauslese s.u. Rn. 101 ff.
c) Im Rahmen des Leistungsgrundsatzes unbeachtliche Kriterien
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Die nach Abs. 1 bei Ernennungen und Verwendungen unbeachtlichen Kriterien entsprechen weitestgehend den in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannten. Deshalb kann zu ihren Begriffsinhalten auf die verfassungsrechtl. Definitionen zurückgegriffen werden. Auch wenn das Merkmal der Sprache, das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG ausdrücklich genannt wird, in Abs. 1 fehlt, ist nicht zw., dass z.B. ein Ausländer, der nach § 37 Abs. 2 ausnahmsweise in ein Wehrdienstverhältnis berufen worden ist, nicht wegen seiner Muttersprache etwa bei Beförderungen benachteiligt werden darf. Einerseits ist Sprache untrennbar mit der ethnischen Herkunft verknüpft[99], die inzwischen als verpöntes Merkmal Eingang in den Katalog des Abs. 1 gefunden hat.[100] Andererseits gilt Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nach Art. 1 Abs. 3 GG als die vollziehende Gewalt unmittelbar bindendes Recht. Deshalb schützt Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG über das Merkmal der Sprache auch Soldaten, wenn sie z.B. als Gastarbeiterkinder oder Flüchtlinge nur gebrochen Deutsch oder in einem Dialekt sprechen.[101] Beherrscht ein deutscher Staatsangehöriger, der sich um Einstellung als Soldat in die SK bewirbt, die deutsche Sprache so mangelhaft, dass eine Kommunikation mit ihm nicht möglich ist, kann dies als Eignungsmangel nach Art. 33 Abs. 2 GG gelten. Diese Vorschrift geht als Spezialnorm dem Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, auch bezogen auf das Merkmal der Sprache, vor.[102]
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Weitere verpönte Merkmale sind:
aa) Geschlecht
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Das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG genannte Diskriminierungsverbot wegen des Geschlechts wird unterstützt durch Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG, der die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festlegt. Das Benachteiligungsverbot nach Abs. 1 ist unter Berücksichtigung dieser Best. auszulegen. In Bezug auf die Wehrdienstleistung von Soldatinnen mit der Waffe hat der EuGH[103] – gegen die nationale höchstrichterliche Rspr.[104] – entschieden, dass europ. Recht der Anwendung nationaler Vorschriften entgegensteht, die Frauen wegen ihres Geschlechts allg. in den SK vom Dienst mit der Waffe ausschließen und ihnen nur den Zugang zu den Laufbahnen des SanDienstes und des Militärmusikdienstes gewähren. Nicht zulässig wäre es, Frauen allg. den Zugang zu bestimmten Verwendungen deshalb zu verweigern, weil dabei eine typischerweise von Frauen nicht erreichbare Leistungsfähigkeit als unabdingbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit gefordert werden müsste (z.B. bei Kommandosoldaten, Kampfschwimmern[105]). Maßgeblich ist hierbei nicht eine geschlechtsbezogene Differenzierung, sondern die objektiv messbare körperliche Leistungsfähigkeit,[106] die – wenn auch möglicherweise nur in seltenen Ausnahmen – von Frauen erbracht werden kann.
