Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz / Verwaltungszustellungsgesetz. Eva-Maria Kremer
Art. 35 Rn. 4). Denn das lässt der Wortlaut des Art. 35 Abs. 1 GG nicht zu. Daher gibt es hier auch kein Weisungsrecht des Bundes gegenüber Landesbehörden.
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Rechtsvorgänger der Vollstreckungshilfe ist das Reichsgesetz über den Beistand bei Einziehung von Abgaben und Vollstreckung von Vermögensstrafen vom 9.6.1895 (RGBl. S. 256/BGBl. III 201-1). Das Beistandsgesetz galt als Landesrecht weiter (BGH U 22.5.1970 – IV ZR 1008/68, juris Rn. 17 = BGHZ 54, 157 (163). Inzwischen ist es durch § 7 VwVfG ersetzt worden.
2. Amtshilfe der Länder für den Bund
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In § 5 Abs. 2 wird das Recht des Bundes gegenüber den Ländern, sie um Amtshilfe ersuchen zu können, vorausgesetzt. Das ist mit Rücksicht auf Art. 35 Abs. 1 GG gerechtfertigt: Der Bund hat das Recht auf Amtshilfe/Vollstreckungshilfe. Dieses Recht wird in den Gesetzen folgender Länder bestätigt:
(1) Baden-Württemberg: § 4 Abs. 3 LVwVG.
(2) Hamburg: §§ 5, 36 HmbVwVG.
(3) Niedersachsen: § 7 NVwVG.
(4) Sachsen: § 4 Abs. 2 S. 1 SächsVwVG.
(5) Sachsen-Anhalt: § 7 VwVG LSA.
(6) Thüringen: § 22 Abs. 1 S. 2 ThürVwZVG.
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Die Art und Weise der Amtshilfe ist in den Bestimmungen der §§ 4 bis 8e VwVfG geregelt. Die Legaldefinition der Amtshilfe ist in § 4 Abs. 1 VwVfG enthalten. Danach handelt es sich bei ihr um eine „ergänzende Hilfe“. Das bedeutet: Die um Amtshilfe ersuchte Behörde ergänzt durch ein Nebenverfahren das Verfahren der ersuchenden Behörde, bei welcher die Hauptsache anhängig ist. Diese §§ 4 bis 8e VwVfG konkretisieren Art. 35 Abs. 1 GG (VGH Mannheim U 15.3.1990 –1 S. 282/90, juris = NVwZ-RR 1990, 337). Sie sind als Landesrecht mit dem übereinstimmenden Bundesrecht gleichrangig und deshalb gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisibel. Hiernach ist im Übrigen die Zulässigkeit der Revision umfassend (vgl. BVerwG U 26.6.2002 – 8 C 30/01, juris = BVerwGE 116, 332).
Um das zu verstehen, muss man den historischen Ursprung des heutigen Rechts kennen. Gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG erstreckt sich die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes nur auf das gerichtliche Verfahren und nicht auch auf das allgemeine Verwaltungsrecht (Einleitung Rn. 2). Somit steht dem Bund hier nur die Befugnis zur Gesetzgebung für die Bundesverwaltung zu, nicht aber auch für die Länder. Das führte in der Vergangenheit zu einer unzumutbaren Zersplitterung des Verwaltungsverfahrensrechts.
Deswegen wurde im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Innern auf der Ständigen Konferenz der Innenminister der Länder am 20.2.1976 folgender Beschluss gefasst (Drucksache des Abgeordnetenhauses von Berlin 7/650 vom 5.11.1976):
„Die Innenminister sind der Auffassung, dass nach Erlass des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes in den Ländern Landesverwaltungsverfahrensgesetze inhaltsgleich erlassen werden müssen. Die Innenminister werden darauf hinwirken, dass alsbald nach Verabschiedung des Bundesgesetzes im Interesse der Rechtseinheit entsprechende Landesgesetze verabschiedet werden.“
Nach Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes vom 25.5.1976 am 1.1.1977 haben die damaligen Bundesländer die angestrebte Rechtseinheit vollzogen. Gleiches haben später auch die neuen Bundesländer getan. Inzwischen ist das Gesetz durch die §§ 8a–e erweitert worden.