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Eine an das Geschlecht anknüpfende Ungleichbehandlung entgegen Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 GG und entspr. entgegen Abs. 1 ist nicht ausnahmslos unzulässig. Das Grundrecht der Gleichbehandlung von Männern und Frauen unterliegt keinem Gesetzesvorbehalt, kann aber aufgrund kollidierenden Verfassungsrechts eingeschränkt werden.[107] Eine gleichrangige Verfassungsbest., die ausdrücklich in Bezug auf die Wehrdienstleistung eine Unterscheidung nach dem Geschlecht zulässt, ist Art. 12a Abs. 1 GG, der die Möglichkeit zur Schaffung einer Wehrpflicht auf Männer beschränkt. Nach der Rspr. des BVerfG sind außerdem unterschiedliche Regelungen für Männer und Frauen mit „objektiven biologischen Unterschieden“ zu rechtfertigen, also damit, dass sie Probleme lösen, „die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder Frauen auftreten“.[108] Deshalb verstoßen Best. im Zusammenhang mit der Schwangerschaft, der Geburt oder dem Stillen eines Kindes[109] nicht gegen das Differenzierungsverbot wegen des Geschlechts; sie können im Übrigen direkt aus Art. 6 Abs. 4 GG begründet werden. Außerdem kann das Gebot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zur Förderung und Durchsetzung der Gleichberechtigung in einem verhältnismäßigen, Art. 3 Abs. 2 Satz 1 GG angemessen berücksichtigenden Rahmen[110] und auf gesetzl. Basis[111] zu Frauen bevorzugenden Regeln berechtigen.
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Die letztgenannte Ausnahme findet Anwendung insbes. im Rahmen der Gleichstellung von Soldatinnen und Soldaten auf der Grundlage des SGleiG. Nach § 8 Satz 1 und 3 SGleiG sind Frauen, wenn sie in einzelnen Bereichen unterrepräsentiert[112] sind, beim beruflichen Aufstieg bei gleicher Qualifikation bevorzugt zu berücksichtigen, es sei denn, dass ausnahmsweise in der Person eines männlichen Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen. Diese gesetzl. Regelung ist mit der Rspr. des EuGH vereinbar.[113] Dieser hatte dienstrechtl. Vorschriften, nach denen bei gleicher Qualifikation Frauen in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, automatisch Vorrang eingeräumt wird, als mit europ. Gleichbehandlungsrecht unvereinbar angesehen[114], entspr. Regelungen aber für zulässig erklärt, wenn sie wie in § 8 SGleiG durch eine Härteklausel abgemildert werden, die notfalls in der Person des männlichen Konkurrenten liegende, überwiegende Interessen als vorrangig anerkennt.[115] Auch verfassungsrechtl. ist die den Leistungsgrds. nicht beeinträchtigende, die Frauenförderung nur als Hilfskriterium anerkennende und zudem in Härtefällen überwiegende Gründe männlicher Mitbewerber berücksichtigende Regelung des § 8 SGleiG als Ausfluss des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zulässig.[116]
bb) Sexuelle Identität
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Im Vordergrund der sexuellen Identität steht die Beziehung zu anderen Personen im sexuellen Bereich, die Präferenz für den jew. Sexualpartner. Erfasst werden homosexuelle und bisexuelle Männer und Frauen, transsexuelle und zwischengeschlechtliche Menschen (Zwitter).[117]
Durch die Einführung der sexuellen Identität in den Abs. 1 (im Jahr 2006, s.o. Rn. 5) als zusätzliches Merkmal, das bei Ernennungen und Verwendungen von Soldaten ausdrücklich nicht berücksichtigt werden darf, hat der Gesetzgeber einen Schlussstrich unter eine gegenteilige, bis vor wenigen Jahren noch höchstrichterlich[118] gebilligte Praxis gezogen, wonach es „rechtlich auch weiterhin nicht zu beanstanden“ sein sollte, dass „gleichgeschlechtlich veranlagte Soldaten nicht als Ausbilder in der Truppe verwendet werden“ und regelmäßig nicht zum BS ernannt wurden.[119]
cc) Abstammung
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Unter dem Begriff der Abstammung ist „vornehmlich die natürliche biologische Beziehung eines Menschen zu seinen Vorfahren“ gemeint.[120] Als verpöntes Kriterium erfasst die Abstammung ein Anknüpfen an Eigenschaften der Eltern (z.B. deren Religionszugehörigkeit oder Kriminalität); die Nichtberücksichtigung richtet sich gegen Sippenhaft und Vetternwirtschaft.[121] Deshalb darf für die Übernahme in ein Wehrdienstverhältnis und die Förderung als Soldat weder die Zugehörigkeit zum Adel noch zu einer einflussreichen Familie maßgebend sein; ebenso