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Nach § 169 Abs. 1 VwGO kann auch der Gerichtsvorsitzende Vollstreckungshilfe in Anspruch nehmen. Dabei bleibt er Herr des Verfahrens. Das ist wegen des Rechtsschutzes wichtig. Denn eine Beschwerde gemäß § 146 Abs. 1 VwGO (Rn. 17) wäre gegen ihn zu richten. Für die Vollstreckungshilfe bzw. Amtshilfe gilt § 5 VwVG.
Aus § 5 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 250 Abs. 2 AO könnte hergeleitet werden, dass Maßnahmen im Wege der Vollstreckungshilfe oder Amtshilfe nicht dem Gerichtsvorsitzenden, sondern der ersuchten Stelle zugerechnet werden (Kopp/Schenke, § 169 Rn. 4; Eyermann/Kraft, § 169 Rn. 11). Indessen ist § 250 Abs. 1 S. 1 AO so zu verstehen, dass die ersuchte Behörde entsprechend § 7 Abs. 1 VwVfG nur die Vollstreckungshandlungen als solche zu vertreten hat (App/Wettlaufer, § 5 Rn. 10). Folglich bleibt der Gerichtsvorsitzende Herr des Verfahrens (ebenso Redeker/von Oertzen, § 169 Rn. 6, 12–14).
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Die Vollstreckungsbehörde kann auch einen notwendigen Verwaltungsakt erlassen. Das trifft auf die Pfändungsverfügung wegen einer Geldforderung zu. Gegen diesen Verwaltungsakt ist der Widerspruch des Vollstreckungsschuldners, nicht des Drittschuldners, zulässig (BGH U 22.5.1970 – IV ZR 1008/68, juris Rn. 20 = BGHZ 54, 157 (165); Engelhardt/App, § 309 AO Rn. 3).
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Zugleich ergibt sich aber aus Art. 35 Abs. 1 GG das Recht der Länder auf Hilfe gegenüber dem Bund und seine Pflicht dazu. Für diesen Fall stellt Rheinland-Pfalz in § 5 Abs. 5 LVwVG zutreffend fest, dass sich die Durchführung der Vollstreckungshilfe nach Bundesrecht richtet.
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Eine Amtshilfe kann auch auf einer Spezialvorschrift beruhen; dazu gehören deutsches Recht und Unionsrecht.
3. Forderungsvollstreckung des Bundes in einem Land
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Gemäß § 5 Abs. 2 ist die Vollstreckung im Wege der Amtshilfe nach den jeweiligen landesrechtlichen Bestimmungen durchzuführen. Das entspricht der Landeshoheit und ist also zwingend. Die Länder können jedoch Ausnahmen zulassen und inländischen Vollstreckungsbehörden, so auch denen des Bundes, ein Vollstreckungsrecht in ihrem Land gewähren. Das ist bei Pfändungsverfügungen wegen einer Geldforderung zweckmäßig und in folgenden Ländern geschehen:
(1) Baden-Württemberg: § 15 Abs. 2, Abs. 3 LVwVG. Hier ist eine Zustellung im Wege der Postzustellung vorgesehen.
(2) Rheinland-Pfalz: § 43 Abs. 4, Abs. 5 LVwVG.
(3) Sachsen: § 15 Abs. 2, Abs. 3 SächsVwVG.
(4) Thüringen: § 38 Abs. 2, Abs. 3 ThürVwZVG.
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Damit verleihen diese Länder den Vollstreckungsbehörden des Bundes (§ 4 Rn. 6–9) insoweit das gleiche Recht wie ihren eigenen. Die Vollstreckung richtet sich dann nach § 5 Abs. 1 VwVG i.V.m. § 309 AO.
4. Amtshilfe der Länder untereinander
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Rechtsgrundlagen